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Grundsteuer-ÄrgerTäglich mehrere Hundert Hilferufe bei der Finanzämter-Hotline

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Ein Formular zur Angabe des Grundsteuerwerts für die Grundsteuer.

Ein Formular zur Angabe des Grundsteuerwerts für die Grundsteuer. 

Für viele Immobilienbesitzer ist das Kapitel Grundsteuer immer noch nicht abgeschlossen. Sie sehen sich durch das komplexe Verfahren überfordert.

Die Frist ist bereits vor 31 Monaten abgelaufen. Am 31. Januar 2023 sollten die Immobilienbesitzer in NRW die Grundsteuererklärung abgeben. Ein Großteil der Steuerpflichtigen hatte sich damals über das zeitraubende und komplizierte Erhebungsverfahren beschwert. Wie sich jetzt herausstellt, ist das Thema Grundsteuer bis heute für viele Menschen in NRW immer noch nicht ausgestanden.

Allein im Juli haben sich mehr als 12.500 Hilfesuchende bei der Hotline der Finanzämter gemeldet – an Werktagen ist die Zahl der Anrufer regelmäßig dreistellig. Das geht aus der Antwort von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf eine Kleine Anfrage des FDP-Politikers Ralf Witzel hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Mehr als 300.000 fehlen immer noch

Den Angaben zufolge fehlen landesweit noch 357.819 Steuererklärungen. Die Finanzverwaltung war davon ausgegangen, dass der größte Teil der Verfahren automatisiert bearbeitet werden könnte. Ein Irrtum.

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Bis zuletzt wurde etwa die Hälfte der Grundsteuer-Erklärungen bei der digitalen Erfassung als fehlerhaft oder unvollständig identifiziert. Da in diesen Fällen keine automatische Verarbeitungsmöglichkeit besteht, müssen die Angaben händisch von Finanzbeamten kontrolliert oder verbessert werden. „Das zeigt, dass die Erklärungen etliche Steuerzahler überlasten“, kritisiert FDP-Finanzexperte Witzel. In 456.577 Fällen wurden Schätzungen als Besteuerungsgrundlage herangezogen.

Landesweit liegen inzwischen rund 1,6 Millionen Einsprüche gegen die Neuberechnung der Grundsteuer in NRW vor. Davon richten sich 1.053.000 gegen die Feststellungsbescheide - und weitere 533 000 gegen die Grundsteuermessbeträge.

Viele Einsprüche in Köln

In den sieben Kölner Finanzämtern ist die Einspruchsbereitschaft deutlich höher als im landesweiten Mittel und im Kölner Umland. Gegen den Grundsteuerwert liegen 69.815 Einsprüche vor und gegen den Messbetrag zusätzlich 43.076, insgesamt also 112.891. Die höchste Einspruchsquote gegen Grundsteuerwertfeststellungen in Köln gab es beim Finanzamt Köln-West (27 Prozent), gefolgt von Köln-Mitte (26,1 Prozent) und Köln-Altstadt (24,3 Prozent). Lediglich in Düsseldorf ist der Anteil der „Rebellen“ höher. Der Finanzamt-Bezirk Düsseldorf Altstadt hat die landesweit höchste Einspruchsquote von 27,7 Prozent. Am wenigsten Ärger bereiten die Menschen im münsterländischen Ahaus den Finanzbehörden – dort liegt die Einspruchsquote bei 9,8 Prozent.

Im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regeln zur Berechnung der Abgabe für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin hatte der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ein wertbasiertes Berechnungsmodell konzipiert, das auch in NRW zur Anwendung kommt. Andere Bundesländer wie Hessen, Niedersachsen oder Bayern hatten sich für ein Konzept entschieden, bei dem sich die Steuer an der Flächengröße orientiert.  Bis zur Jahresmitte sind landesweit bereits 466 Klagen gegen das Scholz-Modell angefallen, viele haben Mustercharakter auch für weitere Steuerpflichtige.

Ralf Witzel: Reform der Grundsteuer gescheitert

FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel hält die Grundsteuerreform auch angesichts des anhaltenden Protestausmaßes für gescheitert: „Das Scholz-Modell hat keine Akzeptanz bei den Bürgern. Der immense Widerstand in der Mitte unserer Gesellschaft gegen die neue Grundsteuer erreicht immer neue historische Negativrekorde. Die stark steigende Steuerbelastung bei etlichen Immobilien trifft gleichermaßen alle Wohneigentümer und Mieter und jagt die Zahl eingelegter Rechtsmittel verständlicherweise in die Höhe.“

Es entstehe ein großer Vertrauensverlust, wenn viele Städte jetzt „im Windschatten der chaotischen Grundsteuerreform“ auch noch ihre Grundsteuereinnahmen über neue Hebesätze erhöhen würden. „Ohne Kurskorrektur drohen vielen Steuerzahlern bald noch höhere Belastungen, wenn nach der Kommunalwahl alle Hemmschwellen zu Steuererhöhungen fallen“, sagte Witzel.

Hebesätze sind in mehr als 280 Kommunen gestiegen

Die Grundsteuer und die Gewerbesteuer sind die einzigen ertragreichen Steuern, die Kommunen selbst senken oder erhöhen können. Deshalb werden sie häufig dazu genutzt, um notwendige Einnahmen für die Stadt- und Gemeindekassen zu generieren. Eine Umfrage durch den Bund der Steuerzahler NRW hatte ergeben, dass in 282 Kommunen die neuen Hebesätze über den bisherigen liegen.

In 95 Kommunen liegen sie darunter, in 19 Kommunen bleiben sie gleich hoch. Die niedrigsten Hebesätze für Wohnungen gibt es unter anderem in Gütersloh, Münster, Borken und im Rhein-Kreis Neuss. Die höchsten Hebesätze werden danach in Lindlar, Hagen, Witten und Monschau berechnet.