NRW-SPD-Chef Hartmann„Laschet hat als Krisenmanager ein schlechtes Bild abgegeben“

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Hartmann Sebastian dpa

Sebastian Hartmann von der SPD.

  • NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann kritisiert im Interview Ministerpräsident Armin Laschet und spricht über seine Fassungslosigkeit.
  • Zu den Karnevals-Planungen in Köln hat er auch eine klare Prognose.
  • Hartmann fordert zudem 30 Stunden Betreuung für alle Kinder und Corona-Tests an den Schulen.

Herr Hartmann, die SPD sucht den Kanzlerkandidaten. Wer hätte bessere Chancen: Rolf Mützenich oder Olaf Scholz?

Sebastian Hartmann: Rolf Mützenich und Olaf Scholz leisten sehr gute Arbeit. Vizekanzler Olaf Scholz ist schon qua Amt ein logischer Kanzlerkandidat. Die Entscheidung steht jetzt noch nicht an. Üblicherweise schlagen die Bundesvorsitzenden ein Verfahren und die geeignete Kandidatin oder den geeigneten Kandidaten vor. Dem ist nicht vorzugreifen. Die SPD ist personell gut aufgestellt und wird eine kluge Wahl treffen. Eine wesentliche Erkenntnis aus früheren Wahlniederlagen ist, Kanzlerkandidaten frühzeitig zu bestimmen, um besser vorbereitet zu sein. Dies ist die verabredete Grundlage. Nur dann sind wir stark aufgestellt und können bessere Ergebnisse erzielen. Es ist richtig, die Entscheidung zeitnah im Sommer vorzubereiten und damit auch früher als in der Vergangenheit zu treffen.

Glauben Sie, dass die Chancen von Armin Laschet auf die Kanzlerkandidatur in der Corona-Krise gestiegen sind?

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Nein. Armin Laschet hat als Krisenmanager ein mehr als schlechtes Bild abgegeben. Wenn diese Landesregierung so weitermacht, dann befeuert sie damit den Protest gegen die Corona-Politik. Mich macht es fassungslos, dass die Bundesliga mit neun Spieltagen starten konnte, aber Kinder und Jugendliche nur wenige Tage in Kitas und Schulen gehen können. Manche waren bisher noch keinen einzigen Tag wieder in einer Einrichtung. Laschet setzt falsche Prioritäten, wenn er den Bundesliga-Start regelt, aber ein Bildungskonzept vermissen lässt. Deshalb wird es Zeit, die Prioritäten zurechtzurücken. Wir müssen verhindern, dass Jahrgänge mit Bildungslücken entstehen, die später schlechtere Berufs- und Lebenschancen haben wird.

Wie könnte die Betreuung besser organisiert werden?

Echte Chancengleichheit ist ein zentrales Versprechen unserer Gesellschaft. Noch bis vor zwei Jahren hieß es in unserem Land: „Kein Kind zurücklassen.“ Von dieser Politik hat sich die schwarz-gelbe Landesregierung endgültig abgewendet. Die Betreuung von Kindern bestimmt jetzt der Beruf der Eltern und der daraus folgenden Entscheidung über ein Betreuungsangebot. Jedes Kind ist jedoch wichtig und damit systemrelevant. Es wäre mehr Betreuung möglich, wenn das vorhandene Personal intelligenter eingesetzt werden würde. Ab Juni sollte wieder ein tägliches Betreuungs- und Bildungsangebot von mindestens 30 Stunden die Woche für alle Kinder bis zwölf Jahren möglich sein. Das muss auch für die Schule und vor allem für die Ferien gelten.

Sollten die Sommerferien verkürzt werden?

Nein. Alle müssen jetzt Zeit zum Durchatmen bekommen. Es wird oft vergessen, dass Erzieherinnen und Lehrer während des Lockdowns unter erschwerten Bedingungen durchgearbeitet haben. Die Tatsache, dass die Gewerkschaften im sogenannten Expertenrat der Landesregierung keinen Platz gefunden haben, macht deutlich, welchen Stellenwert die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten unter Schwarz-Gelb haben. Nämlich keinen. Das wirft ein sehr schlechtes Licht auf diese Landesregierung.

Aber viele Eltern haben keinen Urlaub mehr. Wie sollen sie jetzt auch noch die Sommerpause überbrücken?

Deshalb ist einer unserer Vorschläge jetzt auch außerschulische Betreuungsangebote in den Sommerferien zu schaffen, bei denen die Kinder und Jugendlichen etwas lernen. Dafür bietet NRW eine sagenhaft vielfältige Kultur- und Bildungslandschaft. Dort arbeiten gut ausgebildete Museumspädagogen, die bei der Betreuung der Kinder gleichzeitig neue Bildungswelten erschließen. Außerdem müssen die Entgelt-Ersatzleistungen für Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen müssen, ebenfalls ausgebaut werden.

Glauben Sie, dass der Spuk nach den Ferien vorbei ist?

Ich erwarte, dass die NRW-Schulministerin alle notwendigen Voraussetzungen für einen verlässlichen Neustart im kommenden Schuljahr schafft. Sie muss ein Konzept vorlegen, das das Bildungsniveau sichert. Dazu gehören angepasste Lehrpläne ebenso wie Regelungen für den Einsatz von digitaler Technik und regelmäßige Corona-Tests für alle Beteiligten. Jetzt wird es Zeit, dass Frau Gebauer ihren seit Wochen anhaltenden Schlingerkurs beendet, der nur Chaos und Verwirrung bei allen Beteiligten ausgelöst hat. Armin Laschet muss klären, ob er und seine Schulministerin überhaupt eine gemeinsame Linie haben. Bessere Koordination und mehr Kabinettsabsprache statt Bruchlandungen in Talkshows wären Laschets Aufgabe.

Sollten auch in den Schulen Tests auf Covid 19 durchgeführt werden?

Es gibt bereits andernorts gute Beispiele, dass Tests an Schulen gut funktionieren. In NRW ist allerdings das Problem, dass die Landesregierung keine eigene Test-Strategie hat, um Infektionen frühzeitig zu erkennen. Eine solche wäre aber zwingend notwendig, um die Schulen wieder hochzufahren. Die Kommunen brauchen dafür genügend Personal in den Gesundheitsämtern und dürfen nicht auf Kosten sitzenbleiben. Die Kapazitäten wären vorhanden, wenn die Landesregierung hier unterstützen würde. Sie muss jetzt Personal kurzfristig bereitstellen oder angebotene Hilfe sinnvoll einsetzen. Bislang hat sie aber alle Chancen ungenutzt verstreichen lassen.

Der Kölner Karneval plant schon den Rosenmontagszug. Was halten Sie davon?

Es ist absehbar, dass auch im Karneval die Mindestabstände eingehalten werden müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das bei den Scharen von Zuschauerinnen und Zuschauern funktionieren soll. Es sei denn, man begnügt sich damit, dass die Jecken den Zugteilnehmern vom Fenster aus zujubeln.

Warum steigen die Umfragewerte für die SPD nicht?

In Deutschland gilt stärker als in anderen Ländern, dass von einer Krise die Partei des Regierungschefs oder der -chefin profitiert. Unsere SPD-Minister leisten sehr gute Krisenarbeit. Wir haben in der Europa- und Finanzpolitik im Bund unsere Konzepte durchgesetzt. Ich bin optimistisch, dass die Bürgerinnen und Bürger die Erfolge der SPD deshalb auch noch anerkennen werden. Die Opposition hat es deutlich schwerer, wahrgenommen zu werden; es fehlen ihr auch erkennbar Konzepte.

Wird es für die SPD 2022 leichter, wenn die CDU mit einem Laschet-Nachfolger ins Rennen gehen müsste?

Sollte Armin Laschet die Kanzlerkandidatur verpassen, würde ihn das auch als Ministerpräsident schwächen. Kronprinz Hendrik Wüst zieht der Skandal um die Leverkusener Brücke in den Abgrund. Mir ist egal, wer bei der CDU antritt: Alle Gegner müssen für uns schlagbar sein. Wir haben gute Ideen für Nordrhein-Westfalen und sind die bessere, weil sozial gerechtere Wahl. Im Mittelpunkt stehen die realen Probleme der realen Menschen: Die fangen bei bezahlbarem Wohnen an, gehen über faire und gerechte Löhne bis hin zum digitalen Lernen und sozialer Teilhabe. Unser Angebot ist Solidarität, Zusammenhalt und ein starker Staat.

Das Gespräch führte Gerhard Voogt

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