Die Zahl der mit politischem Motiv begangenen Straftaten explodiert geradezu. Zu oft wird die eigene Meinung verabsolutiert.
RekordzahlenDeutschlands Demokratie ist durch politische Kriminalität in Gefahr


Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) mit einer Grafik. Juliane Sonntag
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Dass politisch motivierte Kriminalität zunimmt, kann niemanden mehr überraschen. Allein Hass und Hetze auf Social Media haben epidemische Ausmaße erreicht. Aus Worten werden auf den Straßen später Taten. Der Zuwachs von rund 40 Prozent binnen eines Jahres ist dennoch erschreckend. Die Gewalt gefährdet die Fundamente unserer Demokratie.
Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht wie seine Vorgängerin den Rechtsextremismus als „die größte Gefahr“. Aus gutem Grund. Rechtsextremer Gewalt fallen 45 Prozent der Betroffenen zum Opfer. Nur: Kommen die Täter aus dem islamistischen Umfeld, sind sie Ausländer oder entstammen einem migrantischen Milieu, ist die öffentliche Aufmerksamkeit oft maximal. Handelt es sich bei Tätern um Deutsche und bei den Opfern um Ausländer, verhält es sich häufig umgekehrt.
Es stellt sich zudem die Frage, ob man dem Rechtsextremismus den Nährboden entzieht, wenn man die Probleme auf dem Feld der Migration so zentral stellt, wie dies heute geschieht. Dass es Probleme gibt, ist nicht zu leugnen, und dass die Grenzen der Integrationsfähigkeit bisweilen erreicht sind, auch. Aber wer ständig den Eindruck erweckt, als gebe es keine anderen Probleme, der arbeitet den Rechtsextremisten unbeabsichtigt zu.
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Polarisierung in digitalen Netzwerken
Eine weitere Ursache politisch motivierter Kriminalität ist die Polarisierung in den digitalen Netzwerken. Dort findet in aller Regel kein Dialog statt. Social Media ist vielmehr der Ort, wo Teilen der Gesellschaft die Fähigkeit zum Dialog abhandenkommt. Bisweilen wird der Weg zu physischen Angriffen geebnet. So viel Radikalisierung können die Sicherheitsbehörden gar nicht bekämpfen, wie bei X und Tiktok täglich entsteht.
Ein aktueller Treiber politisch motivierter Kriminalität ist schließlich der Nahostkonflikt, gekoppelt an Antisemitismus. Zwar kommt Letzterer laut amtlicher Statistik zu 48 Prozent aus der rechtsextremistischen Ecke. Doch werden mittlerweile 42 Prozent der Taten auf den Konten ausländischer beziehungsweise religiöser Ideologen verbucht – Tendenz steigend.
Nein, das ist kein deutsches Phänomen. Der Nahostkonflikt spaltet weltweit. Unabhängig davon zeigen die Verhältnisse aber, dass ein importierter Antisemitismus von Menschen existiert, die das Existenzrecht Israels nicht akzeptieren und es überdies für gerechtfertigt halten, Polizisten zu attackieren oder wie unlängst in Berlin einen Hörsaal auseinanderzunehmen. Das ist inakzeptabel.
In der Summe speist sich die politisch motivierte Kriminalität, neuerdings aus Russland und den USA angefacht, also aus vielen Quellen. Sie treffen sich jedoch in einem Punkt: Die eigene Meinung wird verabsolutiert, woraus sich die Überzeugung ableitet, jedes Mittel zu ihrer Durchsetzung anwenden zu dürfen. Dem muss mit allen Mitteln Einhalt geboten werden.