„Maybrit Illner“ zu SyrienDer Westen steht an der Seitenlinie
Berlin – Die Türkei und Russland haben in Nordsyrien mit ihrer Sicherheitszone Fakten geschaffen. Maybrit Illner hat am Donnerstagabend unter anderem mit Heiko Maas (SPD) diskutiert, wie sich Deutschland nun in der Region engagieren soll. Dabei musste sich der Außenminister vom Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes einen heftigen Vorwurf gefallen lassen.
Undurchsichtige Pläne der Verteidigungsministerin
Noch immer ist unklar, wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sich einen deutschen Militäreinsatz konkret in Nordsyrien vorstellt. Sicher ist nur: Die Bundeswehr soll sich im Rahmen eines UN-Mandats beteiligen, möglicherweise auch mit Bodentruppen.
Doch am Dienstag haben sich bereits der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin auf eine Waffenruhe und eine sogenannte Sicherheitszone im Norden Syriens geeinigt. Die dort bislang herrschende Kurdenmiliz YPG hat sich bereits gen Süden ins Landesinnere von Syrien zurückgezogen. Russland und die Türkei haben Fakten geschaffen.
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Ist damit der Vorstoß von Kramp-Karrenbauer bereits obsolet? Und ist ein verstärktes außenpolitisches Engagement Deutschlands überhaupt der richtige Weg? Viele Fragen sind noch offen. Maybrit Illner wollte in ihrer Sendung am Donnerstagabend Antworten finden. So viel sei bereits an dieser Stelle verraten: Gefunden hat sie sie nicht.
„Der Westen hat in Syrien nichts mehr zu melden“
Außenminister Heiko Maas wurde von der Verteidigungsministerin über ihren Plan per SMS informiert. Der Sozialdemokrat hält bislang wenig von AKKs Vorschlag.
CDU-Mann Ruprecht Polenz war acht Jahre lang Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Kramp-Karrenbauer gehe in die richtige Richtung, sagt er. „Die Zeit der Appelle ist abgelaufen.“
Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands (DbwV) André Wüstner hält eine Schutzzone für diskutabel. Ihm fehle allerdings noch ein klares Konzept der Verteidigungsministerin.
Für den Blick von Außen ist Souad Mekhennet diesen Abend zuständig. Die Sicherheitskorrespondentin der Washington Post meint: Der Vorschlag kommt ein halbes Jahr zu spät
Der deutsch-syrische Journalist Aktham Sulimann kennt die Lage im Nahen Osten genau. „Der Westen hat in Syrien nichts mehr zu melden“, sagt er. Putin und Erdogan hätten bereits Fakten geschaffen.
Maas übt Kritik am Vorgehen von Kramp-Karrenbauer
Zu Beginn der Debatte bekommt Kramp-Karrenbauer direkt einen verbalen Seitenhieb ihres Kabinettskollegen. „Von SMS-Diplomatie halte ich nichts“, sagt Maas. Aus seiner Sicht war das jedoch nicht der einzige Kommunikationsfehler der Verteidigungsministerin. Sie hätte die Partner nicht mit in ihre Überlegungen einbezogen, lautet sein Vorwurf.
CDU-Mann Polenz hingegen findet den Vorstoß seiner Parteivorsitzenden im Grundsatz richtig. „Wir können uns nicht heraushalten“, stellt Polenz fest – zumal Deutschland mit Blick auf rund 3,5 Millionen Flüchtlinge, die Erdogan nach Europa schicken könnte, ein eigenes Interesse daran habe, die Situation in Nordsyrien zu stabilisieren.
Über Syrien: „Das Ding ist gelaufen“
Auch nach Ansicht von Bundeswehrverbandssprecher Wüstner stünde Deutschland eine größere Verantwortung in der Außenpolitik gut. Was ihm allerdings noch fehle, sei ein durchdachter Plan. „Wo ist die Idee?“, fragt er. Wüstner mahnt: Sollte diese ausbleiben, leide darunter nicht nur die Glaubwürdigkeit der Politikerin Kramk-Karrenbauer, sondern ganz Deutschlands.
Unabhängig vom Inhalt des AKK-Vorstoßes ist sich die Runde weitgehend einig: Der Westen und Europa im Besonderen haben in Syrien jahrelang weggesehen. Sulimanns schonungslose Analyse: „Das Ding ist gelaufen.“ Denn Putin und Erdogan hätten ihre Ziele seit Dienstag zumindest weitgehend erreicht.
Heiko Maas bleibt mit Aussagen wage
Maas gibt die Antworten gleich selbst, doch die bleiben im klassischen Diplomatensprech im Ungefähren. Nun folgen die Klassiker-Sätze deutscher Außenpolitik der vergangenen Jahre: Von „Wir brauchen eine diplomatische Lösung“ bis „Wir müssen im Dialog bleiben“ war alles dabei.
Konkret wurde Maas lediglich beim Thema der Aufnahme deutscher IS-Kämpfer aus Syrien. Er verspricht: Bevor nicht eindeutig sichergestellt ist, welche Verbrechen die deutschen IS-Anhänger verübt haben, werde Deutschland sie nicht einreisen lassen. „Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass diese Menschen bei uns auf freiem Fuß durch die Straßen laufen können“, sagt Maas.
Deutschland kommentiert nur von der Seitenlinie
Gastgeberin Illner versucht die Diskussion noch einmal auf die grundsätzliche Rolle Deutschlands in der Welt zu lenken. Dafür zeigt sie einen Einspieler, in dem frühere Bundespräsidenten bereits während ihrer Amtszeit für ein stärkeres Engagement Deutschlands warben – im Notfall auch militärisch.
Setzt Kramp-Karrenbauer also nur um, was deutsche Staatsoberhäupter bereits seit Jahren fordern? Oder soll Deutschland weiterhin der „Zaungast“ bleiben, wie die Verteidigungsministerin es nennt?
Diese Steilvorlage, gepaart mit den vagen Ausführungen des Außenministers, veranlassen den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes zu einer spitzen Pointe: Deutsche Spitzenpolitiker hätten in der Vergangenheit in der Tat zu häufig die Außenpolitik lediglich von der Seitenlinie aus kommentiert. Ob allerdings nun Heiko Maas oder Bundeskanzlerin Angela Merkel der „Zaunkönig“ Deutschlands sei, könne er nicht klar beantworten.
Syrien bleibt ein schwieriges Thema
Die Situation in Syrien bleibt komplex, der Plan Deutschlands unklar. Letzteres liegt aber auch an schwammigen Formulierungen im Maas-Stil. Wer immer nur sagt, was man tun will, aber nicht wie man das erreichen will, erzielt keine Erfolge. Das gilt aber nicht nur für den Außenminister, sondern für alle Regierungsmitglieder. (rnd)