Antrittsbesuch in AnkaraScholz und Erdogan fordern Waffenstillstand

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Olaf Scholz und Recep Tayyip Erdogan

Ankara – Wer die erste Frage bei der Pressekonferenz beantworten soll, darüber verständigen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nur mit einem Handzeichen und einem Lächeln. Das ist angesichts des seit Jahren sehr angespannten Verhältnisses zwischen den beiden Ländern eine erstaunliche Wendung. Scholz ist im Schatten des russischen Kriegs gegen die Ukraine zum Antrittsbesuch in die Türkei gereist. Beide Seiten suchen angesichts der dramatischen Lage den Schulterschluss.

"Wir sind uns völlig einig über die Beurteilung des Vorgehens Russlands in der Ukraine“, sagt Scholz. „Die territoriale Integrität der Ukraine steht außer Frage. Es ist wichtig, dass wir in der Nato zusammenarbeiten“, betont der Kanzler und dankt dem türkischen Präsidenten für das Schließen der Meerenge Bosporus. Erdogan spricht es nicht so klar aus wie Scholz. Er widerspricht aber auch nicht. Scholz verdeutlicht noch einmal: „Ein Gerücht gehört endgültig beseitigt: Die Ukraine ist eine Nation, egal, welche Sprache die Bürgerinnen und Bürger sprechen.“ Das geht gegen die völkischen Argumente, mit denen Putin seinen Angriffskrieg in der Ukraine begründet.

Der türkische Präsident empfängt den deutschen Kanzler zuvor mit pompösen militärischen Ehren auf dem riesigen Gelände des 2014 Eingeweihten neuen Präsidentenpalast. Bei dessen Bau hat Erdogan Wert darauf legte, dass dieser optisch weder den Vergleich mit dem Weißen Haus noch mit dem Kreml scheuen muss. Meterlang haben die Gastgeber ihren Teppich in der von Erdogan wiederbelebten Nationalfarbe Türkis ausgerollt. Soldaten in traditionellen Uniformen des Osmanischen Reichs, Reiterstaffel und Salutschüsse gibt es zur Begrüßung. Noch klarer kann die Bildsprache nicht sein: Hier tritt ein Staatschef auf, der auf keinen Fall unterschätzt werden will.

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Erdogan will Freundschaft mit Putin bewahren

Dieser kann sich nun in der Rolle des Welt-Diplomaten präsentieren. „Wir werden mit Herrn Selenskyi und mit Herrn Putin unsere Freundschaft bewahren. Das müssen wir tun“, sagt er auf die Frage, ob er als Nato-Partner denn auch weiter Waffen von Russland kaufen werde. Zuletzt hatte die Türkei das Verteidigungsbündnis düpiert, indem es Raktenabwehrwaffen ausgerechnet von Russland nahm..

Ob die Türkei in der Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine eine zentrale Rolle spielen kann, ist ungewiss. Erdogan verbucht es als seinen diplomatischen Erfolg, dass sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba in der vergangenen Woche in der Türkei getroffen hatte. Auf Waffenstillstand oder gar Frieden stehen die Zeichen trotz der türkischen Bemühungen sowie der vielen Telefonate des deutschen Kanzlers und des französischen Präsidenten Macron mit Putin nicht aus.

Auch Verletzung der Menschenrechte Thema

Während Erdogan und Scholz miteinander sprechen, kündigt Russland mögliche Angriffe auf Wohngebiete an. Demenstprechend zeigt Scholz sich ungeduldig. Es sei gut, dass es die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine gebe. „Aber es muss jetzt auch zum Waffenstillstand kommen“, sagt er.

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Während Erdogan im deutsch-türkischen Verhältnis darauf dringt, die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen und das Handelsvolumen von 41 Milliarden Euro im Jahr auf 50 Milliarden Euro hochzufahren, setzt Scholz dann doch noch einen Punkt und verweist auf die Unterschiede beim Thema Menschenrechte, in der Frage der Rechtsstaatlichkeit und erwähnt die politischen Gefangenen in der Türkei. Erdogan seinerseits verweist auf die drei Millionen in Deutschland lebenden türkischstämmigen Menschen, die beide Länder auf besondere Weise verbänden.

Erdogans Ansinnen, eine türkische Universität mit theologischer Fakultät in Deutschland zu gründen, quittiert der deutsche Kanzler nur mit einem mehrdeutigen Lächeln. Vor dem militärischen Empfang im Präsidentenpalast hat Scholz einen Kranz am Mausoleum für den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk niedergelegt, der seine Nation auf die Werte der Demokratie und der Ausrichtung gen Westen eingeschworen hatte.

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