Corona-StrategieWie Jens Spahn sich selbst ein Bein stellte

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Spahn und Merkel 070121

Angela Merkel (l.) und Jens Spahn im Kanzleramt

Berlin – Die Nachricht, dass Jens Spahn wieder einmal die von der Opposition zugeschriebene Rolle als „Ankündigungsminister“ erfüllen wird, wurde von Regierungssprecher Steffen Seibert zumindest etwas verschleiert. Der Plan des Gesundheitsministers, allen Bürgerinnen und Bürgern kostenlose Corona- Schnelltests zu ermöglichen, werde in der Konferenz der Länderchefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am 3. März besprochen, sagte Seibert am Montag nach der Sitzung des Corona-Kabinetts.

3. März? Spahn wollte doch bereits am 1. März damit beginnen?

Es dauerte noch einige Zeit, dann wurde die Tragweite von Seiberts Erklärung klar: Spahns Vorhaben war von Merkel gestoppt worden. Der Minister steht kurz nach dem Impfchaos zu Beginn des Jahres wieder nicht gut da. Dabei hatte diesmal alles gut angefangen.

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Als Spahn in der vergangenen Woche sein Vorhaben ankündigte, erntete er überall Lob. Der massive Ausbau der Corona-Tests sei nicht nur ein Schlüssel zur Bekämpfung der Pandemie, sondern auch für Lockerungsschritte, hieß es unisono. Mit seinem Überraschungscoup wollte Spahn wieder aus der Defensive kommen und zeigen, dass er nicht Getriebener ist, sondern politischer Gestalter. Bei den Tests schien das Risiko eines Fehlschlags gering. Deshalb ging Spahn mit seinen Plänen an die Öffentlichkeit.

Doch schon die Vorlage des Ministers für das Corona-Kabinett offenbarte, dass der Plan nicht ganz zu Ende gedacht war. Der Zeitplan zu knapp, die Kostenfrage ungeklärt, Details offen. Gibt es genug Tests am Markt? Ist es sinnvoll, dass sich jedermann in jeder Situation – also auch bei einem künftigen Kinobesuch – auf Kosten des Staates testen lassen kann?

Was dann am Montag im Kabinett passierte, lässt selbst die rätseln, die Spahn positiv gegenüberstehen: Der Minister sei nicht richtig vorbereitet, das Konzept nicht ausgearbeitet gewesen. Die Kanzlerin, so wird berichtet, habe bei Spahn mehrfach nachgebohrt, aber keine für sie befriedigenden Antworten bekommen. „Merkel war genervt“, hieß es in Koalitionskreisen.

Dass Merkel und Spahn ein schwieriges Verhältnis haben, ist bekannt. Er ist ihr mehrfach in die Parade gefahren. Zudem sind sie vom Typ her extrem unterschiedlich: hier Merkel, die sich Entwicklungen lange anschaut, Argumente abwägt und erst spät entscheidet – und dann bei der Präsentation auf eine mediale Inszenierung kaum Wert legt. Und dort Spahn, der Ungeduldige, der mitunter aus der Hüfte schießt und dem die öffentliche Darstellung manchmal wichtiger ist als Zahlen oder Argumente. Solange das mit Spahn allein nach Hause geht, lässt ihn Merkel gewähren. Doch nun sah sie wohl die Gefahr, dass erneut überzogene Erwartungen geweckt werden, dass nach dem verpatzten Impfstart jetzt ein Testchaos folgt – was der gesamten Regierung auf die Füße gefallen wäre. Sie zog die Reißleine.

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Und so steht Spahn nun als Verlierer da, obwohl es inhaltlich weiterhin keine Kritik an seinem Vorhaben gibt. Niemanden ärgert das mehr als Spahn. „Nein, gut gelaufen ist das nicht“, gibt man sich im Gesundheitsministerium zerknirscht.

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