KommentarDie Klima-Aktivisten verlieren sich in nutzlosem Märtyrertum

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Klima Protest dpa 061122

Eine Polizistin löst mit einer Chemikalie die festgeklebte Hand einer Klimaaktivistin von der Fahrbahn. (Archivbild)

  • Die Klimaschützer von der „Letzten Generation“ geraten zunehmend unter Druck. Das ist kein Wunder.
  • Denn sie verlieren sich in Hybris und nutzlosem Märtyrertum, kommentiert Markus Decker.

Ein prominenter Grüner stöhnte am Freitag hörbar auf. „Sie haben ein berechtigtes Anliegen, und sie fahren dieses Anliegen an die Wand“, sagte er über die Klimaaktivisten von der „Letzten Generation“. „Alle reden übers Kleben und niemand übers Klima.“ Auch Parteichefin Ricarda Lang und Vizekanzler Robert Habeck gingen auf Distanz, und das öffentlich. Dass sich die Wege von Klimaschutzbewegung und Klimaschutzpartei auf so dramatische Weise trennen, ist ein Alarmsignal.

Gewiss, unter die Empörung über die „Letzte Generation“ mischt sich viel Heuchelei. Man legt ihr den Tod einer Berliner Radfahrerin zur Last, die von einem Lkw überrollt worden war. Dabei hat eine Notärztin zu Protokoll gegeben, dass nicht die Blockade der „Letzten Generation“ die Rettung der 44-Jährigen verhindert hat. Was als Trauer über das Unglück daherkommt, ist in Teilen ohnehin nichts anderes als eine unerträgliche Instrumentalisierung.

Problematische Medienkritik

Freilich braucht auch die „Letzte Generation“ Akzeptanz. Und die untergräbt sie systematisch selbst. Zwar hatte deren Sprecherin nach dem Unfall zunächst erklärt, man könne „nicht ausschließen, dass die Verspätung des Rüstwagens auf einen durch uns verursachten Stau zurückzuführen ist“. In einer Mitteilung von Freitag folgte jedoch pauschale Kritik an der Berichterstattung: „Dass ein ganzes Mediensystem sich gegen uns wenden würde, damit haben wir nicht gerechnet.“ Das klang schon fast wie der Mainstreammedien-Vorwurf aus dem AfD-Milieu.

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Auch derlei Gegenwind werde die Aktivisten allerdings „nicht davon abbringen, das einzig moralisch Richtige zu tun“. Der „Widerstand“ gehe weiter.

„Letzte Generation“: Einladung zu „Verhandlungen“

Zu allem Überfluss lud die „Letzte Generation“ die Spitzen der Ampelregierung noch zu einem konkreten Termin ein, um über konkrete Klimaschutzmaßnahmen wie ein Tempolimit oder ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket zu „verhandeln“ – als wäre sie dazu irgendwie legitimiert. In all dem drückt sich eine ungeheure Hybris aus, ein Tunnelblick, der links und rechts nichts mehr wahrnimmt, ein Realitätsverlust. Und ein Mangel an Professionalität.

In der Sache hat die „Letzte Generation“ völlig recht. Dass ihre Mitglieder persönliche Opfer bis hin zum Polizeigewahrsam in Kauf nehmen, verdient Respekt. Aber das Ziel einer Protestbewegung muss ja sein, mehr Menschen von der Richtigkeit des als richtig Erkannten zu überzeugen. Dieses Ziel wird dramatisch verfehlt. Übrig bleibt bloßes Märtyrertum, das den Wenigen schadet und den Vielen nicht hilft.

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