Kommentar zum KrisentreffenImpfgipfel darf nicht wie eine Laberstunde wirken

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Impfgipfel Merkel

Angela Merkel bei der Pressekonferenz im Anschluss an den Impfgipfel

Für die Bekämpfung der Corona-Krise muss oft die Metapher Marathon herhalten. Das ist aber untertrieben. Denn diesen langen Lauf tritt normalerweise nur an, wer hart dafür trainiert hat. Die Corona-Pandemie hingegen muss aus dem Stand gemeistert werden. Es gibt keine Übung, keinen Testlauf. Die Erkenntnis kommt erst Schritt für Schritt. Deshalb fußen Ankündigungen von Politikern auch eher auf Plänen und Prognosen als auf Wissen.

Bund und Ländern müssen nach gemeinschaftlicher Rückkoppelung mit den Herstellern einen neuen Anlauf für eine Strategie machen, wie erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in Rekordzeit fast die gesamte Bevölkerung gegen das Corona-Virus geimpft werden kann. Aber selbst der schönste nationale Impfplan nützt wenig, wenn nicht einmal die Terminvergabe klappt, ganz zu schweigen von Lieferkürzungen der Hersteller.

Noch schlimmer ist allerdings, wenn der Impfgipfel der Kanzlerin und Länderregierungschefs und -chefinnen mit den Pharmafirmen jetzt nicht über die Symbol-Politik hinauskommen wird, nach der es am Montagabend aussah. Denn nötig Ist eine neue Kraftanstrengung für mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen.

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Die stundenlange Videokonferenz hat aber wenig konkrete Ergebnisse gebracht, außer die gegenseitige Bestätigung, dass es gut war, mal darüber zu reden. Viele Informationen müssten den Spitzenpolitikern aber bekannt gewesen sein. Und der nationale Impfplan, den Kanzlerin Angela Merkel ankündigte und CSU-Chef Markus Söder als neue Struktur und Ordnung ausgab, blieb mehr als vage. Deutlich war eher das gemeinsame Bemühen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), den mit hohen Erwartungen aufgeladenen und von der SPD forcierten Impfgipfel nicht als überflüssige Laberstunde wirken zu lassen.

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Es gibt so viel zu tun. So sensationell schnell Biotechnologieunternehmen derzeit einen Impfstoff entwickeln und produzieren und dafür bejubelt werden können – auch sie sind (jetzt schwer verdienende) Wirtschaftsbetriebe, die sich an Verträge halten – oder andernfalls konsequent zur Rechenschaft gezogen werden müssen. In dieser hochsensiblen Frage können versprochene Impfdosen nicht mal eben ausbleiben, weil die Firmen plötzlich andere Prioritäten setzen.

Hotlines, die stunden – und sogar tagelang - nicht zu erreichen sind, brechen das Versprechen, dass es bei Anruf wenigstens Hilfe gibt. Wenn auch noch keinen Termin, weil entgegen der Erwartung, dass jetzt alle über 80-Jährigen geimpft werden, nicht genügend Impfstoff vorhanden ist.

Und es gibt weiterhin viele Unbekannte: Bleibt es wirklich bei den Impfstoff-Lieferungen im zweiten Quartal? Decken die Impfstoffe Mutationen ab? Wie schnell werden die ausgefallenen Impftermine nachgeholt? Wird es parallel dazu zusätzliche Termine geben? Funktionieren die Hotlines dann besser?

Nächstes heikles Thema sind Lockerungen

Das nächste heikle Thema werden möglichst schnelle Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen bei sinkenden Zahlen der Neuinfektionen und steigenden Zahlen der Impfungen sein. Es ist noch gar nicht sicher, dass Geimpfte die Krankheit nicht übertragen können, da sprechen schon die ersten Spitzenpolitiker von Privilegien für sie.

Um im Bild zu bleiben: Ein Marathon aus dem Stand ist eine brutal harte Prüfung. Und jeder Rückschlag kostet zusätzlich Kraft. Der Impf-Gipfel muss dazu dienen, die durch Irritation der Bürgerinnen und Bürger schon zu Beginn verpulverte Energie zurückzugewinnen und die bevorstehenden Anstrengungen zu skizzieren. Wem die Länge der Strecke bewusst ist, der sprintet nicht wild drauf los. Ein Marathon ist schließlich auch Kopfsache. Das gilt vor allem für die Politik.

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