Kommentar zur OsterruheMerkels neue Fehlerkultur ist ein Zeichen von Stärke

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Merkel Hände

Angela Merkel hat am Mittwoch bei den Bürgern um Entschuldigung gebeten.

Es ist ein kurzer Auftritt, aber einer mit Seltenheitswert. Am Tag nach einer langen Ministerpräsidentenkonferenz stellt sich Angela Merkel gegen Mittag im Kanzleramt vor die Mikrophone und kassiert den zentralen Beschluss der Runde: Die Idee, die steigenden Corona-Infektionszahlen mit einem Oster-Shutdown zu bekämpfen, sei „in bester Absicht entworfen worden – aber dennoch ein Fehler. Es gebe zu viele rechtliche Schwierigkeiten. Aufwand und Nutzen stehe in keinem Verhältnis. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler, denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung“, sagt sie. Und sie bittet die Bürger um Verzeihung.

Es ist nicht sehr gängig, dass Regierungschefs Fehler einräumen oder gar um Entschuldigung bitten. Meist heißt es, man müsse nachsteuern oder ein bisschen korrigieren. Und die Bitte an die Bürger ist meist die um Verständnis.

Für Überraschungen gut

Und noch eine Kombination gibt es: Für etwas die volle Verantwortung zu übernehmen ist nicht selten die Ankündigung eines Rücktritts.

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Aber Merkel bleibt. Sie ist zwar für Überraschungen gut – wie etwa für eine 180-Grad-Wende bei der Atomkraft kurz nach der Katastrophe von Fukushima. Aber sie setzt auch auf Stabilität einer Regierung und auf Versprechen. Sie hat mehrfach erklärt, dass sie den Auftrag der Wähler ernst nehme und die gesamte Wahlperiode als Bundeskanzlerin zur Verfügung stehe. Die dauert ohnehin nur noch ein paar Monate, wenn sich nach der Bundestagswahl am 26. September die Koalitionsverhandlungen nicht wieder ewig hinziehen.

Und harsche Kritik ist sie von Beginn an durchaus gewohnt. Da muss nicht erst Bundesinnenminister Horst Seehofer feststellen, dass auch in Corona-Zeiten kein Weg an Gottesdiensten am Ostersonntag vorbei führt. Da muss nicht erst CSU-Chef Markus Söder das Kanzleramt anzählen mit dem Hinweis auf miserable Kommunikation und Vorbereitung – die CSU und Merkel, seit der Flüchtlingskrise ist das sowieso ein eigenes Kapitel.

Wenn die Hütte brennt

Dennoch ist die Situation brenzlig. „Die Hütte brennt“, so hat Merkel es mal mit Blick auf die Corona-Pandemie gesagt. Nun brennt die Hütte in mehrfacher Hinsicht – aus der Unionsfraktion gibt es Kritik. Die Ministerpräsidenten, die in der Nacht zum Montag den Osterbeschluss mitgetragen haben, distanzieren sich wieder davon, einer nach dem anderen. Es ist eine brenzlige Lage.

In dieser Lage geht Merkel einen radikalen Schritt, korrigiert sich und räumt Fehler ein. Sie tut es mit einem dramatischen Satz: „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler, denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung“, sagt sie.

Das Einräumen von Fehlern und die Bitte um Entschuldigung kann man als Zeichen von Schwäche einordnen – oder aber als Stärke. Statt auf Konfrontation zu setzen, weicht die Kanzlerin zurück und sucht einen anderen Weg.

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Es ist der Versuch Merkels, in einer Situation, die nicht nur wegen Corona, sondern auch für die Regierung gefährlich ist, wieder die Oberhand zu gewinnen.

Er gelingt. Ein Ministerpräsident nach dem anderen erklärt in der Runde, dass auch er oder sie Verantwortung mittrage – bis auf Söder, so zumindest berichten Teilnehmer.

Die Forderung der Opposition, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, lässt Merkel abtropfen.

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