Corona-Ausbruch bei TönniesKann das Fleisch mit Sars-CoV-2-Viren verunreinigt sein?

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Tönnies

Blick auf das Werk von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück.

  • Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischfabrikanten Tönnies sind viele Verbraucher verunsichert.
  • Besteht nun eine Gefahr für Konsumenten der Produkte? Welche Marken kommen von Tönnies? Und in welchen Supermärkten werden sie verkauft?
  • Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Rheda-Wiedenbrück – Der massenhafte Ausbruch des Corona-Virus am Tönnies-Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück mit mehr als 1300 infizierten Arbeitern in Europas größtem Schlachtbetrieb verunsichert auch die Verbraucher. Die Unternehmensgruppe hat in den deutschen Supermärkten bei Fleisch- und Wurstprodukten einen Anteil von 20 Prozent. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Besteht durch den Ausbruch des Coronavirus bei Tönnies eine Gefahr für Konsumenten?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält das nach derzeitigem Stand des Wissens für unwahrscheinlich. Theoretisch sei eine Verunreinigung von Fleisch oder Fleischwaren mit Coronaviren während der Schlachtung oder bei der Zerlegung und Verarbeitung möglich. Dem BfR seien jedoch bislang keine Infektionen mit dem Corona-Virus durch den Verzehr von Fleischwaren oder Kontakt mit verunreinigten Fleischprodukten bekannt. Schweine oder Hühner seien „nach gegenwärtigem Wissensstand“ nicht mit Sars-CoV-2 infizierbar und könnten das Virus nicht auf Menschen übertragen. „Coronaviren können sich in oder auf Lebensmitteln nicht vermehren, sie benötigen einen lebenden tierischen oder menschlichen Wirt“, sagt Professor Andreas Hensel, Präsident des BfR. „Für Sars CoV-2 gibt es keine Hinweise, dass es durch Verzehr von Lebensmitteln wie Fleisch und daraus hergestellten Produkten zu einer Infektion des Menschen kommt.“

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Was ist mit der Übertragung von Coronaviren durch eine infizierte Person auf Wurst und Fleisch?

Grundsätzlich können Coronaviren von einer infizierten Person auf Wurst und Fleisch übertragen werden, wenn Hygieneregeln missachtet werden, beispielsweise durch direktes Niesen oder Husten oder über verunreinigte Hände, so das BfR. Die vorgeschriebenen Hygieneregeln und Schutzmaßnahmen in den Schlacht- und Zerlegebetrieben minderten das Risiko von Verunreinigungen von Fleisch und Fleischwaren mit Krankheitserregern. Das gelte auch für das Coronavirus. Im Einzelhandel seien Fleisch und Fleischwaren in der Regel durch einen Spritzschutz an der Theke vor Niesen und Husten durch Kunden geschützt.

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Das BfR empfiehlt, Fleisch und Geflügel vor dem Essen ausreichend und gleichmäßig zu erhitzen. Mindestens zwei Minuten lang auf mindestens 70 Grad, bis der austretende Fleischsaft klar ist und das Fleisch eine weißliche (Geflügel), graurosafarbene (Schwein) oder graubraune Farbe (Rind) angenommen hat.

Woran kann der Verbraucher Tönnies-Produkte im Supermarkt erkennen?

Laut Verbraucherzentrale NRW sind abgepackte Fleischprodukte anhand eines Identifikationszeichens erkennbar, das jeweils den Standort des letzten verarbeitenden Betriebs angibt, das auf der Verpackung in einem ovalen Kreis gedruckt ist. Produkte mit Fleisch der Firma Tönnies haben die Nummern NW 20202 EG, NW 20028 EG und NW 20045 EG.

Unter welchen Namen werden die Produkte in den Supermärkten vertrieben?

Bei Lidl liegt Frischfleisch unter der Marke Landjunker, bei Aldi unter der Marke Meine Metzgerei in der Kühlung. Außerdem liefert Tönnies unter dem Namen Tillman’s Convenience-Lebensmittel Tiefkühlprodukte und frisches verpacktes Fleisch. Dazu zählen Tillman’s Toasty, verpackte Produkte wie Hackfleisch und Steaks unter dem Namen Tillman’s Qualitätsmetzgerei, weitere Produkte unter dem Namen Tilman’s, darunter Burgerfleisch und Mettwürste. Zu den Wurstmarken der „Zur Mühlen Gruppe“, die auch zum Tönnies-Imperium gehört, zählen Böklunder, Könecke, Redlefsen, Schulte, Zerbster Original, Plumrose und Nölke/Gutfried. Laut eigenen Angaben ist die „Zur Mühlen-Gruppe“ Marktführer bei SB-Wurst und Wurstkonserven in Deutschland.

Woran kann der Verbraucher die Qualität der Fleischwaren im Supermarkt erkennen?

Mehrere Supermarkt-Ketten bieten seit April 2019 freiwillig eine sogenannten Haltungskennzeichnung auf Fleischwaren an. Die vier Farbkennzeichen von Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe sollen Auskunft über das Leben des Schlachttieres geben.

Die erste Stufe „Stallhaltung“ entspricht den gesetzlichen Anforderungen. Fleisch, das mit der Stufe 2 („Stallhaltung plus“) gekennzeichnet ist, sichert Tieren unter anderem mindestens zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungsmaterial. Stufe 3 („Außenklima“) garantiert Tieren noch mehr Platz und Frischluft-Kontakt. Bei der Stufe 4 („Premium“) haben die Tiere auch Auslaufmöglichkeiten im Freien. Biofleisch etwa soll in diese Stufe eingeordnet werden.

Was bringt die Haltungskennzeichnung?

Die Verbraucherzentrale NRW kritisiert, dass die Nachfrage nach den Qualitätsstufen 3 und 4 mit dem Angebot nicht Schritt halte. „Weniger als zehn Prozent des in Supermärkten angebotenen Fleischs erreicht die beiden höchsten Qualitätsstufen“, sagt Lebensmittelexperte Bernhard Burdick. Er hält nichts davon, angesichts der Corona-Krise bei Tönnies einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen. Die Probleme mit Subunternehmern, Kampfpreisen und Arbeitsbedingungen seien seit Jahren bekannt. Dass die Kontrollen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes bei Kommunen und Kreisen liegen, sei wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeiten von den Unternehmen äußerst problematisch.

Der Bund plant die Einführung eines Tierwohlkennzeichens. Wie ist der Stand?

Der Gesetzentwurf liegt dem Bundestag zur Beratung vor. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Die Kennzeichnung von tierischen Produkten, bei deren Erzeugung höhere als die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten werden, ist freiwillig. Bisher wurden lediglich die Haltungskriterien für Schweine erarbeitet. Weitere Nutztierarten sollen folgen.

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