Köln – "Non vitae, sed scholae discimus" oder "Non scholae, sed vitae discimus". Lernt man nun für die Schule oder für das Leben? Im Lehrprojekt "Latina" treffe beides zu, meint Professorin Anja Bettenworth vom Institut für Altertumskunde der Kölner Universität. "Viele der 2000 Jahre alten Texte haben auch heute noch Gültigkeit und sind wichtig für das Verständnis von Kulturen." Zusammen mit ihrem Kollegen Peter Schenk hat sie daher 2012 ein Projekt gegründet, das seinesgleichen im Rheinland sucht.
Jeden Freitag um 14 Uhr - auch in den Semesterferien - treffen sich die zwölf bis 15 Studenten, Doktoranden und zwei Latein-Professoren und besprechen Texte von Cäsar und Cicero, Plinius und Statius. Die Studenten lernen freiwillig, einen Schein oder Punkte für ihr Studium bekommen sie dafür nicht. Eine von ihnen ist Hannah Birken, die im siebten Semester Latein auf Lehramt studiert. Ihr gefällt, dass trotz der unterschiedlichen Zusammensetzung des Kolloquiums alle Teilnehmer auf Augenhöhe diskutieren.
Das Projekt ähnelt einem Tutorium - und ist doch anders. Die Latein-Wissenschaftler benötigen keine Nachhilfe, sondern sind in ihrem Fach schon gut. "Sehr gute Studenten werden von uns eingeladen", sagt Kolloquiums-Gründerin Bettenworth. "Es kommt aber auch vor, dass jemand auf uns zukommt." Diskussionssprache ist vorwiegend Latein, Nachschlagewerke seien unüblich. Meist werden selten gelesene und komplizierte Schriften, die in einem klassischen Philologieseminar nicht behandelt werden, besprochen. Etwa die Lobrede von Plinius "Panegyricus" auf Kaiser Trajan. Oder die Sammlung "Silvae" des römischen Dichters Statius, der im ersten christlichen Jahrhundert über unterschiedliche Themen rund ums Kaiserhaus schrieb. Alle Teilnehmer können einen Text vorschlagen.
Manchmal werden auch Schriften ausgewählt, die einem Professor nicht gefallen. "Das Epos über das Leben des heiligen Martin - Venantius Fortunatus' »Vita Sancti Martini« - wurde mir aufgezwungen, da war ich überhaupt nicht begeistert", sagt Schenk schmunzelnd. "Aber die Studierenden haben sich dafür entschieden, und im Kolloquium sind wir alle gleichberechtigt."
Lobrede von Plinius
Jeder, auch die Professoren, übersetzt und bereitet einen Teil des Textes zu Hause vor. In einer entspannten Atmosphäre werden die Textstellen anschließend besprochen.
Derzeit beschäftigen sich die Lateinfreunde mit der Schrift "Bellum Alexandrinum", die außerdem als Vorbereitung zum Vortrag für das "Nachwuchsforum 2014" dient. Gastgeber der Veranstaltung, zu der Teilnehmer aus elf deutschen Hochschulen kommen, ist die Kölner Universität.