Angst vorm Referat

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Tilo Beckers meidet Stress durch gute Vorbereitung.

Tilo Beckers meidet Stress durch gute Vorbereitung.

Eine Zeit lang gehörte Caipirinha bei Susanne Klever (Name geändert) zur Referatsvorbereitung. „Ich hatte vor Referaten höllisch Angst“, sagt die Studentin. Sie musste sich Mut antrinken, um vor anderen zu sprechen. Das ging, aber es ging nicht gut, sagt die 25-Jährige: „Der Alkohol hat die Angst nur gedämpft, aber sie war immer noch da.“

Die meisten Zuhörer konnten vermutlich nachfühlen, wie es Susanne Klever ging. Denn viele Menschen fürchten sich davor, öffentlich zu reden: Redeangst wird in Umfragen am häufigsten genannt, weit vor Flugangst zum Beispiel. Vor allem Studenten leiden darunter, denn sie kommen ums Reden nicht herum. Redeangst ist deswegen nicht einfach nur unangenehm: Sie verhindert ein normales Studium. Susanne Klever zum Beispiel wählte nach einem „Katastrophenreferat“ nur noch Kurse, in denen sie keine Referate halten musste - bis sie entschied, dass eine andere Lösung her musste: „Ich bin ins kalte Wasser gesprungen.“ In einem Semester hielt sie fünf Referate und nahm an einem Referatskurs teil. Diese Strategie ist hart, aber richtig, sagt Hans Krips, der für das Kölner Studentenwerk ein Redetraining anbietet: „Man muss sich der Angst stellen.“ Denn: Je länger man sich drückt, desto stärker wird die Angst.

Viele sehen sich selbst extrem kritisch, sagt Krips: „Wenn sie sich kurz verhaspeln, was Zuhörer gar nicht merken, glauben sie, sich völlig zu blamieren.“ Darum kann es helfen, mit anderen über die Angst zu sprechen. Was Betroffene selbst als schlimmen Versprecher wahrnehmen, können andere sympathisch finden. „Es kommt darauf an, sich die Gesamtsituation klar zu machen“, meint Krips. Eine kurze Denkpause zum Beispiel sei schnell vergessen. Er rät, die Angst schrittweise abzubauen. Für den Beginn könnten das etwa kurze Beiträge in Diskussionen sein. „Ich habe schon kleine Wunder erlebt“, erzählt er. Susanne Klever scheint so eins zu sein. Zuletzt stand sie vor einer großen Gruppe und fühlte sich sicher - ohne Caipirinha.

Alles zum Thema Universität zu Köln

Der KIQ-Career Service der Uni vermittelt im Seminar zu Präsentationstechniken rhetorische Fähigkeiten. Beim Rede- und Vortragstraining des Studentenwerks werden auch psychologische Ursachen von Redeangst angesprochen. Die Teilnahmegebühr liegt jeweils bei etwa 50 Euro.

kstw.de

kiq-board.de

Tipps von Profis:

Tilo Beckers, 34, Dozent im Fach Soziologie an der Uni Köln:

Ich bereite mich so früh vor, dass ich am Tag vor dem Vortrag keinen Stress habe. Dann kann ich den Text in Ruhe durchsprechen. Kurz bevor ich dran bin, gehe ich vor die Tür und atme tief durch. So ein Ritual beruhigt, weil ich in verschiedenen Vortragssituationen etwas habe, was immer gleich ist. Oft baue ich auch eine persönliche Brücke zu Zuhörern. Ich komme dann früher und rede mit jemandem über Alltagsdinge. Den kann ich später in der Menge anschauen. Das hilft gegen Nervosität.

Lucia Peraza Rios, 26, Schauspielerin am Kölner Schauspielhaus:

Ich habe dolles Lampenfieber, so richtig mit Schweißausbrüchen und Angst, auf die Bühne zu gehen. Ich muss mich dann ablenken. Am besten klappt das, wenn ich mir die Nägel lackiere. Das mache ich vor jeder Premiere. Es wirkt entspannend, wenn ich mich auf etwas anderes konzentriere. Und gegen das Lampenfieber hilft, wenn ich einfach eine Viertelstunde mit Schmollmund auf meine Fingernägel starre.

Janine Steeger, 31, RTL-Moderatorin von "Explosiv": Ein bisschen nervös bin ich vor Moderationen schon, gerade vor der ersten Sendung wie jetzt bei „Explosiv“. So richtig mit Magengrummeln. Ganz hört die Nervosität wohl nie auf. Das ist aber gut so, sonst verliert man den Respekt. Kurz bevor die Sendung losgeht, bin ich gerne beschäftigt. Dann rede ich mit den Kollegen auch mal nur über eine neue Frisur. Mit einem guten Teamgefühl kann das Studio nach einer Weile so vertraut werden, dass es zu unserem kleinen Wohnzimmer wird. Dann wird auch die Nervosität weniger.

Markus Klein, 24, arbeitet im Bereich Marketing:

Ich muss öfter Präsentationen vor Kunden halten, manchmal auch kurzfristig. Dann bin ich nicht ganz so sicher, weil mir die Zeit zur Vorbereitung fehlt und die ist das Wichtigste. Ich lege mir immer den Einstieg zurecht. Für den Hauptteil sollten dann Stichpunkte reichen, um ein Runterleiern zu vermeiden. Wenn der Anfang gut gelingt, bekomme ich schnell mehr Sicherheit. Oft macht mir das Präsentieren sogar richtig Spaß. Vor ein paar Monaten zum Beispiel habe ich unseren neuen Kalender vorgestellt. An dem haben wir anderthalb Jahre gearbeitet. Die fertige Arbeit vorzustellen, war das i-Tüpfelchen.

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