Ein leises Alaaf für die Ewigkeit

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Am Grab von Toni Steingass auf Melaten erinnert Stadtführerin Judith Jussenhofen an die Zeit, als der Karneval noch im Veedel zu Hause war und gute Krätzje eine vertonte Mahnung sein konnten.

Am Grab von Toni Steingass auf Melaten erinnert Stadtführerin Judith Jussenhofen an die Zeit, als der Karneval noch im Veedel zu Hause war und gute Krätzje eine vertonte Mahnung sein konnten.

Kölner Stadtführerinnen und Stadtführer verraten uns ihre Lieblingsplätze.

Der schönste Platz ist immer an der Theke. Diese Erkenntnis, vom Kölner Karnevalisten Toni Steingass in Liedform gegossen, fand weltweit Verbreitung; der Stimmungsschlager wurde sogar ins Japanische übersetzt. Der Komponist und Texter ist 1987 gestorben, doch auf dem Friedhof Melaten, wo Toni Steingass begraben wurde, lebt die Erinnerung an den Verfechter kölscher Volkskultur. Das Grabmal des jecken Künstlers ist Judith Jussenhofens Lieblingsplatz, wenn die Stadtführerin Gäste zu den Ruhestätten bekannter Karnevalisten führt.

Den Gedenkstein hat Herbert Labuska geplant, der sonst vornehmlich Wagen für den Rosenmontagszug entwirft. Steingass' Witwe ließ eine gereimte Erinnerung an das jecke Erbe ihres Mannes einmeißeln, und sogar eine Theke für gefiederte Gäste ist vorhanden: Steingass war Vogel-Liebhaber; seine Büste blickt auf eine Vogeltränke, an der eine Steintaube ihre lebendigen Artgenossen zum Mittrinken einlädt.

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„Toni Steingass habe ich schon als Kind verehrt und seine Platten immer wieder gehört“, sagt Judith Jussenhofen. Die 25-Jährige, ganz entfernt mit Gerhard Jussenhoven verwandt, entstammt einer karnevalsbegeisterten Familie und hat bis zum vergangenen Jahr bei den „Hellige Knäächte und Mägde“ getanzt. Im gerade abgeschlossenen Studium hat sie sich besonders gern mit Kölner Geschichte befasst. „Ich freue mich, wenn ich mit Zeitzeugen aus dem alten Köln reden kann - so lange es noch geht“, versichert sie. Denn die kölsche Eigenart drohe unterzugehen, selbst im Karneval.

„Zu wenige Menschen nehmen sich noch Zeit, einer guten Rede oder einem Krätzje richtig zuzuhören“, hat die Stadtführerin beobachtet. Dabei sei es so vergnüglich und auch historisch aufschlussreich, die alten Lieder zu hören und mit ihrer Entstehungsgeschichte auch die Kölner besser kennen zu lernen. „Steingass hat in einer Zeit, als der Kölner Karneval an den Jecken vorbei zu einer Kulturveranstaltung mit Opernstars werden sollte, unverdrossen geschrieben, was den Menschen im Veedel viel wichtiger war.“ Sein Erfolgslied „De Hauptsach es, et Hätz es jot“ sieht Judith Jussenhofen als Ermahnung nach Noten an: Geld und Ansehen sollten den Kölnern nicht zu Kopfe steigen - das galt zur Wirtschaftswunderzeit genau wie heute.

Bei ihrer Führung zu den Gräbern prominenter Karnevalisten zeigt die Historikerin, wie wichtig den Kölnern ihre närrischen Künstler sind. Kölner und auch nicht hier geborene Jecke hielt die Stadt für würdig, auf Melaten die letzte Adresse zu bekommen. Horst Muys, obwohl Duisburger, wurde hier posthum zum kölschen Jung. An Franz Röder (Amadeus Gänsekiel) erinnert die Feder auf dem Grabstein. Charly Niedieck (Eilemann-Trio) ist mit dem Bassbogen verewigt.

Nicht weit von seinem Texter Hans Jonen ist Komponist Jupp Schmitz begraben. Auf seinem Grabstein steht in Goldlettern die Liedzeile, die wie keine andere die Nähe von Alaaf und Aschenkreuz, Feiern und Trauern, Leben und Tod ausdrückt: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“ Bis in die Ewigkeit geht der Karneval nur auf dem Friedhof weiter. Und der schönste Platz ist immer - auf Melaten.

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