Impfung, Tests, QuarantäneregelnDas sind die größten Baustellen im neuen Schuljahr

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Schulplätze

Unterricht in einer Kölner Schule 

Düsseldorf – Das neue Schuljahr beginnt, wie das alte endete – im Schatten der Pandemie, die einen normalen Schulbetrieb weiterhin in Frage stellt. Zwar kehren alle Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen Stand jetzt zunächst in die Klassenzimmer zurück. Doch wie werden sich steigende Infektionszahlen, wie wird sich die Delta-Variante auswirken? Wir haben das Bildungsministerium unter Yvonne Gebauer (FDP) sowie die Bildungspolitiker der Landtagsfraktionen von SPD, Grünen, CDU und AfD gefragt, was aus ihrer Sicht die größten Herausforderungen sind.

Die Sicht des Bildungsministeriums von Yvonne Gebauer (FDP). „Die strengen Vorgaben für die Hygiene und den Infektionsschutz gelten weiter fort. Dazu gehört, dass alle Schülerinnen und Schüler sowie das Personal in den Schulen zweimal wöchentlich getestet wird. Vorerst bleibt die Testpflicht in der Schule bis zu den Herbstferien bestehen. An den weiterführenden Schulen werden die verpflichtenden Selbsttests weiterhin mindestens bis zu den Herbstferien vom Land zur Verfügung gestellt.“

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NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) 

Darüber hinaus sei Nordrhein-Westfalen beim flächendeckenden Einsatz von PCR-Pooltests, den sogenannten Lolli-Tests, bundesweit Vorreiter und werde dieses Testverfahren auch nach den Sommerferien fortsetzen. Auch wurde bereits entschieden, das neue Schuljahr mit „Tagen der Vorsicht“ zu beginnen und die Maskenpflicht im Schulgebäude sowie im Unterricht vorerst beizubehalten.

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Grundsätzlich gelte weiterhin:  - Die Landesregierung arbeite daran, dass das neue Schuljahr mit größtmöglicher Normalität beginnt. Geplant ist, mit Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler in das neue Schuljahr zu starten. Auf dieses Ziel haben sich alle 16 Bundesländer in der Kultusministerkonferenz verständigt.  - Die Landesregierung werde das Infektionsgeschehen vor allem mit Blick auf Reiserückkehrerinnen und Reiserückkehrer sowie die Delta-Variante des Coronavirus aufmerksam beobachten.  - Zudem habe die Landesregierung ein zweites Programm zur Förderung von Luftfiltergeräten aufgelegt, das im Kommunalministerium koordiniert wird.

Jochen Ott, bildungspolitischer Sprecher der SPD und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag. „In den kommenden Tagen und Wochen werden wir vermutlich mit weiter steigenden Inzidenzzahlen konfrontiert. Das wird auch Auswirkungen auf unsere Schulen haben. Vor allem die unter 12-jährigen Kinder, für die es keinen Impfschutz gibt, brauchen den bestmöglichen Schutz. Deshalb muss die Landesregierung alles, aber auch alles daran setzen, den sichersten Schulbetrieb zu organisieren, der möglich ist.“

SPD-Schulexperte Jochen Ott im NRW-Landtag

SPD-Schulexperte Jochen Ott im NRW-Landtag

Dabei müsse der Präsenzunterricht an oberster Stelle stehen, um nicht noch mehr Ungerechtigkeiten zu erzeugen und Lernrückstände aufzuholen. Auch für andere Unterrichtsformen müsse die Landesregierung jedoch gerüstet sein.

Ott formuliert einen Maßnahmen-Katalog für einen sicheren Schulbetrieb nach den Sommerferien, dazu gehören: - Klare, einheitliche Quarantäneregeln mit alternativen Lehr- und Lernmodellen für den Fall, dass Quarantäne-Maßnahmen erforderlich sind. - Regelmäßiges Lüften und mobile Luftfiltergeräte. - Konkrete Impfangebote für Kinder und Jugendliche über zwölf Jahren in allen Kommunen. - Umfassende Elterninformationen über das Impfangebot für über Zwölfjährige.

Darüber hinaus betont Ott die soziale Funktion der Schule; auch müssten Lernstände individuell erfasst werden. Auf Klausuren solle im ersten Quartal verzichtet werden. Den Schulen müsse die Möglichkeit gegeben werden, vom Lernplan abzuweichen, damit die Schülerinnen und Schüler Defizite aufholen könnten. Mit Blick auf die Kommunen, wo das Hochwasser massive Schäden auch an Schulgebäuden hinterlassen haben, müsse die Landesregierung schnelle Hilfe zusagen. Zudem fordert er Lernmittelfreiheit für betroffene Familien.

Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Grünen. „Die Schulen und Schulträger erwartet nach den Sommerferien ein Déjà-vu-Erlebnis: Wie im letzten Jahr kommen Förderprogramme und Richtlinien erst in den Sommerferien, wie zu den Luftfiltern, oder diese liegen noch gar nicht vor, wie es bei der Umsetzung des Corona-Aufholprogramms für Kinder durch den Bund der Fall ist.“

Beer

Sigrid Beer, bildungpolitische Sprecherin der Grünen

Auch bei den Mitteln aus dem Digitalpakt bleibe der Grad der Umsetzung ernüchternd, gerade mit Blick auf die sich anbahnende pandemische Lage im Herbst. Bis heute gebe es keine Standards für die digitale Ausstattung und keine Vorgaben zu Qualität von digital gestütztem Unterricht.

Um die Schulen möglichst sicher zu machen, müsse man eine breite Palette an Möglichkeiten nutzen: - Die AHA-Regeln müssen befolgt werden. - Zusätzlich müssen Luftfilter eingesetzt werden. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen zudem auch dafür genutzt werden, die Kindertageseinrichtungen mit Luftfilteranlagen auszustatten. - Es müsse weiterhin getestet werden und dies nicht nur ein bis zweimal pro Woche, sondern täglich. Das gilt gerade zum Schulstart, wenn mit erhöhten Ansteckungsraten durch Reiserückkehrer zu rechnen ist.

Kinder in prekären sozialen Lagen seien besonders von Quarantänen betroffen. „Sie benötigen eine besondere Unterstützung und alternative Lernmöglichkeiten“, sagt Beer und fordert ein Netzwerk individueller Hilfen für Familien und Mentoring-Programme für Kinder und Jugendliche. Man könne die Universitäten systematisch einbinden und Lehramtsstudierende heranziehen, um Lernbegleitung individuell oder in stabilen kleinen Lerngruppen zu gewährleisten. Den Schulen werde keine pädagogische Souveränität zugestanden, wenn es darum gehe, bis zu den Herbstferien die Stundentafeln auszusetzen und etwa Projekttage durchzuführen, um Kindern und Jugendliche wieder anschlussfähig für Lernprozesse zu machen. „Es geht um mehr als Nachhilfe, Kinder und Jugendliche müssen ganzheitlich, also auch mit Musik, Kunst, Theater und Sport sozial und emotional gestärkt werden.“

Claudia Schlottmann, bildungspolitische Sprecherin der CDU. „Sicherlich wird das Corona-Virus in den kommenden Monaten auch den Schulalltag weiter mitbestimmen. Es ist allerdings wichtig, dass die Schüler und Schülerinnen Sicherheit im Schulalltag bekommen.“ Es sei vor allem essentiell, dass die Schüler wüssten, auf welchem Leistungsstand sie im jeweiligen Fach stehen, welche Lücken sie gegebenenfalls aufzuarbeiten haben, welche Hilfen sie dafür in Anspruch nehmen können, und wie sich der weitere Fortgang der Schullaufbahn gestaltet.

Schlottmann

Claudia Schlottmann, bildungspolitische Sprecherin der CDU

„Dies interessiert natürlich gerade die Schülerinnen und Schüler in den Abschlussjahrgängen oder auch in der Oberstufe. Bei den jüngeren Schülern interessiert dies natürlich eher die Eltern. Den Schülern diesen Weg aufzuzeigen und ihnen nach den vergangenen herausfordernden Monaten die entsprechende Sicherheit zu vermitteln, sehe ich als bildungspolitische Herausforderung für das kommende Schuljahr.“

- Um die Folgen der vergangenen Corona-Monate aufzufangen, gebe es im Rahmen des Aufholprogramms „Extra-Zeit zum Lernen NRW“ 430 Millionen Euro (jeweils 215 Millionen Euro vom Bund und 215 Millionen Euro vom Land). - Es handele sich um individuelle Fördermöglichkeiten und Unterstützung für Kinder und Jugendliche, unter anderem für Angebote der sozialen Arbeit an Schulen oder auch außerschulische Lernangebote. Auch das sei aus CDU-Sicht ein wichtiger Baustein, damit es im kommenden Schuljahr wieder zu mehr Normalität kommen könne.

Helmut Seifen, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. „Der anhaltende Bildungsabbau der zurückliegenden Jahrzehnte wurde in den letzten 15 Monaten geradezu zu einem partiellen Bildungseinsturz, weil die Coronamaßnahmen gleichsam wie eine Abrissbirne auf die bereits brüchigen Mauern des ehemals festgefügten deutschen Bildungssystems niedergegangen sind.“

Seifen

Helmut Seifen, bildungspolitischer Sprecher der AfD

Deshalb würden die zentralen bildungspolitischen Herausforderungen der nächsten Wochen und Monate die Befreiung der Schulen und der Schulgemeinden aus der „Geiselhaft derer sein, welche Schülerinnen und Schüler weiterhin mit ihren angsteinflößenden Pandemiespekulationen unter die Fuchtel ihrer vorgeblichen Schutzvorgaben zwingen und damit das Lehren und Lernen erschweren“, sagt Seifen. Es werde eine wichtige Aufgabe sein, die tiefsitzende Angst bei vielen Mitgliedern der Schulgemeinde zu lösen, damit die Rückkehr zur Normalität überhaupt erst gelingen könne.

Die AfD verlangt - das Angebot zahlreicher Unterstützungsmaßnahmen. An den Schulen müssten Förder- und Sonderkurse eingerichtet werden, die nachmittags durchaus auch von Oberstufenschülern, pensionierten Lehrkräften oder anderweitig qualifiziertem Personal betreut werden könnten. - Darüber hinaus müssten außerschulische Nachhilfeinstitute beim Nachholen des Versäumten beteiligt werden. Die Kosten müssten von den Kommunen übernommen werden, die vom Land dafür Pauschalbeträge erhielten. - Auf absehbare Zeit sollten vor allem in den Grundschulen und in der Sekundarstufe I offene Lehr- und Lernformen stark zurückgefahren und der Plenumsunterricht mit starken Anteilen von Instruktionen die überwiegende Unterrichtsform sein.

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