Wo Menschen in der Not zusammenhielten

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Die Spender: Alexander Nieswandt (v.l.), Geschäftsführer von Sander, Wolfgang Niedecken und Eusebius Wirdeier.

Die Spender: Alexander Nieswandt (v.l.), Geschäftsführer von Sander, Wolfgang Niedecken und Eusebius Wirdeier.

BAP-Chef Wolfgang Niedecken, Fotograf Eusebius Wirdeier und der Medien-Dienstleister Sander starten eine Aktion für „wir helfen“.

Köln - Ein bisschen Bammel hatte er jedes Mal, der kleine Wolfgang. Aber die Versuchung war zu groß, durch jene Arbeiter-Straßen schlendern, in denen es was zu erleben gab. Damals, Ende der 50er Jahre. Wolfgang hörte vor dem Spirituosen-Geschäft den Menschen zu, die bei einem Bier spannende Geschichten erzählten. An jeder Ecke standen Anwohner zusammen, redeten, schimpften, lachten. Aber die Straßenjungs zogen „fremden“ Dreikäsehochs gerne die Ohren lang. Die Elsaßstraße in der Südstadt, wo Wolfgang aufwuchs, war ein aufregendes Pflaster.

Weiter nördlich, im Eigelstein-Viertel, liegt Unter Krahnenbäumen. Vielleicht die magischste aller Meilen - damals. UKB, wie die Kölner sagen, gibt es noch immer. „Aber nichts erinnert mehr an früher, alles von Stadtplanern amputiert“, klagt Wolfgang Niedecken heute. Er ist heute 53 Jahre alt und Chef der Kölsch-Rocker Bap. Mit seinem Freund Eusebius Wirdeier, Fotograf, 54, ebenfalls Stammgast in UKB, zeigt er nun, was verloren ging.

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Niedecken hat für das neue Bap-Album den Song „Unger Krahnebäume“ geschrieben, damit die Erinnerung sich nicht „noh un noh verliert“. Wirdeier ist Mitinitiator einer Ausstellung, die Bilder des Meisterfotografen Chargesheimer von UKB aus den 50ern zeigt. Viele Kinder sind darauf zu sehen. Nun wollen Niedecken und Wirdeier etwas für junge Menschen in Köln und Umgebung tun, die jetzt groß werden, aber Probleme haben. Die Künstler unterstützen „wir helfen“, gemeinsam mit dem Mediendienstleister Sander, der Unter Krahnenbäumen 9 zu Hause ist.

Im Galerie-Raum von Sander ist bis zum 19. Mai - es wäre der 80. Geburtstag von Chargesheimer - die UKB-Ausstellung zu sehen. Das Werbeplakat für die Schau, eine faszinierende Chargesheimer-Aufnahme der Straße aus den 50ern, wird zugunsten von „wir helfen“ versteigert. Vier mal vier Meter misst das Unikat, auf feinem Netzvinyl gedruckt. Die Herstellung kostete rund 1000 Euro. Für die Auktion wird ein Link auf der Sander-Internet-Seite -  www.sander.de - eingerichtet. Mindestgebot: 250 Euro.

Los geht's am Donnerstag, 6. Mai, 18 Uhr, wenige Stunden bevor das erste von vier Bap-Konzerten im Kölner Palladium beginnt. Wolfgang Niedecken wird während der Shows die Fans zum Mitmachen aufrufen. Die Versteigerung endet am 19. Mai, ebenfalls um 18 Uhr. „Kinder kommen in unserer Gesellschaft sowieso zu kurz“, meint Wirdeier, „und erst recht jene, die benachteiligt sind. Da ist es gut, dass »wir helfen« so wertvolle Arbeit leistet.“ Niedecken will dem nicht viel hinzufügen: „Aber hallo, es gibt nichts Wichtigeres als Kinder.“

Füreinander da sein, gerade in der Not - das war auch lange Zeit der Geist von UKB. Im 14. Jahrhundert wurde die Straße erstmals schriftlich erwähnt. Die Bewohner seien einfache Menschen gewesen, sagt Wirdeier - „aber sie haben zu leben gewusst.“ Das zeigen die Bilder der Ausstellung, Leihgaben aus dem Museum Ludwig. Auf der Straße, in den Kneipen wurde gemeinsam gefeiert und gelitten. Mit dem Bau der Nord-Süd-Fahrt in den 50er und 60er Jahren kam das Ende. UKB wurde auseinander gerissen - die Gemeinschaft zerbrach. „Ein Werteverlust für die Stadt“, meint Wirdeier, „zumal in der heutigen Zeit, die durch Vereinzelung geprägt ist.“ Prügel bezog der kleine Wolfgang bei seinen Ausflügen in Straßen wie UKB übrigens nie.

 www.sander.de

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