Zu Lebzeiten ein Grabmal gesetzt

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„Der Tod kommt mit Sicherheit“, sagt Peter Guckel. So hat der 76-Jährige einen Grabstein aufstellen lassen - mit seinem langjährigen Partner, dem Maler Siegbert Hahn (67).

„Der Tod kommt mit Sicherheit“, sagt Peter Guckel. So hat der 76-Jährige einen Grabstein aufstellen lassen - mit seinem langjährigen Partner, dem Maler Siegbert Hahn (67).

Peter Guckel und Siegbert Hahn haben ihre Namen bereits in den mächtigen, modern gestalteten Grabstein auf dem Melatenfriedhof meißeln lassen.

Irgendwann müssen wir alle gehen. „Der Tod kommt mit Sicherheit“, sagt Peter Guckel, „auch wenn wir uns noch so vital fühlen.“ Warum also den Gedanken verdrängen? Besser, sich mit dem Unabänderlichen auseinander zu setzen. So hat der 76-Jährige schon zu Lebzeiten einen Nutzungsvertrag für seine letzte Ruhestätte auf Melaten abgeschlossen und dort einen mächtigen Grabstein aufstellen lassen - zusammen mit seinem langjährigen Partner, dem Maler Siegbert Hahn (67).

Die Namen der beiden sind in den zwei Meter hohen Block gemeißelt worden, nebst filigranen Motiven, die Hahns surrealistisch anmutender Bildwelt entstammen. Zwei stilisierte Tore etwa, die den Übergang vom Dies- ins Jenseits symbolisieren: schnäbelnde Hähne - ein zartes Sinnbild der Liebe. Bislang allerdings fehlen auf dem Stein die Geburtsdaten der künftigen Nutznießer - und natürlich die Todestage.

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Viele Friedhofsbesucher wundern sich über das rätselhafte Grab. Auch mehrere Stadtführer haben die beiden gebeten, die Teilnehmer ihrer Melaten-Rundgänge über die Hintergründe aufzuklären. „Wann sind diese Leute gestorben?“, wollen die Besucher wissen. Und sind überrascht, wenn sie erfahren, dass die vermeintlich Verblichenen leibhaftig vor ihnen stehen und sich bester Gesundheit erfreuen. Überrascht, aber nicht etwa schockiert. Die wenigsten hielten einen solchen Grabstein für makaber, sagen Hahn und Guckel. „Meistens sind die Reaktionen positiv, wenn wir erklären, dass wir keinesfalls todessüchtig sind. Es ist einfach beruhigend zu wissen, wo wir einmal liegen werden.“

Zudem wollen sie der Nachwelt „etwas Schönes schenken“: ein Künstler-Grabmonument mit modernen Motiven, das sich von den heute weit verbreiteten eintönigen Marmortafeln unterscheidet. Für Denkmalpfleger Johannes Ralf Beines - er hat die Kölner bei dem Projekt unterstützt - ist dies ein „ungewöhnlicher Fall“. Inzwischen sei es nicht mehr üblich, sich zu Lebzeiten ein auffälliges Grabmal mit derart individuellen Symbolen zu setzen. Der Mitarbeiter im Amt des Stadtkonservators sieht darin einen Impuls, historische Gottesacker wie Melaten wiederzubeleben. „Ganz im Sinne der Alten“, die sich hier einst prächtige Trauerstätten leisteten und zum Teil frühzeitig ihren Begräbnisort bestimmten. Hahn und Guckel knüpfen also an Traditionen der abendländischen Friedhofskultur an, die erst mit fortschreitender Tabuisierung von Tod und Sterblichkeit in Vergessenheit gerieten.

In Ansätzen hat dieser Brauch im klassischen Familiengrab auf Kölner Friedhöfen überlebt. Zudem bietet die Stadtverwaltung Patenschaften für denkmalgeschützte Grabflächen an, deren Nutzungsrecht an die Kommune zurückgefallen ist. Wer ein Monument originalgetreu restauriert, darf sich später hier beerdigen lassen. Für dieses Projekt hatten sich auch Hahn und Guckel interessiert. Doch dann entstand der Plan, einen neuen Stein in Auftrag zu geben und die Stätte auf Melaten für 50 Jahre zu „buchen“.

Das hat seinen Preis. Die genauen Kosten will Guckel nicht verraten, nur so viel: „Die Investition muss überlegt sein.“ Dennoch lohne sich der Aufwand. Schon allein, weil das Grabmonument seinen Schöpfern bereits viele schöne Momente beschert hat. Zum Beispiel, als ein Friedhofsbesucher ihnen beichtete, dass er sich einmal pietätlos an dem Block hochgehangelt habe. Er wollte an den steinernen Vogel gelangen, der obenauf hockt und einen großen Kiesel auf dem Kopf trägt - Sinnbild für erdrückende Belastungen, denen alles Lebendige ausgesetzt ist. „Er zerrte an dem Kiesel, weil er glaubte, irgendjemand habe ihn in ketzerischer Absicht abgelegt. Zum Glück ist der Stein gut befestigt“, schmunzelt Guckel.

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