Zwei Mamas und ein netter Mann

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Beate Jantzer (links) hat Tochter Svenja zur Welt gebracht. Co-Mutter Heike Buntenkötter stand ihrer Lebenspartnerin bei der Geburt bei und freut sich heute, wenn Fremde über die Tochter sagen: „Die sieht Ihnen aber ähnlich“.

Beate Jantzer (links) hat Tochter Svenja zur Welt gebracht. Co-Mutter Heike Buntenkötter stand ihrer Lebenspartnerin bei der Geburt bei und freut sich heute, wenn Fremde über die Tochter sagen: „Die sieht Ihnen aber ähnlich“.

Familienplanung - kein Thema für Lesben und Schwule? Von wegen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ besuchte eine lesbische Familie.

Mit einer romantischen Geschichte können die zwei nicht aufwarten. Behaupten sie. „Wir waren beide eher beziehungsscheu. Wir sind drei Jahre voreinander weggelaufen, bis wir uns endlich getraut haben“, beginnt Beate Jantzer die Geschichte der Liebe ihres Lebens. Und zur ersten Einladung zum Essen „kam Heike auch noch zwei Stunden zu spät“, frotzelt sie immer noch ein wenig vorwurfsvoll.

Es dauerte lange, bis sich die 38-jährige Psychotherapeutin schließlich ein Herz fasste, die ehemalige Kommilitonin besuchte und ihr ihre Liebe gestand. „Ich blieb drei Tage“, kürzt sie die Geschichte elegant ab. Am vierten Tag hatte Heike Buntenkötter, die bis dahin heterosexuell gelebt hatte, „ihr Coming-Out die Ringe runter“: der erste Spaziergang in der Öffentlichkeit. Händchenhaltend. 13 Jahre ist das nun her, zwei Jahre später bezog das Paar eine gemeinsame Wohnung.

Alles zum Thema Agnesviertel

Die Nachbarn und Geschäftsleute hatten sich gerade an das Frauenpaar aus der Lübecker Straße gewöhnt, da war erneut Irritation im Agnesviertel zu spüren: Beates Bauch wurde immer runder. Die Nachbarn verstanden die Welt nicht mehr. Wie können zwei Frauen . . .? Einzig die Gemüsehändlerin wagte es auszusprechen: „Ist bei euch etwa was Kleines unterwegs?“ Beate war schwanger. Dank mehrerer „Kurzurlaube“ und einer künstlichen Befruchtung in Holland.

Die werdenden Omas und Opas mussten sich mit dem Gedanken erst anfreunden, aber bald war die Freude groß. Heike, für die der Gedanke an eine eigene Schwangerschaft kein Thema war, begleitete Beate zur Geburt des Babys ins Krankenhaus. Während der dramatischen Stunden war sie bei ihrer Freundin. Sie verließ den Kreißsaal nur, um zum Kaffeeautomaten zu gehen - wo ihre ebenfalls wartenden männlichen Leidensgenossen standen, litten und wie selbstverständlich fragten. „Und wie weit ist es bei euch?“

Als alles überstanden war, erinnert sich die Co-Mutter, „da war ich so stolz“ - und sie ist es immer noch. Fremde Menschen im Supermarkt versichern ihr bis heute: „Die Kleine sieht Ihnen aber ähnlich“, erzählt die 37-jährige Sozialarbeiterin, die in einer Beratungsstelle für Familienplanung arbeitet, und lacht sich kaputt.

Beate nahm drei Jahre Erziehungsurlaub, Heike reduzierte auf 25 Stunden. Inzwischen ist Svenja viereinhalb Jahre alt: ein kleiner Wirbelwind, der auf Rollschuhen ins Wohnzimmer stürmt. Über seine Entstehung weiß das aufgeweckte Mädchen längst Bescheid. „Da war ein netter Holländer, und der hat der Mama Tropfen in den Bauch getan.“ Die Frage nach einem „Papa“ war damit befriedigend beantwortet. Zumindest vorläufig.

Weitere Erklärungen folgten: dass es zwar einen Papa gebe, der aber nur „geholfen“ habe, damit Heike und Beate ihre Svenja bekommen können. Bei anderen Kindern sei das anders. Da wünschten sich eine Mama und ein Papa ein Kind. Svenja reichte diese Antwort. Ihr tun aber die Kinder leid, die „nur eine Mama“ haben. Wenn Svenja 18 Jahre alt ist, kann sie bei der Samenbank (einer Stiftung für ungewollte Kinderlosigkeit) den Namen ihres biologischen Vater erfahren - wenn dieser zustimmt.

Svenja, Beate und Heike führen ein ganz normales Familienleben. Die Mütter nehmen sich viel Zeit für ihr Kind. Inzwischen arbeiten beide wieder 25 Stunden, aber „nie mehr als nötig“. Gemeinsame Freizeit und Spielen wird groß geschrieben. Für die beiden Frauen steht fest, „wir wollen für immer zusammen bleiben“.

Heiraten, oder vielmehr: „verpartnern“, kommt trotzdem nicht in Frage. Die so genannte Homo-Ehe ist für sie „ein faules Ei“. Keine andere Lohnsteuerklasse, keine volle erbrechtliche Gleichstellung und vor allem kein Kindschaftsrecht. Freie Tage, wenn Svenja krank ist, sind ein Wunschtraum. Väter haben Anrecht auf Erziehungsurlaub - Co-Mütter nicht. Heike könnte höchstens mit ihrem Chef darüber verhandeln, ob sie ein Jahr freigestellt werden kann. Auch Sonderurlaub für die Geburt war nicht drin. Beate und Heike leben „eine andere Realität“.

Mit dem Kinderarzt haben sich die beiden Mütter abgesprochen, ebenso im Kindergarten, wo Heike „genauso als Erziehungsberechtigte gilt wie Beate“. Auch Svenja macht nur noch selten einen Unterschied: Sie nennt beide Elternteile Mama - wenn sie Lust dazu hat. Frühstück wird abwechselnd gemacht. Kommt Svenja morgens zu ihren Müttern ins Bett gesprungen, ruft sie: „Wer ist heute dran?“

Die Freude über das Kind stieß im Freundeskreis durchaus auf gemischte Reaktionen. Alle haben sich mitgefreut, gleichzeitig hat der neue Lebensstil eine Kluft gerissen. „Das ist schon eine komische Gratwanderung“, sagt Beate über ihre neue Rolle. „Ich bin Lesbe, aber auch Mutter in einer heterosexuellen Welt.“ Ihr zehnjähriges Beziehungs-Jubiläum feierten Beate und Heike jedenfalls mit Kind. Das Fest fand mit Familie, Kollegen und Community (schwul-lesbische Gemeinschaft) auf dem Hausboot „Alte Liebe“ in Rodenkirchen statt. Also, wenn das nicht romantisch ist . . .

„Europride Cologne“ (Höhepunkt ist die Parade in der Innenstadt am 7. Juli) wirbt wie der Christopher Street-Day für die Gleichberechtigung Homosexueller. Wir stellen in einer Serie einige Facetten homosexuellen Lebens vor und porträtieren die unterschiedlichsten Lesben und Schwule.

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