Bundesweite RazziaWas hinter dem Verein „Ansaar International“ steckt

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In einer groß angelegten Aktion haben Polizisten in ganz Deutschland Gebäude durchsucht und Beweise sichergestellt.

  • Bei einer bundesweiten Razzia gegen ein salafistisches Netzwerk hat die Polizei 90 Gebäude durchsucht.
  • Die Aktion richtete sich gegen scheinbar humanitäre Vereine, die Terrorgruppen unterstützen.
  • Joel Kayser, der Gründer des Vereins „Ansaar International“, hatte Kontakt zu bekannten Terrorhelfern.

Köln – Joel Kayser, genannt Abdul Rahman, fühlte sich durch den Verfassungsschutz und manche Medien ungerecht behandelt. Letztere hatten über vielfältige Bezüge seines Vereines „Ansaar International“ in die hiesige radikal-islamische Salafisten-Szene berichtet.

Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeiger sollen namhafte Terrorhelfer wie der Hassprediger Sven Lau oder der Schleuser Mirza Tamoor Baig aus Bergisch-Gladbach Kontakte zu dem islamischen Hilfswerk unterhalten haben. Auch soll „Ansaar International“ Terror-Gruppen in Syrien, dem Irak und in Palästina unterstützt haben. Meist durch als Hilfskonvois getarnte Lieferungen.

Stets wies Ansaar-Chef Kayser solche Vorwürfe zurück. Man sei einzig eine Hilfsorganisation, die in 30 Ländern und Krisenregionen wie Syrien, dem Irak, Afghanistan, Palästina sowie Somalia Moscheen, Brunnen, Koran-Schulen oder Krankenhäuser baue, erklärte der deutsche Konvertit.

Alles zum Thema Herbert Reul

90 Gebäude durchsucht, 600 Beamte im Einsatz

Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden steckt jedoch wesentlich mehr hinter dem islamischen Hilfswerk mit seinem Hauptsitz in Düsseldorf. In einer großangelegten Razzia durchsuchten gestern Morgen 600 Polizeibeamte 90 Objekte eines bundesweit agierenden salafistischen Netzwerks. Laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stehen an der Spitze dieses Zirkels die Vereine WWR Help aus Neuss und Ansaar International.

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Die Aktion, ausgelöst durch Ermittlungen der Staatsschützer in NRW, diente vor allem dazu, genügend Beweise für ein Vereinsverbot zu sammeln. Eine Task Force beim Landeskriminalamt (LKA), die Spuren der Terrorfinanzierung nachgeht, hatte zudem Belege gefunden, dass die Organisationen der palästinensische Hamas Gelder zukommen ließen. „Wir ermitteln in dem Zusammenhang gegen fünf Beschuldigte im Alter zwischen 30 und 41 Jahren wegen des Verdachts der Terrorfinanzierung“, sagte LKA-Sprecher Frank Scheulen.

Ein Drittel aller Durchsuchungen in NRW

Allein in Aachen, Düsseldorf, Köln, am Niederrhein und im Westfälischen wurden 30 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Minister Herbert Reul: „Unsere Ermittler und Analysten haben hier außergewöhnlich gut gearbeitet. Wenn sich der Verdacht bestätigen sollte, haben sie ein Netzwerk enttarnt, das vorgibt, humanitäre Hilfe zu leisten, in Wahrheit aber für terroristische Organisationen im Ausland wirbt und Geld sammelt.“

Seit Jahren stehen islamistische Vereine wie „Helfen in Not“, ein „Herz für Kinder“ oder Ansaar International e.V. unter Beobachtung der Sicherheitsorgane. Dabei gilt gerade der Düsseldorfer Verein als bestens organisiert. Der Zulauf aus der Szene ist enorm.

„Wir haben über eine Million Spender und Spenderinnen, zehn Prozent davon sind Nichtmuslime", behauptet "Ansaar"-Chef Kayser, der nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu den fünf Beschuldigten zählt. Jeder eingenommene Cent müsse ordnungsgemäß beim Finanzamt angegeben werden. Es gäbe gar keinen Spielraum Geld abzuzweigen, andernfalls drohten ernste Konsequenzen, beteuerte der Vereinsvorsitzende.

Unterstützung für syrischen Al-Qaida-Ableger

Das sehen die Ermittler anders. 2012 gegründet, soll die Vereinigung inzwischen Millionenbeträge für Ramadan-Pakete ausgeben, aber auch zur Unterstützung des syrischen Al-Qaida-Ablegers „Junud al Sham“ (Soldaten Syriens) oder eben die palästinensische Terror-Gruppierung Hamas beitragen. Allein 2014 sammelte der Verein für die Krisenregionen Gaza, Syrien und Somalia über 1,3 Millionen Euro ein.

Das Geld wird durch regionale Filialen eingeworben oder etwa durch Charity-Events, zu denen sich zahlreiche Gallionsfiguren der militanten Salafistenszene eingefunden haben sollen. Besonders in der Hochphase des syrischen Bürgerkrieges. „Zu der Zeit handelte es sich um eine große Gemeinschaft Interessen gleicher Personen“, berichtete ein ehemaliger Kämpfer der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) in seiner Vernehmung durch das LKA NRW.

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Insgesamt 600 Polizisten haben sich an der Aktion beteiligt.

„Man hat sich regelmäßig auf Spendengalas und Veranstaltungen im Ruhrgebiet und auch im Rheinland getroffen. Veranstalter waren zum Beispiel Ansaar International…“ Eine Art radikales Get-Together im Namen Allahs. 

Ferner schilderte der IS-Veteran seine Begegnungen mit dem Salafisten-Prediger Sven Lau, alias Abu Adam, bei solchen Benefizveranstaltungen. „Ich kannte Abu Adam von verschiedenen Benefizgalas, wie … Ansaar International, … sowie von Lies-Ständen und Videos von den Lies! Projekten“, gab der Rückkehrer zu Protokoll.

Propaganda über „humanitäre“ Vereine

Seitdem der Bundesinnenminister aber das salafistische Missionsprojekt Lies verboten hatte, scheinen die extremistischen Hilfsvereine die Lücke füllen zu wollen. Etliche deutsche Kalifats-Anhänger haben durch die Propaganda der „humanitären“ Vereine die erste Stufe auf den Weg in den Dschihad erklommen.

Bei dem Duisburger IS-Kämpfer Muhamed H. fand sich bei einer Durchsuchung seiner Wohnung ein Flyer von Ansaar International. Yusuf T., der im Alter von 17 im April 2016 mit zwei Komplizen Sprengsätze auf einen Sikh-Tempel in Essen warf, hatte zuvor auf einer Ansaar Wohltätigkeitsveranstaltung damit geprahlt, nun eine Art Terrorkommando aufgestellt zu haben, dass Anschläge verüben werde.

Geschäftsleute helfen Ansaar International

Vermehrt unterstützen auch muslimische Geschäftsleute Ansaar International. Laut NRW-Innenminister Reul führen manche „Gewerbetriebe ihre Erträge teilweise vollständig an den salafistischen Verein ab“. In dem Zusammenhang taucht etwa Omar R. auf. Ein niedersächsischer Unternehmer, der sich mit seiner Firma laut Handelsregisterauszug mit der Sammlung und Verwertung sowie dem Im- und Export von Textilien und Schuhen beschäftigt. Gegen den Geschäftsführer liegen staatsschutzrelevante Erkenntnisse wegen möglicher Terrorismusfinanzierung vor. Dabei geht es um Gelder, die über sein Handelsgeschäft unter anderem an Ansaar International flossen.

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Alleine in Nordrhein-Westfalen wurden in 30 Gebäuden bei der groß angelegten Razzia Beweise sichergestellt.

Vor sechs Jahren etwa soll sich eine illustre Figur einem Hilskonvoi von „Ansaar International" auf der Reise nach Syrien angeschlossen haben. Sein Name: Mirza Tamoor Baig, bekannt auch als „Bruder Timur". Baig, inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, galt seinerzeit als Hardcore-Islamist.

Er kaufte einen ausrangierten Krankenwagen und brachte ihn nebst neuem Rekruten in dem Konvoi nach Syrien, um ihn einer Terrorgruppe zu übergeben. Abgehörte Telefonate offenbarten seine Gesinnung: „Wir müssen gucken, wie die Gelder runterkommen. Wie die dreckigen Kuffar unten abgeschlachtet werden. Das ist unsere Pflicht, dass ihnen die Kehle da unten durchgeschnitten wird"

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