Jahrestag der FlutMenschen in Arloff ziehen schweigend die Erft entlang

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Mehrere Hundert Bürger aus Arloff/Kirspenich zogen entlang der Erft, die so viel Zerstörung gebracht hatte, durch den Ort.

Bad Münstereifel/Arloff – „Hochwasser hat es hier schon öfter gegeben, aber das noch nie!“ Friedel Jülich, 72, schiebt den Rollator am Erftufer entlang und blickt nachdenklich auf das, was gerade so hoch wie ein Fußknöchel als idyllisches Bächlein in der Nachmittagssonne glitzert. Die Erft, die Arloff und Kirspenich mehr oder weniger der Länge nach durchfließt, war auch hier in der Nacht zum 15. Juli 2021 nicht idyllisch.

„Das war hier alles weg, die Bachstraße rechts, die Erlenhecke links, also die beiden Uferstraßen. Wie in Venedig, eine einzige Wasserfläche“, erinnert sich Reiner Jansen, einer von zwei Stadtverordneten für den Doppelort, an die Schrecken der Flutnacht.

Drei weitere Todesopfer wurden angeschwemmt

300 Häuser wurden entlang der Ufer des Flusses teilweise stark beschädigt, drei Gebäude waren nicht mehr bewohnbar. An die 1000 der rund 2300 Einwohner waren unterschiedlich stark betroffen. Eine Frau aus dem Dorf starb in der Flutnacht, drei weitere Todesopfer wurden angeschwemmt, stammten aber nicht aus Arloff/Kirspenich.

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Friedel Jülich und seine zwei Jahre jüngere Frau Doris wohnen knapp zehn Meter von der Erft entfernt an der Erlenhecke. Auch bei Jülichs drückte die Erft erst von vorne, dann später von der Rückseite ins Gebäude. „Wir haben noch versucht, Wasser von den Stufen zu schippen, aber das machte dann keinen Sinn mehr“, so Jülich. Das Ehepaar flüchtete sich ins Obergeschoss, 80 Zentimeter hoch war am Ende das Erdgeschoss des kellerlosen Wohnhauses überflutet.

„So nahe an der Erft würde ich nicht mehr bauen“

Zum Glück haben Jülichs eine Elementarschadenversicherung. Die habe für die Schäden am Haus bezahlt, so Jülich. Doch die Inneneinrichtung, so etwa die komplette Küche, musste erneuert werden.

Acht Monate wohnten die beiden danach bei ihrem Sohn in Euskirchen, bevor sie nach Arloff/Kirspenich in ihr Häuschen zurückkehren konnten. Jetzt ist auch der kleine weiße Jägerzaun frisch gestrichen. Doch eins steht für Friedel Jülich fest: „Hätte ich noch mal die Wahl, so nahe an der Erft würde ich nicht mehr bauen.“

Wie er dachten vermutlich viele der mehrere Hundert Teilnehmer, die sich auf den Schweigemarsch zum Gedenken an die Flut im Doppeldorf von der Hubertuskapelle bis zur Schule machten. „Wir wollen heute keine Party feiern, wir wollen still gedenken“, so Martin Mehrens, zweiter Stadtverordneter von Arloff/Kirspenich und Vorsitzender des Dorfgemeinschaftsvereins, der zum Gedenkgang aufgerufen hatte.

Erst bei der Kirmes will man die eigentliche Gedenkfeier nachholen und dabei auch den vielen Helfern danken, die in den Wochen nach der Flut bereitstanden.

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Die Idee zu einem Schweigemarsch hatten Reiner Jansen (l.) und Martin Mehrens. 

„Die Flut war unglaublich, aber das waren die Solidarität unter uns und die Hilfsbereitschaft von Fremden, die da waren, auch“, so Mehrens. Dazu kamen die Landwirte aus der Umgebung, die schnell mit ihren Traktoren die überfluteten Straßen frei räumten. Auch ihnen dankte Mehrens in seiner Ansprache auf dem Schulhof am Ende des Schweigemarschs ebenso wie dem Besitzer der Arloffer Tonwerke, der sofort seine Hallen für den Aufbau des Hilfezentrums zur Verfügung stellte.

Ein Bautrupp der Firma Strabag packte schließlich wenige Tage nach der Flut an und deckte beide Uferstraßen mit einer neuen Schwarzdecke, was sie wieder befahrbar machte. Man habe das einfach schnell so entschieden, so Reiner Jansen – sprich: an allen Genehmigungsbehörden vorbei. Und er glaube, „dass das auch so richtig war“.

Gedenktafel erinnert an die Flutkatastrophe

Ein Jahr danach sind an der Erft in Arloff/Kirspenich die damals zerstörten Uferbefestigungen mit Wasserbausteinen erneuert oder die alten Ufermauern wieder ausgebessert. Nur an zwei Stellen liegen – wie zur Mahnung – weiße Sandsäcke oben drauf.

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Am alten Hochkreuz in der Dorfmitte nahe der Brücke der Bahnhofstraße über die Erft – das Kreuz selbst wurde von den Fluten mitgerissen und regelrecht zermalmt, so Martin Mehrens – haben die Arloff/Kirspenicher eine kleine Gedenktafel aufgestellt. „Die Flutkatastrophe hat uns zutiefst getroffen“, heißt es darauf, und es wird vor allem der älteren Mitbewohnerin gedacht, die dabei ums Leben kam.

Das zerstörte Kreuz auf dem Sandsteinsockel an der Brücke über die Erft wollen sie in Arloff/Kirspenich aber erneuern, bald.

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