PlädoyersAttacke auf 22-Jährige im Leichlinger Stadtpark war sexuelle Nötigung

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Der Weg vom Busbahnhof zur Leichlinger Stadtbücherei im Stadtpark

Auf dem Weg vom Busbahnhof zur Leichlinger Stadtbücherei fiel ein 25-Jähriger am 13. Juni vorigen Jahres über eine junge Frau her.

Er ist achtfach vorbestraft und psychisch krank. Staatsanwaltschaft und Verteidigung finden, dass ein sexuell übergriffiger und gewalttätiger 25-Jähriger in einer geschlossenen Fachklinik behandelt werden muss. 

Für die Staatsanwältin ist es ebenso klar wie für Verteidiger Thomas Kraaz: Der Mann, der sich seit reichlich zwei Wochen wegen diverser sexueller und gewalttätiger Übergriffe vor dem Kölner Landgericht verantworten muss, kann nicht ins Gefängnis. Er muss behandelt werden – das geht in seinem Fall nur in einer Forensischen Klinik. Aus einer solchen wird der 25 Jahre alte Mann seit Prozessbeginn ins Gericht gefahren. Die Erkenntnisse aus dem Essener Haus bestärkten am Donnerstag Anklägerin und Verteidiger in ihrer Einschätzung.  

Der Beschuldigte war nicht schuldfähig, als er zum Beispiel am 13. Juni vorigen Jahres eine 22 Jahre alte Frau im Leichlinger Stadtpark überfiel, ihr die Leggings herunterriss und wohl auch zwischen die Beine griff. Hinzu kam der Versuch, sie in Richtung eines Gebüschs zu ziehen: Der durchaus kräftige Mann packte sein Opfer an den Handgelenken und ließ erst von ihr ab, als ein Bediensteter der Leichlinger Stadtverwaltung der Frau zu Hilfe eilte.

Unter den sechs Delikten, die in der Klageschrift standen, aber längst nicht alle Übergriffe umfassten, die seit dem vorigen Frühjahr aktenkundig wurden, war das Geschehen vor der Stadtbücherei das gravierendste: Die Staatsanwaltschaft ging aufgrund einiger Zeugenaussagen von einer versuchten Vergewaltigung aus. Nach einer intensiven Beweisaufnahme vor der 13. Großen Strafkammer rückte die Anklagevertreterin von diesem Vorwurf ab, sprach noch von einer sexuellen Nötigung.  

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Drehtür in der Klinik Langenfeld

Verteidiger Thomas Kraaz nutzte die Gelegenheit, die Lebensumstände seines Mandanten zu schildern. Auch, weil sie Erklärungsansätze dafür bieten, was insbesondere seit dem vorigen Frühjahr passierte. Von Mitte April bis zum 13. Juni gab es einen stetigen Wechsel zwischen kurzen Aufenthalten in der Psychiatrischen Klinik Langenfeld und sexuellen Übergriffen auf junge Frauen und anderen Attacken. Darunter ein Vorfall auf dem Konrad-Adenauer-Platz in Solingen, bei dem eine Machete mit 46 Zentimeter langer Klinge eine Rolle spielte. Die hatte der 25-Jährige aus einem Waffengeschäft gestohlen und war auf eine Gruppe Jugendlicher zugestürmt. Schnell war er aber vom Kampfkunst-erprobten Ladenbesitzer überwältigt worden und hatte – wie in allen anderen Fällen – schnell aufgegeben.    

Das sei symptomatisch für seinen Mandanten, betonte Kraaz: Er stoße auf Gegenwehr, „und dann ist Schluss“. Hintergrund sei eine tiefe Hoffnungslosigkeit: Weil er in Brasilien geboren worden ist, soll der junge Mann aufgrund seiner Straftaten ausgewiesen werden. Das ist möglich, weil seine Mutter nicht lange genug in Deutschland war, um den beiden Söhnen ein eigenes Aufenthaltsrecht zu ermöglichen. Die Frau, so scheint es, hat es auch nicht leicht gehabt: Vor ihrem zweiten deutschen Partner floh sie ins Frauenhaus, ein Sohn begleitete sie dorthin. Dazu, warum er mit seiner Mutter von Heilbronn ins ferne Solingen gekommen war, hatte der Angeklagte gesagt: „Ich bin missbraucht worden.“   

Die Familie ist weit weg

Später trennten sich die Wege: Die Mutter ist wieder in Brasilien, der Bruder des Beschuldigten ebenfalls. Kontakt gebe es nicht, berichtete sein Anwalt. Der junge Mann habe also keine Anlaufstelle. Durch den Ausweisungsbeschluss sei er inzwischen ohne festen Wohnsitz; bestenfalls werde er zwischen Asylunterkünften hin- und hergereicht. Arbeiten dürfe er natürlich auch nicht, Geld sei knapp, er müsse sich mit Gutscheinen begnügen.

Dazu eine psychische Krankheit, die schon vor Jahren aufgetreten sei, sich aber immer weiter verschlimmert habe, weil der Patient „nie richtig behandelt wurde“, so Kraaz. Insbesondere habe die Langenfelder Klinik versagt. Die Chefärztin, die zuletzt vor Gericht aussagte, habe ihn „entsorgt“, empörte sich der Anwalt. In der Essener Klinik sei er fraglos wesentlich besser aufgehoben.

Dass der Täter nach einer Abschiebung in Brasilien die Chance haben könnte, seinem Leben eine positive Wendung zu geben, glaubt Kraaz nicht. „Die werden da kaum mit teuren Medikamenten auf ihn warten.“  

Fragt sich, wie das Gericht mit dem schwierigen Fall umgeht und eine Abschiebung womöglich verhindert. Dass die Entscheidung kompliziert ist, zeigt schon die Beratungszeit: Erst nächsten Mittwoch will die 13. Große Strafkammer ihr Urteil sprechen.

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