Vortrag in LeichlingenReul: „Polizei NRW lebt in der Steinzeit”

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Herbert Reul

Herbert Reul

Leichlingen – Das Team des NRW-Innenministers Herbert Reul (CDU) musste Stühle schleppen am Dienstagabend im Saal von „Haus Klippenberg“ in Oberbüscherhof. Denn der Andrang zu seinem Vortrag über „Innere Sicherheit als europäische Herausforderung“ war groß und bewies, welch großen Stellenwert das Thema Sicherheit bei den Menschen einnimmt. Für den prominenten Leichlinger war die Veranstaltung zudem natürlich auch ein Heimspiel.

„Die Polizei in NRW lebt in der Steinzeit“, bemängelte Reul zu Anfang seines Vortrags. Über eine Milliarde Euro betrage der Investitionsstau bei Polizeiwachen.

Anti-Terror-Einsatz in Leichlingen

Auf die Frage nach dem Hintergrund des SEK-Einsatzes in Leichlingen, der am vergangenen Freitag im Zuge einer Razzia bei IS-Verdächtigen in mehreren Städten stattgefunden hat, reagierte NRW-Innenminister Herbert Reul am Rande seines Vortrags im „Haus Klippenberg“ verhalten. „Dazu darf ich leider nichts sagen“, erklärte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Bei der Anti-Terror-Fahndung gegen Mitglieder und Unterstützer des so genannten „Islamischen Staates“ in NRW und Rheinland-Pfalz war es auch in Leichlingen zu einer Durchsuchung gekommen. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Wochenende ohne nähere Angaben über Ort und Verdachtsmomente bestätigt.

Bei dem Einsatz sind elf Männer überwiegend tadschikischer Nationalität vorübergehend festgenommen worden. Es wurden aber keine Waffen oder Sprengstoff gefunden. Ein Auslöser für die Razzia war das Eindringen eines Autofahrers in die Essener Fußgängerzone. (mw/hgb)

Die Autos seien zu klein für die immer weiter wachsende Ausrüstung. Und auch mit der Technik hinke die Polizei hinterher. Man könne jedoch Fortschritte verzeichnen. Es werden wieder mehr Polizisten ausgebildet. Sie bekommen größere Streifenwagen.

Neue Polizei-Smartphones sollen Datenabfrage erleichtern

Und ab diesem Jahr soll es auch neue Dienst-Smartphones geben, die das Reagieren und die Datenabfrage deutlich beschleunigen sollen. Stolz wirbt Reul zudem mit dem neuen Polizeigesetz, das die Befugnisse der Polizei ausweitet, auch wenn es wegen verfassungsrechtlicher Bedenken stark umstritten war.

Die Bekämpfung der Clan-Kriminalität hat der Innenminister zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. Reul, der seit seinem Amtsantritt die Null-Toleranz-Strategie fährt, möchte die Clans „im Geschäft stören“, wie er sagte. Durch Zusammenarbeit verschiedener Institutionen wie Zoll, Polizei und Finanzamt sollen die kriminellen Strukturen gemeinsam aufgedeckt werden.

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„In Leichlingen kann man nicht von einer Bedrohung sprechen. Das ist nicht zu vergleichen mit großen Städten wie Essen“,

sagte Reul später im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Trotzdem müsse man aufpassen, dass die kriminellen Strukturen nicht ins Ländliche verdrängt werden, fügte er hinzu. Und jüngst hat auch die Terrorismusabwehr die Blütenstadt erreicht (siehe „Anti-Terror-Einsatz in Leichlingen“).

Das Wort des Abends war Vernetzung. Nicht nur der Innenminister möchte die Institutionen auf Landes- und Bundesebene besser verbunden sehen. Der Europawahl-Kandidat der CDU für den Rheinisch-Bergischen Kreis, Uwe Pakendorf, warb bei der Veranstaltung auch für eine bessere Vernetzung auf europäischer Ebene: Europol müsse aufgewertet und Frontex gestärkt werden.

Dass Kriminalität immer mobiler und internationaler wird, sei auch in Leichlingen zu bemerken. „Besonders bei der Einbruchskriminalität stecken häufig mobile, organisierte kriminelle Banden dahinter, die sich im europäischen Raum frei bewegen können“, erklärte Pakendorf. Daher brauche die EU eine bessere Zusammenarbeit beim Thema Sicherheit, auch wenn dies ein Verlust an nationalstaatlicher Souveränität bedeuten würde. „Wir brauchen mehr Europa in der inneren Sicherheit“, pflichtete Reul bei.

Die CDU ist kurz vor den Europawahlen am 26. Mai merklich in Wahlkampfstimmung. Und die Leichlinger zeigten sich diskussionsfreudig – nicht nur bei der Sicherheit, sondern auch in Sachen Brexit, Werteverlust in der Gesellschaft, Flüchtlingspolitik, Umwelt- und Klimaschutz.

Reul hat kein Verständnis fürs „Schuleschwänzen“

Herbert Reul, der vor seiner politischen Karriere als Studienrat früher selbst Gymnasiallehrer war, hat sich bei seinem Besuch im „Haus Klippenberg“ kritisch zu den Schülerprotesten der Initiative Fridays for Future geäußert.

„Es gibt Eltern und Lehrer, die das Schulschwänzen unterstützen. Mir fehlt dafür aber jedes Verständnis. Nur weil es für einen großen, guten Zweck ist, heißt das nicht, dass gegen die Regeln verstoßen werden darf“, findet der NRW-Innenminister.

Dass die Schüler ernst genommen werden sollten, sei wichtig, erklärte der EU-Kandidat der bergischen CDU, Uwe Pakendorf. Doch sie würden die Komplexität des Themas häufig nicht erkennen. Eine Wende könne man nicht mit dem Brecheisen herbeiführen. „Das sind Jugendliche, die wahrscheinlich noch nie selber Auto gefahren sind und die Flugreisen bisher von ihren Eltern finanziert bekommen haben“, sagte er und ergänzte: „Die Wende in der Klimapolitik darf nicht die Wirtschaft abwürgen“. (mw)

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