„Superbitch Bag“ bis PlastikflutMuseum Morsbroich nimmt Massenkonsum ins Visier

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Sammelfass ohne Boden: Karsten Bott inmitten seines Sammelsuriums aus Gegenständen der Trivialkultur.

Sammelfass ohne Boden: Karsten Bott inmitten seines Sammelsuriums aus Gegenständen der Trivialkultur.

Leverkusen  – Die Niederländerin Anne Berk, gemeinsam mit dem derzeitigen Museumsdirektor Fritz Emslander Kuratorin dieser kuriosen wie brandaktuellen Ausstellung, spricht von der Studie einer BWL-Studentin, wenn sie das Konzept hinter „Liebes Ding – Object Love“ erklärt: Laut dieser Studie nämlich besitze der gemeine Westeuropäer durchschnittlich 10 000 Dinge. Objekte. Sachen aller Art. Und das zeige: Dinge, Objekte gehörten zu unserem Leben dazu.

Schwarzes, rundes Ding: Yvonnen Dröge Wendels „Black Ball“ rollt über Straßen und durch Museen auf allen Kontinenten.

Schwarzes, rundes Ding: Yvonnen Dröge Wendels „Black Ball“ rollt über Straßen und durch Museen auf allen Kontinenten.

Nur wüssten wir es meist nicht oder dächten nicht mehr darüber nach, dass wir im Alltag – von der eigenen Wohnung über das eigen Bett und das Auto und die Kleidung bis hin zu sonstigen Sachen – umgeben seien von Dingen. „Wir lieben sie mitunter. Wir definieren uns über sie. Sie gehören zu unserem natürlichen Selbst.“ Und wer diesen Gedanken einmal weiterdenke, der lande eben auch sehr schnell bei Themen wie Massenkonsum. Oder Plastikflut. Themen, die ernst sind und zum Nachdenken anregen. So wie diese Schau in Morsbroich.

Ein rollender „Black Ball"

Der Begriff „Ding“ oder „Objekt“ wird von den 23 beteiligten Künstlern derart konsequent beleuchtet, getestet, durch die Mangel genommen, dass Freude, Irritation und Entsetzen sich beim Betrachter stetig abwechseln. Kaum eine Arbeit, die nicht sofort als Blickfänger taugt. Yvonne Dröge Wendel etwa schickt seit geraumer Zeit einen großen Ballon, verkleidet mit schwarzer Merinowolle, über die Kontinente und lässt ihn sowohl in Museen als auch im öffentlichen Raum auf der Straße rollen. Die Menschen können ihn berühren, sich an ihn schmiegen, machen Selfies mit ihm, lassen sich von ihm überrollen.

Marten Vanden Eynde machte aus Plastikmüll eine Skulptur.

Marten Vanden Eynde machte aus Plastikmüll eine Skulptur.

Der Ballon steht dabei als „Black Ball“ für ein zur Kugel gewordenes schwarzes Loch, das alles sein kann und eine geradezu magische Faszination auf die Menschen ausübt – wie so viele Dinge.

Öffnungszeiten

„Liebes Ding – Obejct Love“ wird am Sonntag, 26. Januar, um 12 Uhr eröffnet und ist bis zum 26. April im Museum Morsbroich zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, ebenso feiertags. Am so genannten „Sparda-Tag“ (Sponsorentag) ist der Eintritt fei. Weitere Infos: www.museum-morsbroich.de.

Anschmiegen, berühren, überrollen: Gar nicht allzu weit ist es von hier aus zu jenen Videos, in denen Kathrin Ahäuser Menschen porträtiert, deren Leben sich um eine „Object Love“ dreht, sprich: Sie lieben einen Gegenstand – einen Notenständer, einen Laptop, einen bestimmten Typ Flugzeug – und sehen diese Objekte als Lebenspartner an.

Andreas Gurskys „Prada“-Altar

Andreas Gursky wiederum zeigt auf seinem Foto „Prada“ Schuhe der gleichnamigen Edelmarke, die wie Heiligkeiten auf einem Altar präsentiert werden. Gleich daneben befindet sich die „Superbitch Bag“, die „Supertussi Tasche“ des Künstlers Ted Noten, die mit silbernem Revolver ein wundervollen Verweis auf die Kombination aus Besitz, Status und des Kampfes um Objekte darstellt. Melanie Bonajo inszenierte sich selber als Mensch, der gefesselt und rundum eingeschnürt ist von Alltagsgegenständen („Furniture Bondage“). Olaf Mooji hat es das Auto angetan – für viele nach wie vor das „ultimative“ Besitzobjekt: Er zeigt es auf Bildern und mit Plastiken als Träger eines riesigen Gehirns, abstreifbare Haut oder Auto-Embryos, die in Gläsern heranwachsen.

Auf die Spitze treiben das Spiel mit Massenkonsum- und Kapitalismusverweisen Marten Vanden Eynde und Karsten Bott. Eynde sammelte über Jahre Plastikmüll im Meer und schmolz diesen zu einer Skulptur zusammen. Bott hortet – beinahe wahllos – Gegenstände der Trivialkultur. Was so viel bedeutet wie: alles, was er greifen kann. Einen 60 Quadratmeter großen Raum hat er damit ausgelegt – und ein wunderbares Zeugnis des Massenkonsums und der Objektflut dieser Welt kreiert.

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