2 Stunden in SchlebuschWarum die Lindenstraße nicht mehr Lindenstraße heißen darf

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Bis in die 1970er Jahre hieß die Felix-von-Roll-Straße Lindenstraße und Linden prägen immer noch ihr Bild.

Leverkusen – Was für eine Ruhe diese Parkanlage am Freitagvormittag ausstrahlt! Ich bin wirklich überrascht, inmitten eines Wohngebietes nah am Zentrum von Schlebusch einen solchen Erholungsraum vorzufinden.

Ich muss ja zugeben, bei der Zielsuche für unsere Sommerserie mit dem Dartpfeil bewusst in Richtung Schlebusch gezielt zu haben. Dann hat es mich doch überrascht, als der Pfeil auf dem Stadtplan an der Felix-von-Roll-Straße einschlug. Vielleicht eine Herausforderung, so nah am Wohnort meiner Kindheit getroffen zu haben, um dort wieder Neues zu erleben. Ich bin fündig geworden.

Zur Serie

In unserer Serie „2 Stunden...“ werfen die Autorinnen und Autoren mit einem Dartpfeil auf eine Landkarte von Leverkusen. Wo auch immer der Pfeil landet, verbringen sie zwei Stunden. Sie erkunden den Zufallsort, treffen auf fremde Menschen, erleben Ungewohntes, Schönes und Skurriles – und erzählen davon.

Die Gegend kannte ich mal ganz genau, schließlich habe ich in der Kindheit mit meinen Eltern gut fünf Jahre lang an der von-Diergardt-Straße / Ecke Bergische Landstraße gewohnt und bin in die Morsbroicher Straße zur Grundschule gegangen. Natürlich habe ich die Gegend immer mal wieder gesehen, aber so tief, bis in den Hinterhof, war ich nie wieder vorgedrungen.

Namensänderung: Ein Teil des Deals bei der Eingemeindung

Seinerzeit hieß die Felix-von-Roll-Straße noch Lindenstraße. Diesen Namen abzugeben war ein Teil des Deals bei der Eingemeindung der Kreisstadt Opladen. Namensdoppelungen galt es zu vermeiden, da wurde gefeilscht und schließlich aufgeteilt.

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Eine Schaufensterpuppe blickt aus dem Treppenhaus eines Wohnhauses auf Vorbeigehende herab.

Eine Leverkusener Lindenstraße gibt es immer noch, nur liegt die jetzt in Pattscheid. Der neue Name Felix von Roll stammt, so weist es die Beschilderung aus, von einem Vertreter des Deutschen Ritterordens aus dem 18. Jahrhundert. Die Linden sind nicht verschwunden, sie säumen die ehemalige Lindenstraße in Schlebusch immer noch.

Doch wo heute das attraktive Wohngebiet liegt, war zu meiner Kinderzeit noch das Fabrikgelände der ETAG, der Elberfelder Textil-Aktiengesellschaft, die 1971 stillgelegt und ein paar Jahre später abgerissen worden ist.

Von Anfang der 1990er bis Ende der 2000er Jahre wuchs auf dem Gelände zwischen Morsbroicher Straße und Gezelinallee, Felix-von-Roll-Straße und Hermann-Waibel-Straße das komfortable und zentrumsnahe Wohngebiet, durchgehend begrünt und zugleich nur wenige Minuten Fußweg von der Fußgängerzone Bergische Landstraße entfernt.

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Anna Wolf besucht mir ihrer kleinen Tochter gern den Spielplatz im Herzen des Wohngebietes.

Anna Wolf weiß das zu schätzen – und kennt den Preis dafür. Seit sie vor fünf Jahren mit ihrer Familie aus Ratingen zugezogen ist, lebt sie hier mit ihrem Mann und zwei Kindern, deren Großeltern auch um die Ecke wohnen. „Die Preise sind natürlich entsprechend, und wenn doch mal eine Wohnung frei wird, muss man außerdem schon jemanden kennen, der jemanden kennt…“, ist ihre Erfahrung. Aber dass sie in fünf Minuten zu Fuß im Ortskern ist, dass die Kinder den Spielplatz ganz im Grünen erreichen, ohne eine Straße überqueren zu müssen, das hat ja auch einen Wert.

Einsatz für Großeltern

Was Thomas Hauf nur bestätigt. Er wohnt mit seiner Frau in Celle, ist aber für ein paar Tage in Leverkusen und wohnt so lange in einem Hotel in Fettehenne. Die Großeltern betreuen ihre Enkelkinder, der Sohn arbeitet jetzt im Homeoffice, die Schwiegertochter ist schwanger. Der nahe Spielplatz ist da auch eine Wohltat für Oma und Opa.

Die staunen nicht schlecht, was Leverkusen so zu bieten hat, haben schon den Neulandpark mit ihren Enkeln entdeckt, haben einen Ausflug zum Altenberger Dom unternommen und Schloss Morsbroich als nächstes auf ihrer Liste. Aber jetzt sind erstmal die Rutsche und Klettergerüst Thema.

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Ganz große Pause in den Sommerferien: Die kinderlose Grundschule Morsbroicher Straße.

Am Ende des Ruhe ausstrahlenden, geschwungenen und von Parkbänken gesäumten Weges zur Ecke Felix-von-Roll-Straße / Morsbroicher Straße gibt gerade Cathrin Schall den Gärtnern, die die Büsche beschneiden, Anweisungen, wo was zu geschehen hat. Seit 1995, also von Anfang an, lebt sie in dieser Siedlung und sitzt im Beirat der Eigentümergemeinschaft. Und sie sagt mir: „Wir haben ein Lärmproblem.“

Das habe mit der Landesgartenschau zu tun. Seinerzeit, als in Wiesdorf der Neulandpark entstand, sei auch die Idee einer grünen Wegeverbindung quer durch die Stadt vom Rhein bis nach Schlebusch verfolgt worden. Daher habe die Stadt Leverkusen ein Wegerecht quer durch die neue Wohnsiedlung in Schlebusch dafür beansprucht und dauerhaft für die Öffentlichkeit ausgewiesen.

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Die Parkanlage in dem Wohngebiet zwischen Morsbroicher Straße und Gezelinallee strahlt viel Ruhe aus - meistens jedenfalls.

Das habe mitunter negative Auswirkungen, berichtet Schall. Wenn zum Beispiel trinkende Jugendliche auf der Parkbank ihre Musik so aufdrehten, dass die Anwohner auf dem Balkon die ihre nicht mehr hören könnten. „Die Stadt sagt zwar immer, wir sollten solche Belästigungen melden, doch wenn wir das getan haben, ist noch nie etwas geschehen. Die Polizei kommt erst, wenn Drogen gehandelt oder andere Straftaten begangen werden, das Ordnungsamt aber lässt sich nicht blicken.“ Da müsse wirklich mehr geschehen.

An der Kreuzung mit der Morsbroicher Straße wird gebaut. Eine Versicherungsagentur erweitert sich. Früher hat es da mal ein Geschäft gegeben, wenn ich mich richtig erinnere. Die Gaststätte gegenüber, gut besucht von den ETAG-Beschäftigten, ist längst verschwunden. Eine Ostheopatie-Praxis ist dort in einen Neubau eingezogen.

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Die Parkregelung für den Schlebuscher Marktplatz - übersichtlich geht anders.

Wenige Meter weiter liegt der Schlebuscher Marktplatz. Ein ganzer Schilderwald an der Zufahrt stiftet Verwirrung über dessen korrekte Nutzung als Parkplatz. Nur wenige Stellplätze sind an diesem Ferienfreitag überhaupt genutzt.

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Allerdings findet ja auch kein Schulbetrieb an der Morsbroicher Straße statt, selbst der gut ausgestattete Spielplatz liegt völlig brach. Und das Evangelische Gemeindezentrum an der Martin-Luther-Straße hat seine Ferienfreizeit, die an diesem Tag endet, ja auch nach Alkenrath verlegt. Entsprechend brach liegt der Platz, auf dem auch das Marktgeschehen mittwochs und samstags nur noch ein Schatten früherer Jahre ist.

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Still ruht der Schlebuscher Marktplatz - fast immer.

Nahezu lautlos verlässt ein elektrisch angetriebener Volvo den videoüberwachten Firmenparkplatz einer Anwaltskanzlei. Die sommerliche Stille in der zweiten Reihe von Schlebusch kann schon beeindruckend sein.

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