Für 275 Millionen EuroBayer baut in Leverkusen ein Werk, das Maßstäbe setzen soll

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Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem neuen Arzneimittelwerk des Bayer-Konzerns in seinem Rücken.

Leverkusen – Eine „lernende Fabrik“ soll das Signal sein für Bayers Aufbruch – am Standort Leverkusen. Der Konzern wird für seinen neuen Tablettenbetrieb, der im Chempark neben dem Kabelwerk von NKT errichtet wird, nach heutigen Berechnungen 275 Millionen Euro ausgeben. Dafür bekommt Bayer eine Produktion, die in mancher Hinsicht „führend in der Welt“ sein wird, sagte am Freitag, 13. Mai, Werner Baumann. Der Vorstandschef unterstrich auf dem Richtfest, dass der Bau Teil eines Zukunftsprojekts ist, das den deutschen Standorten binnen drei Jahren rund eine Milliarde Euro an Investitionen bescheren wird.

Erst vor zwei Monaten sei das endgültig festgezurrt worden, sagte später Heike Hausfeld, die neue Vorsitzende des Konzernbetriebsrats. Das bedeute nach Jahren, in denen Bayer in Leverkusen und an seinen anderen deutschen Standorten immer weiter Stellen gestrichen hatte, „wieder wachsende Beschäftigung“. Der neue Tablettenbetrieb, an dem Forschungen von nebenan so schnell in Produkte verwandelt werden sollen wie nie, verschaffe der Belegschaft „dringend benötigte Orientierung“, unterstrich Hausfeld.

Zukunftskommision gegründet

Am Zukunftskonzept soll bei Bayer kontinuierlich gearbeitet werden, ergänzte die Betriebsratsvorsitzende. Sie sitzt in einer dafür gegründeten Kommission – zusammen mit Sarena Lin, der Arbeitsdirektorin von Bayer. Das Gremium sei auch Beleg dafür, dass bei Bayer die alte Firmenkultur weiterhin gelebt werde: „Wir halten uns an Vereinbarungen.“

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Ein Zeichen für Wertschätzung und Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Betriebsrat lässt sich auch aus der Richtfest-Regie vom Freitag lesen: Es war nämlich nicht Bundeskanzler Olaf Scholz, der Vorstandschef Baumann auf der Rednerliste folgte. Es war Heike Hausfeld, die dem Kanzler und seinem Gesundheitsminister Karl Lauterbach den Auftrag mitgab, dass „die Bundesregierung Zukunftstechnologien nicht nur ermöglicht, sondern auch fördert“.

Lob vom Kanzler

Eine unmittelbare Antwort bekam die Betriebsrätin nicht, aber Scholz zeigte sich bewusst, dass die Chemie- und Pharma-Industrie in der Klimawende „besonders herausgefordert“ sei. Wenn Bayer nun einen ganz wichtigen Teil seiner Arzneiproduktion fest in Leverkusen und in anderen deutschen Werken verankere, sei das „der richtige Schritt in der richtigen Zeit“: Die Corona-Pandemie, aber auch der russische Angriff auf die Ukraine zeige in dramatischer Weise, dass Deutschland mehr Autarkie benötige – und damit meinte der Kanzler nicht nur Öl, Kohle und Erdgas. Fraglos aber „zwingt der Krieg uns, globale Herausforderungen schneller anzugehen“. Er versprach, dass Genehmigungszeiten „halbiert“ werden . Das helfe auf dem Weg zum Ziel, dass Deutschland „auch in zehn, 20, 50 Jahren ein hochinnovatives Land ist – ein Industrieland“.

Bundeskanzler Olaf Scholz Bayer Leverkusen

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht anlässlich des Richtfestes eines neuen Bayer-Arzneimittelwerks in Leverkusen.

Wie innovativ Solida 1 ist, die neue Tablettenfabrik, erklärten vor dem eigentlichen Festakt Vertreter der Baufirmen und des Bauherrn. Armin Knors von Bayers Technologiesparte hob die enge Zusammenarbeit zwischen Wirkstoff-Entwicklung und Produktion hervor, die in dem neuen und leicht vergrößerbaren Komplex verwirklicht werden soll. Die „lernende Fabrik“ werde die Fertigung im neuen Feststoffbetrieb auf eine neue Stufe heben, Deutschland werde, wenn die Produktion immer weiter so optimiert werden kann, wie man sich das bei Bayer vorstellt, „eine ganz andere Rolle spielen“, so Knors.

Arbeitskleidung Datenbrille

Damit das klappt, ist eine Menge Innovation erforderlich, von der die Belegschaft in ihrem Arbeitsalltag viel mitbekommen wird. Dass ferngesteuerte Stapler Vorprodukte zu Maschinen fahren, kennt man schon bei der Arzneimittel-Herstellung. Dass Roboter den nächsten Schritt übernehmen und die Fertigung so eng elektronisch überwacht wird, dass der Mensch viel schneller eingreifen und sie optimieren kann, ist hingegen neu. Die Datenbrille werde in Solida 1 zur Arbeitskleidung gehören, hieß es.

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Eintrag in Bayers Gästebuch: Bundeskanzler Olaf Scholz mit (von links) Sarena Lin, Heike Hausfeld, Norbert Winkeljohann und Werner Baumann

Damit das alles klappt, hat Bayer Bau- und Technikspezialisten zusammengeholt, zudem die Belegschaft des heutigen Feststoffbetriebs dazu geholt. Zu den Spezialisten gehört die Bergisch-Gladbach-Filiale des beim Bau der Rheinbrücke in Ungnade gefallenen österreichischen Baukonzerns Porr. Dessen Vorstand und Mitinhaber Heinz Strauss berichtete, dass es für den Bau von Reinräumen außer seinem gerade noch ein Unternehmen in Europa gebe, das so etwas könne.

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Andreas Mainka erinnerte an „eine kleine Tankstelle“, mit der 1999 die Zusammenarbeit mit Bayer begonnen habe. Es sei entscheidend gewesen, dass die Partner – dazu zählen noch der Technologie-Spezialist Glatt und Siemens – fast ein Jahr Zeit für die Vorbereitung des Baus hatten. Das sei enorm wichtig für eine Zusammenarbeit, die Uwe Bartmann von Siemens als „vertrauensvoll, aber nicht reibungsfrei“ bezeichnete. Diese Beschreibung hätte auch von der Betriebsrätin Heike Hausfeld kommen können, wenn es darum geht, die deutschen Bayer-Werke an die technologische Spitze zu bringen.

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