Baudezernentin Deppe wird das finanzielle Desaster um die Rettungsdienstfinanzierung von Leverkusen zur Last gelegt.
Rettungsdienst-FiaskoLeverkusener Dezernentin Andrea Deppe von Dienstgeschäften entbunden

Andrea Deppe ist von ihren Dienstgeschäften entbunden worden.
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Das Urteil über das Schicksal der Baudezernentin kam am Samstagmorgen um 5.35 Uhr. Zu dieser frühen Stunde sei eine Mail des Gutachters eingegangen, der im Auftrag der Stadt das Rettungsdienstthema behandelt. Das Testat habe „Hinweise auf eine Dienstpflichtverletzung“ der verantwortlichen Dezernentin Andrea Deppe enthalten. Das berichtete Oberbürgermeister Uwe Richrath am Montagnachmittag dem Stadtrat. In der Folge habe er die Dezernentin von ihren Dienstpflichten entbunden. In der Sitzung des Stadtrats, die um 14 Uhr begann, war Deppe schon nicht mehr aufgetreten.
Das hatte Fragen aufgeworfen bei den Stadtverordneten. Die blieben zweieinhalb Stunden lang unbeantwortet. Dass Deppe suspendiert ist, erfuhren die Politiker aus dem Internetauftritt des „Leverkusener Anzeiger“. Das sorgte für einige Empörung.
Richrath ging darauf nicht ein, sondern betrieb Aufklärung in der Sache. Im Zusammenhang mit den Gebühren für den Rettungsdienst seien „schwerwiegende Fehler“ gemacht worden, ergänzte er. Das Minus von reichlich 78 Millionen Euro, das in der Sache bislang aufgelaufen ist, sei „nicht zu entschuldigen“. Es müsse jetzt um größtmögliche Schadensbegrenzung gehen.
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Richrath ergänzt die Chronik um wichtige Details
Richrath räumte ein, dass nach 2022 bei den Gebührensatzungen „eine Lücke“ entstanden sei. Der Oberbürgermeister berichtete auch von Korrespondenz zwischen dem Rechnungsprüfungsamt und der Feuerwehr aus dem Herbst 2024 und aus diesem Jahr. Involviert sei auch die Kämmerei gewesen und die habe „Fehler entdeckt“. Aus seiner Sicht ist der Schaden „nicht rückgängig zu machen“, die Stadtverwaltung könne jetzt nur in die Zukunft schauen – und allenfalls ein paar Wochen zurück: So schnell wie möglich – das ist allerdings erst Ende Oktober – soll Leverkusen eine neue Satzung über die Rettungsdienstgebühren bekommen, und diese soll rückwirkend zum 1. Juli in Kraft treten.
In Zukunft, das kündigte der Oberbürgermeister an, soll die Kämmerei grundsätzlich mit Gebührenfragen in der Stadtverwaltung befasst werden. Der „immense Schaden“ resultiere auch aus fehlendem Controlling. Das dürfte sich nicht wiederholen.
Der politische Druck auf Andrea Deppe war am Sonntag noch einmal drastisch gestiegen: Die Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Milanie Kreutz, berichtete von ihrem Plan, einen Abwahlantrag einzubringen. Dieses Vorhaben brachte sie auch in der Ratssitzung vor. Auch die Grünen, auf deren Ticket Deppe läuft, waren etwas von ihr abgerückt und hatten ein Disziplinarverfahren gefordert.
Grüne stellt Vorschlagsrecht für Dezernenten infrage
Fraktionschefin Claudia Wiese stellte überdies die Frage, ob das Vorschlagsrecht der politischen Parteien bei der Auswahl von Dezernentinnen und Dezernenten noch zeitgemäß sei. Die Methode sei „fragwürdig“. Es stört die Grüne erkennbar, dass die nun ihres Amtes enthobene Baudezernentin stets mit ihrer Partei in Verbindung gebracht wird. Dabei ist Deppe noch nicht einmal Mitglied der Grünen.
Stephan Adams von Opladen Plus nahm die Bemerkung von Wiese zurückhaltend auf. „Abwarten, wie das in Zukunft läuft“, sagte er mit Blick auf wahrscheinlich zwei bald anstehende Dezernenten-Auswahlen.
Im Gegensatz zu den Politikern waren die betroffenen Dezernatsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zuvor informiert worden, Deppes Aufgaben sollen die verbleibenden Dezernenten Marc Adomat und Alexander Lünenbach, der soeben wiedergewählt worden ist, übernehmen. Dabei geht es zum einen um die Kämmerei, die Deppe interimistisch führte, seit Michael Molitor ebenfalls wegen eines Disziplinarverfahrens aus dem Amt entfernt wurde. Deppes ursprüngliches, also das Baudezernat, geht vorübergehend in die Hände von Lünenbach über.
Hintergrund ist die wahrscheinliche finanzielle Misswirtschaft bei der Finanzierung des Rettungsdienstes, die in der Verantwortlichkeit von Andrea Deppe liegt. Die Stadt hatte offenbar jahrelang gewisse Kosten nicht mit den Krankenkassen abgerechnet. Die letzte Gebührensatzung wurde 2022 erstellt. Die Satzung stellt die Grundlage für die Abrechnung mit den Kassen dar. Ein externer Gutachter hatte vergangene Woche im Rechnungsprüfungsausschuss öffentlich gemacht, dass sich das Defizit für die Stadt auf rund 78 Millionen Euro belaufen könnte. Und mit jedem vergehenden Monat steige der Schaden um weitere 1,4 Millionen Euro. Eine Summe, die der OB in seiner Stellungnahme in Zweifel stellte.
Die SPD hatte sich bereits 2021 bezüglich des Themas an die Verwaltung gewandt, ohne dass etwas passiert ist. OB Uwe Richrath hatte im Finanzausschuss in der vergangenen Woche „mögliche handwerkliche Fehler“ eingeräumt und Deppe die Rettungsdienstfinanzierung entzogen.
Mit der vorläufigen Entlassung verliert die Stadtverwaltung innerhalb weniger Wochen die zweite Führungskraft. Denn gegen Kämmerer Michael Molitor läuft ebenfalls ein Disziplinarverfahren, nachdem der in einem Brief, den CDU-Fraktionschef Stefan Hebbel öffentlich in der Ratssitzung Anfang Juli vorgelesen hatte, Deppe und Richrath hart angegangen war.
Das Gebührendesaster im Rettungsdienst soll auch Folgen für das Projekt Feuerwache Nord haben. Die CDU will, dass alle Planungen aufgeschoben werden, bis Klarheit darüber herrscht, wie der Dienst mit den Krankenkassen abgerechnet werden kann. Es soll also nicht weiter am entsprechenden Bebauungsplan gearbeitet werden. Auch Grundstücke sollen nicht gesichert oder gekauft werden. Jegliche Ausschreibung zur Planung oder zu Machbarkeitsstudien zur Wache, die am Rand von Opladen auf den Heunen gebaut werden soll, müssten warten.
Weil die Kosten für eine Rettungswache auch in die Kalkulation der Gebühren für den Rettungsdienst einfließen, soll die Verwaltung darüber detaillierte Aussagen machen.