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Lesung im Freudenthaler SensenhammerVon mutigen Frauen zur NS-Zeit

3 min
Autorin Elle van Rijn tritt auf dem Literarischen Sommer auf. Oliver Vogt (r.) liest aus ihrem Buch.

Autorin Elle van Rijn tritt auf dem Literarischen Sommer auf. Oliver Vogt (r.) liest aus ihrem Buch.

Die Autorin Elle van Rijn präsentierte ihren Roman „Für Angst blieb keine Zeit“ in Leverkusen.

Authentisch, alltäglich, einfach und verständlich wirkt die Geschichte, die Elle van Rijn in ihrem Roman „Für Angst blieb keine Zeit“ erzählt. Dabei ist ihr Inhalt alles andere als einfach: Durch die Linse der Protagonistin Betty Oudkerk schildert van Rijn die Geschichte jüdischer Kinderpflegerinnen, die zur Zeit des Nationalsozialismus ein Netzwerk des Widerstandes aufgebaut hatten. Die jungen Frauen strichen Kindernamen von Deportationslisten, um sie in Sicherheit bringen zu können.

Am Mittwoch trat van Rijn mit ihrem historischen Roman im Rahmen des Literarischen Sommers im Freundenthaler Sensenhammer in Schlebusch auf. Das Literaturevent zielt darauf ab, einen Austausch zwischen niederländischer und deutscher Literatur zu schaffen. Ihr Buch hat van Rijn bereits 2020 auf Niederländisch veröffentlicht, in diesem Jahr erschien die deutsche Übersetzung. Sie selbst sagt, sie habe nicht damit gerechnet, dass ihr Werk in Deutschland so gut aufgenommen werde.

Ich habe mir gedacht: Wie ist es möglich, dass so eine Widerstandsaktion unbekannt geblieben ist?
Elle van Rijn, Autorin

Vor einigen Jahren hörte die niederländische Schauspielerin im Radio von den Taten der Amsterdamer Kinderpflegerinnen. Im Austausch mit ihrem Umfeld bemerkte sie schnell, wie unbekannt die Geschichte war. „Ich habe mir gedacht: Wie ist es möglich, dass so eine Widerstandsaktion unbekannt geblieben ist?“, sagt sie und weiter: „Ich wollte diese Geschichte weitergeben, weil sie ein positives Beispiel für unsere Kinder ist.“

Als Bürgerinnen und Bürger hätte man in politisch angespannten Situationen oftmals das Gefühl, keine Wahl zu haben, berichtet van Rijn. „Aber man hat als Bürger eine Wahl: Etwas zu tun oder zuzusehen und nichts zu tun“, sagt sie. Die Schauspielerin plante aus ihrer Entdeckung eine Drama-Serie zu produzieren. Nach ausgiebiger Recherche entschied sie sich allerdings, die Begebenheiten als Literatur zu verpacken.

Mit Betty Oudkerk habe sie die optimale Protagonistin gefunden – wagemutig und mit Ecken und Kanten. Elle van Rijn hatte noch die Möglichkeit, sich mit Oudkerk zu treffen, bevor diese im Juni 2020 im Alter von 96 Jahren starb. Mit den gewonnenen Erkenntnissen aus ihren Recherchen hätte van Rijn durchaus auch ein Sachbuch schreiben können, doch sie entschied sich bewusst für einen historischen Roman. „Es gibt nichts Intimeres, als in den Kopf einer Person zu gelangen“, findet die 58-Jährige, „Fiktion macht die Geschichte stärker.“

Drama-Serie zu dem historischen Roman könnte noch folgen

Es ist wohl das Spielen mit Fiktion und Realität, das historische Romane wie van Rijns „Für Angst blieb keine Zeit“ faszinierend macht. Die Autorin selbst ist davon überzeugt, dass ihr Roman dabei nicht nur die vergangene Realität einfängt, sondern auch auf aktuelle Realitäten verweist. Es sei ein häufiges, gesellschaftliches Phänomen, dass Zeichen in der Politik nicht erkannt und im Nachhinein aber gesagt würde: „Das kann doch nicht sein, dass die Leute nicht gehandelt haben.“

Ihr historischer Roman dokumentiert das Gegenteil: Eine Gruppe jüdischer Frauen, die sehen und mutig handeln. Elle van Rijn beschreibt ihr Buch klar und kompakt: „Es geht um Heldhaftigkeit“, sagt sie. In Aussicht ist wohl auch, dass diese Geschichte der „Heldhaftigkeit“ noch zusätzlich als Drama-Serie erscheint – so wie es ursprünglich geplant war.