Leverkusens FinanzenDie Stadt will Millionen in neues Personal investieren

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Leere Arbeitsplätze im Bürgerbüro in den Luminaden

Leere Arbeitsplätze im Bürgerbüro in den Luminaden

Die Verwaltungsspitze legt dem Rat einen ausgeglichenen Haushaltsplan für 2023 vor. Mehr als 200 neue Stellen sind geplant.

Ein ausgeglichener Haushaltsplanentwurf für 2023 und eine überzeugende Finanzplanung für die folgenden Jahre bis 2026 – was Oberbürgermeister Uwe Richrath und Stadtkämmerer Michael Molitor für die Beratungen in den politischen Gremien der Stadt am Montagnachmittag im Rat eingebracht haben, klingt belastbarer als es eigentlich sein kann. Denn im Dauerkrisenmodus ist eine kommunale Finanzplanung in Leverkusen wie derzeit überall eine Rechnung mit zahlreichen Unbekannten.

Es gehe ihm darum, die Stadt widerstandsfähig zu machen, führte OB Richrath in seiner Haushaltsrede aus. „Bisher hat Leverkusen seine Aufgaben in der Krisenbewältigung gut gemacht. Nach wie vor sind wir solide aufgestellt.“ Darüber hinaus habe sich Leverkusen als Industriestandort stabilisiert und mit dynamischer Entwicklung unter den deutschen Großstädten profiliert, ja, entgegen aller Abwärtstrends in einer Vergleichsstudie des Instituts der Deutschen Wirtschaft sogar auf vorderen Plätzen positioniert.

Der Chempark mit rauchenden Schornsteinen im Abendlicht

Auch die Unternehmen im Chempark sorgen für hohe Gewerbesteuereinnahmen in Leverkusen.

Leidenschaftlich verteidigte Richrath, wie danach auch Molitor, die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 250 Punkte. „Sie rettete die Stadt vor einem finanziellen Waterloo“, so Richrath. Sie sei „überlebenswichtig“ gewesen, sagte Molitor. Das bescherte der Stadt im Jahr 2022 eine Einnahme von erstmals mehr als 200 Millionen Euro allein in diesem Sektor. Für das laufende Jahr wird mit einer noch höheren Summe gerechnet.

24 Millionen Euro aus der Rücklage

Dennoch stehen im Haushaltsplanentwurf 2023 Erträge von 846 Millionen Euro Ausgaben von 870 Millionen gegenüber. Die Differenz muss aus den Rücklagen beglichen werden, womit das eben noch gut gefütterte städtische Sparschwein dann geschlachtet ist. Und überhaupt ist diese Abrechnung allein wegen der rechtlich zulässigen Isolation von Verlusten infolge von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg möglich. Dabei hat Leverkusen so ganz nebenbei einen Schuldenberg von inzwischen rund 500 Millionen Euro angehäuft, der von 2026 an in Raten von zehn Millionen Euro jährlich abgetragen werden muss.

Kämmerer Michael Molitor während seiner Etatrede im Ratssaal.

Kämmerer Michael Molitor

Diese Finanzplanung sei zugegebener Maßen „auf Kante genäht“, räumte Kämmerer Molitor ein, das lasse „keine Spielräume für ‚Wünsch-dir-was-Aktionen‘“. Zumal Leverkusen sich mit allen Kräften darum bemühen will, eine Strafsteuer des Landes NRW abzuwehren. Die droht, weil die schwarz-grüne Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag „negative Schlüsselzuweisungen“ für Kommunen mit einem besonders niedrigen Gewerbesteuerhebesatz vereinbart hat.

Sorge um „Strafsteuer“

Betroffen wäre unter den Großstädten neben Leverkusen allein die Landeshauptstadt Düsseldorf. Bis zu einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag könnte Leverkusen dann im kommunalen Finanzausgleich zur Kasse gebeten werden. Der aktuelle Entwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2024 sieht dies so vor. Dem will die Stadtspitze entgegenwirken und hat auch die ortsansässige Industrie motiviert, ihre Lobbyisten dagegen in Gang zu setzen. Schließlich dürfe die Stadt nicht dafür bestraft werden, dass sie den Wirtschaftsstandort stärke und für diesen eine gute Infrastruktur bereitstelle.

Leverkusen werde daher auch nicht unter dem Druck des Landes seine Gewerbesteuer heraufsetzen und somit wortbrüchig, sondern hoffe gerade in diesem Bereich auf weitere Einnahme-Steigerungen, auch durch Neuansiedlungen. Die Grundsteuer B werde ebenfalls nicht erhöht, allerdings müsse in dieser Situation das Versprechen, diese baldmöglichst zu senken, noch einmal zurückgestellt werden. 

Deutliche Mehrausgaben plant die Stadt Leverkusen in diesem Jahr bei den Personalausgaben. 212 zusätzliche Planstellen sind gegenüber dem Vorjahr vorgesehen, vorrangig für Kitas und Schulen sowie bürgerorientierte Servicebereiche der Verwaltung. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Stellen im Katastrophenschutz und bei der Feuerwehr. Betrug der Personaletat 2021 noch 157 Millionen Euro, werden es in diesem Jahr 178 Millionen sein und 2026 sind 182 Millionen kalkuliert.

Wettbewerb um Fachkräfte

Angesichts des Fachkräftemangels und des inzwischen harten Wettbewerbs von Kommunen um Beschäftigte, will sich Leverkusen noch stärker als attraktiver Arbeitgeber positionieren, um gute Kräfte anzuwerben und zu halten. Aufgrund der demografischen Entwicklung, dass nun die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand wechseln, muss die Stadt rechtzeitig Vorsorge treffen. Was einhergehen muss mit der fälligen und ebenfalls kostspieligen Digitalisierung vieler Verwaltungsvorgänge, die sonst nicht mehr zu schaffen sind. 

Auch im investiven Bereich muss die Stadt tiefer in die Tasche greifen. Rund 100 Millionen Euro sind allein für Sanierungen und Erweiterungen an Schulbauten vorgesehen. Ebenso hat der stadtweite Kita-Ausbau für OB Richrath „oberste Priorität“. 

Verärgert zeigte sich Oberbürgermeister Richrath gegen Ende seiner Haushaltsrede und am Vortag der geplanten „Keinen-Meter-mehr“-Demonstration in Wiesdorf noch einmal über die „unsachgemäße Bundespolitik“ des Verkehrsministeriums in Berlin in Sachen Autobahnausbau in Leverkusen. Während Leverkusen viel Geld in eine zukunftsweisende Mobilität, Klimaschutz und Klimaresilienz stecke, „führt die vom Bund betriebene Verkehrspolitik dies ad absurdum und beschädigt durch ihre Vorhaben Lebensqualität und Standortvorteile nachhaltig“.

So sei Leverkusen nur „eines von vielen Beispielen, die einem flächenfressenden und unzeitgemäßen Autobahnausbau zum Opfer fallen sollen“.  Die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium sollten endlich Verantwortung übernehmen für die Menschen in Leverkusen. „Es ist nicht die richtige Zeit für eine folgenschwere Geiz-ist-geil-Politik“, so Richrath. Leverkusen müsse „diesem zerstörerischen Bauvorhaben mit Ausdauer und starkem Willen einen nachdrücklichen und friedlichen Protest entgegensetzen“. 

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