Runder TischPolizei spricht mit Hambach-Aktivistin über Gewalt und Protest

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Umweltaktivistin Antje Grothus im Gespräch mit dem Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach (r.) und Udo Behrendes.

Umweltaktivistin Antje Grothus im Gespräch mit dem Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach (r.) und Udo Behrendes.

Gimborn – Die Polizeieinsätze im Hambacher Forst sind vielen Beamten nahe gegangen. Auch unter den Teilnehmern des Seminars „Demonstration und Protest – Eskalation und Deeskalation und die Rolle der Polizei“, das noch bis Freitag im Informations- und Bildungszentrum (IBZ) Schloss Gimborn stattfindet, sind Beamte, die von gewaltbereiten Aktivisten mit Fäkalien beworfen wurden. Am Montag, den 2. Dezember trafen sie bei einer Podiumsdiskussion mit Antje Grothus auf das Gesicht der bürgerlichen Bewegung gegen die Ausweitung des rheinischen Braunkohlereviers. Der Tag zeigte, in welcher Zwickmühle sich viele Polizisten, aber auch Demonstranten sehen.

Hoffnung auf Verständnis

Grothus distanzierte sich von den „menschenverachtenden Methoden“, mit denen einige Aktivisten den Polizeibeamten in der Vergangenheit begegnet seien. Sie machte aber auch deutlich, dass es für die friedlichen Demonstranten kaum möglich sei, die Gewaltbereiten von ihrem Tun abzubringen. Zu viele Gruppierungen, darunter auch Autonome, engagierten sich mittlerweile für den Erhalt des Hambacher Waldes – oder nutzen die Proteste schlichtweg, um Krawall zu machen.

Doch Grothus klagte auch an. Sie berichtete von unnötigen Körperabtastungen friedlicher Aktivisten durch Beamte, von zu massivem Auftreten von Polizeikräften und von ihrer Ansicht nach unnötigen Räumungsaktionen. Sie appellierte an die in Gimborn versammelten Polizisten, den Demonstranten menschlich zu begegnen. Jeder einzelne Beamte im Hambacher Forst solle sich doch fragen, ob sein Vorgehen rechtlich und moralisch zu verantworten ist.

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Diese Forderung wies der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach als unrealistisch zurück: Würde jeder Polizist eigene Entscheidungen treffen, bräche der Rechtsstaat zusammen. Aachen ist seit 2016 für die Einsätze im Hambacher Wald zuständig, nachdem dort vier Jahre zuvor die erste Räumungsaktion von Baumhäusern stattfand. Weinspach ließ die vielen Einsätze Revue passieren, bei denen die Polizei bisweilen kein gutes Bild abgegeben habe: Bei einer Großaktion 2015 sei es zu unprofessionell wirkenden Verfolgungsszenen und massenhaften Festnahmen gekommen – die aber keine einzige Verurteilung zur Folge hatten.

Politische Einsätze

In den vergangenen Jahren seien die Einsätze auch politisch gewollt gewesen, erklärte Weinspach. Das Problem sei dabei die fehlende Rechtssicherheit. Nach wie vor sei offen, ob RWE den Wald tatsächlich roden darf. Zudem beklagte der Polizeipräsident, dass es einsatztaktisch keinen Sinn mache, den Forst zu räumen, wenn er nicht auch gleich abgeholzt werde.

Im Gespräch mit Moderator Udo Behrendes, ehemaliger Leitender Polizeidirektor in Köln, wurde deutlich, dass sich einige Polizisten als Spielball der Politik sehen. Schwierig werden die Einsätze dann besonders für diejenigen Beamte, die das Ansinnen der Demonstranten – den Erhalt des Forstes – gut nachvollziehen können. Und sie müssen trotzdem ihren Job machen. Am Rande der Diskussion sagten zwei Polizisten, was sie sich von der Begegnung mit den Aktivisten erhoffen: „gegenseitiges Verständnis“, „eine Entspannung der Lage“.

Am Nachmittag trafen die 25 Beamten aus ganz Nordrhein-Westfalen auf Aktivisten von „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“, um sich mit neuen Formen internationaler Protestbewegungen zu beschäftigen.

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