Wasserkraft statt KohleTanks im Hambach-See könnten Kraftwerke ersetzen

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Der Tagebau Hambach soll eines Tages mit Wasser aufgefüllt werden und zum Baden einladen. Wissenschaftler haben dabei noch mehr Ideen, wofür das Wasser genutzt werden kann.

Der Tagebau Hambach soll eines Tages mit Wasser aufgefüllt werden und zum Baden einladen. Wissenschaftler haben dabei noch mehr Ideen, wofür das Wasser genutzt werden kann.

  • Es klingt wie eine Vision. Ist es aber offenbar nicht.
  • Mit großen Wassertanks könnte im geplanten Restsee des Tagebaus Hambach so viel Strom erzeugt werden wie die umliegenden Braunkohlekraftwerke derzeit produzieren.
  • Das behaupten der Saarbrücker Physiker Gerhard Luther (Saar-Universität) und sein Frankfurter Kollege Professor Horst Schmidt-Böcking (Goethe-Universität).

Elsdorf – Das Prinzip ist einfach. Wenn die Erneuerbaren Energien mittels Sonne und Wind genug Strom produzieren, werden die Betontanks, die auf dem See-grund liegen, leergepumpt. Fehlt der Ökostrom, werden die Tanks mittels des vorher erzeugten Unterdrucks geflutet, das Wasser fließt an Turbinen vorbei, die ähnlich einem Fahrraddynamo Strom erzeugen, der Lücken in der Energieversorgung bei Bedarf schließt. In überregionalen Presseberichten wurde dargestellt, dass, um genügend Energie erzeugen zu können, der Tagebau Hambach auf 1000 Meter Tiefe (zurzeit etwa 400 Meter) ausgehoben werden und die Fläche der untersten Sohle nach der Auskohlung auf das Fünffache vergrößert werden müsse. Beunruhigend für die Elsdorfer, denn um die Böschungen nicht zu steil werden zu lassen, müsste die Tagebaukante enorm ausgeweitet werden. Aus Elsdorf am See, wovon die Stadtväter und -mütter träumen, könnte dann Elsdorf im See werden.

„Es geht aber auch deutlich kleiner“

Schmidt-Böcking kann auf Nachfrage dieser Zeitung beruhigen: „Das ist unsere Vision gewesen, es geht aber auch deutlich kleiner“, sagt der Wissenschaftler. Im Gespräch mit RWE hatten sie Anfang der Woche erfahren, dass sowohl die Tiefe als auch die Ausdehnung des Geländes nicht zur Disposition stünden.

Und auch in den bestehenden Dimensionen gebe es Hürden. So sei es für die spätere Freizeitnutzung abträglich, wenn der Wasserstand um mehr als einen Meter schwanke. Die künstlichen Gezeiten entstünden eben dann, wenn die Tanks Wasser aufnehmen oder abgeben.

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RWE will Daten für Machbarkeitsstudie liefern

Immerhin redet Schmidt-Böcking von bis zu 40 Millionen Kubikmetern Wasser, die immer noch Dutzende von Tanks in einer abgespeckten Version insgesamt fassen könnten. RWE Power will, wie Sprecher Guido Steffen sagt, bei Bedarf Daten für eine Machbarkeitsstudie zu Rentabilität und Technik liefern.

In einer kleineren Dimension sei die Ein-Meter-Marke zu halten, versichert der 80-jährige experimentelle Quantenphysiker Schmidt-Böcking. Damit könne die Leistung der umliegenden Kraftwerke oder die Leistung aller bestehenden Wasserpumpspeicherkraftwerke in Deutschland mindestens erreicht werden.

Prinzip bereits 1944 zum Patent vorgeschlagen

Seit 2009 forschen Schmidt-Böcking und Luther an der Energiespeicherung, die, wie die Wissenschaftler einräumen, bereits 1944 von Forschern zum Patent vorgeschlagen worden war. „Aber da hat sich keiner dafür interessiert“, sagt Luther. Vor knapp sieben Jahren ging auf Betreiben des Fraunhofer-Instituts die Versuchsanlage im Bodensee in Betrieb, allerdings nur in einer Tiefe von 100 Metern. „Je tiefer, desto besser, weil der Druck dann steigt“, erläutert Schmidt-Böcking. Aber auch in geringerer Tiefe funktioniere das Prinzip erwiesenermaßen.

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Für die mögliche Anlage im Tagebau Hambach sei noch „viel Denk- und Planungsarbeit“ zu leisten, sagt der Physiker. Auch den Bergfachleuten von RWE, die letztlich zu entscheiden hätten, hofft er einen Denkanstoß gegeben zu haben.

Bürgermeister Andreas Heller sagte auf Nachfrage, dass „eine Ausweitung der Fläche aus Elsdorfer Sicht nicht erwünscht“ sei. „Wenn die Technik aber unsichtbar unter der Wasseroberfläche betrieben werden kann, sollte es nicht stören.“

Der Tagebau soll nach dem Kohleausstieg auf einer Fläche von 4200 Hektar als Restsee gestaltet werden. Gegen Ende des Jahrhunderts soll nach derzeitiger Planung die Befüllung abgeschlossen sein.

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