Das Stauwehr der Wasserkraftanlage Ohl-Grünscheid ließ stundenlang keinen Tropfen durch. Die Folgen waren verheerend.
WasserkraftwerkEbbe in der Agger bei Engelskirchen verursacht Fischsterben

Angler und Naturschützer schlagen Alarm: Die Agger fällt immer wieder trocken, mit verheerenden Folgen, so auch am Sonntag.
Copyright: Markus Klein
Die unendliche Geschichte von den ökologischen Kollateralschäden der Wasserkraftwerke an der Agger ist um ein dramatisches Kapitel reicher: Am Sonntag war der Durchfluss in Höhe der Anlage Ohl-Grünscheid über Stunden komplett unterbrochen, was zu einem massiven Fischsterben geführt hat.
Markus Klein ist Vorsitzender der Angelsportfreunde Engelskirchen und war am Sonntag zufällig vor Ort. Er wollte dort einem Fernsehteam des WDR von den Problemen berichten, wie der Fluss und sein Verein seit Jahren mit der Wasserkraftanlage hat und von denen in dieser Zeitung regelmäßig zu lesen war. Dann passierte es: Das Wehr ließ keinen Tropfen mehr durch, flache Uferzonen fielen plötzlich trocken, in den Kiesbänken verendeten massenhaft Jungfische, die sich nicht schnell genug in tiefe Zonen retten konnten. Darunter Bachforellen und streng geschützte Koppen.

Ungezählte Fische wurden vom Wasserablauf überrascht.
Copyright: Markus Klein
Klein unterbrach das Interview und alarmierte Polizei und Kreisumweltamt, um den ökologischen Schaden feststellen zu lassen. Die Behörden waren tatsächlich vor Ort, zeigten sich nach Kleins Darstellung aber wenig beeindruckt. Der Vereinsvorsitzende hat darum wenig Hoffnung, dass die Ämter endlich reagieren: „Ich bin am Verzweifeln.“
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Das ist ein klarer Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz und ein Totalversagen der Aufsichtsbehörden und des Umweltministeriums.
Der Verein erwäge schon, eine Webcam zu installieren, um die wechselnden Wasserstände zu dokumentieren. So oder so will er dem Betreiber der Anlage per einstweiliger Verfügung die Betriebserlaubnis entziehen lassen.
Als Klein sich am Montagmorgen einen Eindruck verschaffte, lief wieder Wasser über das Wehr, die Anlage war abgestellt, der Wasserspiegel normalisierte sich. Doch der Angler traut dem Frieden nicht. Das Dauerproblem bleibe, nämlich dass die neue Turbine in Ohl-Grünscheid auch in Trockenzeiten betriebsfähig ist, sodass dem Hauptfluss Wasser entzogen wird. „Das ist wie eine Fischfalle“, erläutert Klein: Wenn nach einem Regenschauer der Wasserstand steigt, kommen die Tiere angeschwommen. Wenn der Spiegel dann wieder abrupt absinkt, gibt es für sie kein Entkommen.
BUND sieht Skandal
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht hier einen Skandal. Für Paul Kröfges vom BUND-Regionalverband Köln ist das Vorgehen der Wasserkraftanlagenbetreiber ein „ganz klarer Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz und ein erneutes Totalversagen der Aufsichtsbehörden und des Umweltministeriums“. Diese hätten noch immer keine Mindestwasser-Regelung erlassen.
Schon vor mehr als zwei Jahren hat der NRW-Landesverband des BUND bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige erstattet gegen den Betreiber der Wasserkraftanlagen an der Agger, die Auer Holding GmbH mit Sitz in München. Dabei geht es unter anderem um Gewässerverunreinigung. Auch die Angler beklagen, dass die Anlagenbetreiber angestautes Treibgut über eine Müllrutsche einfach wieder in die Agger leiten. Inzwischen sind die Kölner nicht mehr zuständig, das Ermittlungsverfahren wird jetzt von der Zentralstelle für Umweltkriminalität bei der Staatsanwaltschaft in Dortmund weitergeführt.
Der BUND-Aktivist Paul Kröfges ärgert sich: Die Auer GmbH mache an der Agger weiterhin, was sie wolle. „Alles in allem hat man den Eindruck, dass hier in Serientätermanier gegen Gewässerschutz-Standards verstoßen wird.“ Angezeigt hatte der BUND damals, dass die Auer Holding zwecks Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage in Ohl-Grünscheid Kiesbänke ausgebaggert und eine bewachsene Kiesinsel ganz abgeräumt hat – „größtenteils ungenehmigt, ohne ausreichende Auflagen und ohne jegliche Kontrolle und Überprüfung“, wie es in der Strafanzeige heißt. Und dann sei da noch „das Theater um die nicht existente Fischtreppe in Osberghausen, die schon vor zehn Jahren als Voraussetzung für den Betrieb von Osberghausen gefordert und geplant war“.
Paul Kröfges resümiert: „Es stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen des Unternehmens die notwendige Zuverlässigkeit zum Betrieb von technischen Anlagen in sensiblen Bereichen besitzen.“ Die Auer Holding ließ eine Anfrage dieser Zeitung unbeantwortet.
„Jahrelanges Nichtstun rächt sich jetzt“
Scharfe Kritik am grünen NRW-Umweltminister Oliver Krischer übt dessen Engelskirchener Parteifreund Friedrich Meyer. Dieser ist Mitglied im Landesarbeitskreis Wasser des BUND NRW und Experte für Gewässer beim Nabu Oberberg. Das Wasserhaushaltsgesetz lege fest, dass eine bestimmte Menge Wasser im Fluss belassen werden muss, schreibt Meyer aus aktuellem Anlass. „Seit 15 Jahren verschleppen die NRW-Umweltminister hier an der Agger, diese Mindestwassermengen vorzugeben und die Durchgängigkeit anzuordnen.“
Schon Ende Februar seien auf einer Strecke von etwa 175 Meter die Wasserlebewesen vernichtet worden. Meyer berichtet von einer Erklärung des Betreibers, es habe eine Störung im Betrieb gegeben. Der Naturschützer vermutet dagegen, dass Wasser zurückgehalten wurde, um es bei höherem Strompreis wieder abzugeben. „Das Fischsterben hätte verhindert werden können, wenn die Oberste Wasserbehörde im NRW-Ministerium und die Obere Wasserbehörde in der Bezirksregierung Köln schon vor Jahren rechtskonforme Verhältnisse an der Agger hergestellt hätten.“ Er erwarte von Umweltminister Oliver Krischer, dass er der Bezirksregierung ermöglicht, dafür zu sorgen.