Fünf Jahre haben Verwaltung und Ingenieure an dem Konzept getüftelt. Nun kann jeder die Hochwassergefährdung seines Grundstücks einsehen.
Starkregen-KonzeptOberberg legt den Masterplan gegen Hochwasser vor

Das Hochwasser im Juli 2021, hier eine Aufnahme aus Lindlar-Hartegasse, hat Kreis und Kommunen darin bestärkt, dass Oberberg bei enormen Regenmengen eine Strategie braucht.
Copyright: Jens Schmitz
Schon gut 18 Monate vor den fatalen Überflutungen im Juli 2021 hatte der Umweltausschuss des Kreistags beschlossen, dass Oberberg etwas tun müsse, um gegen unwetterartige Regenfälle gewappnet zu sein. Nach und nach schlossen sich auch die Kommunen dem Plan des Kreises an – ein umfangreiches Kartenwerk sollte entstehen, das die Überflutungsgefahr für wirklich jeden Winkel des Oberbergischen darstellt.
Erste Kooperation im Kölner Regierungsbezirk
Auch die Städte Gummersbach, Wiehl, Wipperfürth und Hückeswagen, die bereits eigene Konzepte angestoßen hatten, machten schließlich mit – die Zusammenarbeit zwischen Kreis, Kommunen und Wasserverbänden war damals die erste dieser Art im Kölner Regierungsbezirk. Nun steht die Übersicht vor der Fertigstellung – sie hat den Titel „Oberbergisches Starkregenrisikomanagement“ bekommen und wurde in der vorigen Woche den Umweltpolitikern auf Kreisebene vorgestellt.
Genau genommen gehört das Thema Starkregen zu einer umfassenden Strategie, mit der der Kreis auf den Klimawandel reagieren möchte – der Schutz vor Überflutung schien den Verantwortlichen unter der Regie des oberbergischen Umweltamtes aber so drängend, dass er herausgelöst und vorrangig bearbeitet wurde.
Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut
- Nach Pannen bei der Jahrhundertflut NRW richtet Landesstelle für Katastrophenschutz ein
- Hochwasserschutz Die Stadt Bad Münstereifel installierte ein eigenes Frühwarnsystem
- Teurer Hochwasserschutz Mechernicher Bürgermeister dämpft Erwartungen der Bürger
- Fotos laden ein zur Zeitreise Als Rodenkirchen ein Rheindorf war
- Petra in Jordanien Weltkulturerbe-Stadt wegen Überschwemmungen evakuiert
- Geständnis Euskirchener wegen Fluthilfebetrug zu anderthalb Jahren Bewährungsstrafe verurteilt
- Kommentar zum Hochwasserschutz in Rösrath Vorsorge ist besser als schöne Worte
Ziel ist es, den Menschen in Oberberg einen schnellen und genauen Einblick in die Gefahrensituationen zu bieten.
Wann genau spricht man von Starkregen?
Nicht immer, wenn es stark regnet, ist es auch Starkregen. Das klingt seltsam, hat aber mit den Standards zu tun, die Meteorologen und Ingenieure an die Ursachen von Überflutungen anlegen. Starkregen beginnt danach erst dann, wenn wenn mindestens 15 bis 25 Liter Wasser in einer Stunde oder 20 bis 35 Liter in sechs Stunden auf den Quadratmeter fallen. Nach oben gibt es theoretisch keine Grenze. Der „extrem heftige Starkregen“ beginnt bei mehr als 40 Litern in einer oder mehr als 60 Litern in sechs Stunden.
Oberbergisches Konzept ist für jedermann bestimmt
Wo kann ich die neue Karte einsehen?
Ausdrücklich sind die Bestandteile des Starkregenrisikomanagements nicht nur für die Augen von Fachleuten bestimmt, jedermann soll sich kostenlos und einfach informieren können. Eingepflegt wurden die Übersichten kürzlich in den Online-Kartendienst Raum Information Oberberg (RIO), der auch allerlei andere Geoinformationen zum Kreisgebiet bereitstellt. „Ziel ist es, den Menschen in Oberberg einen schnellen und genauen Einblick in die Gefahrensituationen zu bieten, die durch Starkregen entstehen können“, betont Kreisdirektor Klaus Grootens.
Ich habe mein Grundstück auf der Karte gefunden – und nun?
Sie haben das RIO-Untermenü „Klima, Natur und Umwelt“ gewählt. Links auf dem Bildschirm öffnen sich verschiedene Auswahloptionen, damit kann man sich allerhand anzeigen lassen, zum Beispiel die Photovoltaikeignung von Gebäuden oder ausgewiesene Naturschutzgebiete. Die neuen Starkregen-Daten befinden sich etwa in der Mitte. Durch das Setzen oder Entfernen eines Häkchens erhält man nun die im Konzept für einen bestimmten Punkt berechneten Überflutungsgefahren.
Verlauf der oberbergischen Bäche und Siefen wird dargestellt
Welche Daten zum Starkregen kann ich mir anzeigen lassen?
Es lohnt sich, sich etwas Zeit für das Durchklicken zu nehmen, denn das Datenmaterial ist üppig. Zuerst ist überhaupt der genaue Verlauf der oberbergischen Gewässer dargestellt – das mag bei Agger und Sülz überflüssig erscheinen, doch eingezeichnet sind auch Bäche und Siefen, die vielleicht nicht jeder auf dem Schirm hat.
Kernstück sind schließlich die Animationen, wie sich das Wasser im Unwetterfall ausbreitet. Jeder kann erfahren, wie groß die berechnete Wahrscheinlichkeit ist, dass sein eigenes Gebäude einmal in 30 Jahren oder einmal in 100 Jahren überflutet wird – auf dem Bildschirm wird dafür ein farbiger Gefährdungsindex benutzt, der die Häuser in Grün, Gelb und Orange bis hin zu Knallrot einfärbt.
Szenario für Starkregen in Oberberg wurde berechnet
Sind denn auch heftige Platzregen berücksichtigt?
Speziell die Situation, dass es – zum Beispiel bei einem Gewitter – relativ kurz, dafür aber besonders heftig regnet, haben die Konzeptmacher ins Auge genommen. Dargestellt werden die daraus resultierenden Risiken in dem „Szenario: 90 mm pro Stunde“. Die darin angenommenen Werte sind ordentlich. Barbara Werth, die Projektverantwortliche der Firma Weber Ingenieure aus Wuppertal, die das Konzept miterarbeitet hat, machte im Umweltausschuss klar: „Wir sprechen hier auf 200 Quadratmetern Boden von 120 randvoll gefüllten Badewannen.“
Was soll das Konzept in der Praxis bringen?
Zum Beispiel beim Immobilienkauf kann ab sofort jedermann nachsehen, ob das Traumhaus nicht den Haken hat, hochwassergefährdet zu sein – und obendrein, wie wahrscheinlich eine solche Gefahr ist. Vor allem setzt die Kreisverwaltung aber darauf, dass Gebäudeeigentümer spätestens dann, wenn sie eine Gefährdung nun selbst vor Augen haben, genügend Eigenvorsorge treffen.