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ArchitekturDenkmalwertes Fachwerkhaus in Bergisch Gladbach war hinter Brettern versteckt

3 min
Ein Mann deutet auf die Außenbalken eines bergischen Fachwerkhauses.

Prof. Michael Werling erklärt die Besonderheit der freigelegten Fachwerkkonstruktion des kleinen bergischen Hauses in Sand.

Erst der neue Eigentümer befreite das Gebäude von seiner Verschalung. Architekturhistoriker Michael Werling spürte der Geschichte nach.

Unscheinbar stand es viele Jahre an der Herkenrather Straße in Sand, mit seiner unansehnlichen braunen Holzverschalung wird es nicht viele Augen auf sich gezogen haben. Nur die Denkmalpfleger hatten das kleine Haus gegenüber der St. Rochuskapelle seit längerer Zeit im Blick. Sie vermuteten bereits bei Aufstellung des Denkmalpflegeplans 2017, dass das Gebäude innere Werte haben könnte und stuften es schon damals als „erhaltenswert“ ein.

Inzwischen, nach einem Eigentümerwechsel, sind die Hüllen gefallen, die Bretter entfernt und zum Vorschein kam ein ansehnliches bergisches Fachwerkhaus. „Ich hatte schon vermutet, dass da etwas dahinter steckt“, erinnert sich Denkmalpfleger Prof. Michael Werling. „Aber von welcher Qualität das Haus ist, das hat sich erst nach der Freilegung gezeigt.“

Das Haus hat eine unübliche Fachwerkkonstruktion

Den Architekten und Architekturhistoriker interessiert vor allem die besondere, nicht eben übliche Konstruktion des Fachwerkgebäudes. „Hier treffen zwei verschiedene Konstruktionen aufeinander“, erläutert er. Eine Stockwerkbauweise und ein Ständerwerk. Die Holzständer hätten mit großer Wahrscheinlichkeit vor dem Bau des Hauses in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits eine andere Funktion gehabt, seien offensichtlich wiederverwertet worden. „Die Ständer passen gar nicht zum Gebäude“, begründet Werling. Und sie wiesen Spuren alter Befestigungen auf.

Ein Befund, der Werling in die Archive führte, um mehr über das Haus und seine Geschichte zu erfahren. Als Eigentümer und wohl auch Erbauer des Hauses ermittelte er Peter Kirch (1829-1896), Wirt und Ackerer zu Sand. 1874 ließ der Kleinlandwirt in Wesselsteinbach, südöstlich der Ortslage Plätzchen, Wohnhaus und Stallungen seiner verstorbenen Schwiegereltern versteigern.

Das Gebäude könnte ein frühes Beispiel einer Translozierung sein

Vielleicht sei Kirch dieses Anwesen nicht los geworden und habe sich entschlossen, Gebäudeteile abzubauen und für den Neubau an der Herkenrather Straße wiederzuverwenden, spekuliert Werling – „ein frühes Beispiel einer Translozierung“, und ein Beleg für „nachhaltiges Bauen“ auch und gerade in früheren Jahrhunderten.

Ein altes Zeitungsinserat wirbt 1883 um Kundschaft für eine neu eröffnete Gastwirtschaft.

Inserat aus dem Bensberg-Gladbacher Anzeiger von 1883. Darin wirbt Peter Kirch mit niedrigen Preisen um Gäste für sein gerade eröffnetes Lokal.

1883 inserierte Peter Kirch im Bensberg-Gladbacher Anzeiger, dass er eine Gastwirtschaft eröffnet habe und sicherte den Gästen „reelle Bedienung bei billigen Preisen“ zu. Kirch spekulierte offenbar auf Fuhrleute, die nach dem kräftezehrenden Anstieg hinauf nach Sand die Pferde mit Wasser und sich selbst mit Essen und Branntwein versorgen wollten.

Am Ende kam das Haus unter den Hammer

„Ein zusätzlicher geschäftlicher Anreiz“, so Werling, sei die 1889 auf einem Nachbargrundstück errichtete Ziegelei gewesen, die heute schon lange nicht mehr existiert. Ob nun die Fuhrleute nicht genug tranken oder Kirch nicht ordentlich wirtschaftete, bleibt unbeantwortet. Jedenfalls wurde gegen den Wirt 1895 in Folge einer Erbauseinandersetzung ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet. Den Zuschlag für das Gebäude habe das auf Haus Lerbach wohnende Fabrikantenehepaar Richard und Anna Zanders erhalten, so Werling. Nur ein Jahr später verstarb der geschäftlich glücklose Kirch.

Das von ihm erbaute Haus an der Herkenrather Straße erlebte derweil eine „Standeserhebung“. Es gilt den Denkmalpflegern nach der Sanierung nicht mehr nur als „erhaltenswert“, sondern durchaus als „denkmalwert“. Werling ist sich sicher, dass Bergisch Gladbach noch über einige solcher gut versteckter Überraschungen verfügt.