Kreisdechant im Interview„Mit Verlustängsten müssen wir offensiv umgehen“

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Kreisdechant Norbert Hörter.

Kreisdechant Norbert Hörter.

Rhein-Berg – Die aktuelle Debatte um den Umgang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche im Erzbistum Köln ist nicht die einzige Herausforderung, die auf den gerade im Amt bestätigten Kreisdechanten Norbert Hörter in den kommenden sechs Amtsjahren zukommt. Über Kirchenaustritte, zurückgehende Ressourcen und neue Wege für Gemeinden hat Guido Wagner mit dem Kreisdechanten und Pfarrer an St. Laurentius Bergisch Gladbach gesprochen. Auch in Rhein-Berg kehren immer mehr Menschen der Kirche den Rücken und treten aus. Was sind die Konsequenzen? Norbert Hörter: Das ist eine große Herausforderung: unsere Ressourcen. 2030 werden wir noch halb so viele Theologinnen und Theologen im Pastoralen Dienst haben wie 2020, die finanziellen Ressourcen werden weiter zurückgehen, vor allem aber werden wir durch verstärkte Kirchenaustritte weniger Menschen in den Gemeinden haben.

Der begonnene Pastorale Zukunftsweg, der die Entwicklung zu neuen Strukturen angesichts schwindender Gläubigenzahlen, finanzieller und personeller Ressourcen eingeleitet hat, liegt zwar gerade auf Eis, wird aber ja fortgesetzt werden, sobald andere große Herausforderungen wie das Missbrauchsthema in den Griff bekommen sind. Wo wird es in sechs Jahren überhaupt noch Gemeinden geben?

Hörter: Ich gehe davon aus: Mindestens überall dort, wo auch heute Gemeinden existieren. Auch wenn es sicher nicht mehr in jedem Ort eine Sonntagsmesse geben wird. Aber das haben wir ja in anderen Regionen wie beispielsweise dem Oberbergischen schon heute.

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Trotzdem löst das doch Verlustängste bei den Menschen vor Ort aus.

Hörter: Keine Frage: Wenn es um das eigene Pfarrheim, die eigene Kirche vor Ort geht, geht es um Verlustängste. Und mit diesen Ängsten müssen wir offensiv umgehen.

Sie sind ja selbst auf Bistumsebene aktiv in der Begleitung des Pastoralen Zukunftswegs eingebunden gewesen. Wie wollen Sie das angehen?

Hörter: Indem wir Vertrauen schaffen, dass wir den Schrumpfungsprozess meistern können, wenn Ehrenamtler wie Hauptamtler bereit sind, vor Ort Verantwortung zu übernehmen, Gemeinde lebendig zu gestalten. Nur gemeinsam werden wir das schaffen. Dafür ist es wichtig, dass wir Ehrenamtliche unterstützen, ihnen die Rahmenbedingungen geben, die sie brauchen, um Kirche vor Ort zu leben und zu gestalten.

Sie erleben die schwindenden Ressourcen ja zurzeit am eigenen Leib. Zum 1. September werden Sie Pfarrverweser in Bensberg, weil es dort nach der Versetzung von Pfarrer Andreas Süß nach Neuss erstmal für ein Jahr keinen leitenden Pfarrer geben wird.

Hörter: Aber ich werde nicht Pastor in Bensberg.

Sondern?

Hörter: Als Pfarrverweser kann ich nur einen Prozess anmoderieren, in dem Haupt- und Ehrenamtliche sich auf den Weg machen müssen, Gemeinde zu gestalten.

Ein Prozess wie Sie ihn in Ihrer Pfarrgemeinde St. Laurentius ja bereits seit einigen Jahren gehen.

Hörter: Mit einer Menge Initiativen in den einzelnen Kirchen, wie auch gerade die Aktionen rund um Ostern etwa in Hebborn oder Gronau gezeigt haben oder die offene Kirche in Rommerscheid, in der ein Raum für Kunst und Kirche entstanden ist. Dezentralität ist die Zukunft der Kirche. Das wird sicher anders sein als heute noch, aber Angst habe ich davor nicht.

Sondern?

Hörter: Im Gegenteil: Gerade hat eine Aktion in unserer Gemeinde, bei der Menschen von der Messdienerleiterin bis zum Bürgermeister sehr offen von ihrer Gottesbeziehung für ein Faltblatt berichtet haben, gezeigt, wie engagiert Menschen Kirche leben. Das macht Mut. Als Pastor, aber auch als Dechant, freue ich mich darüber, wenn Menschen „einfach machen“. Das werde ich auch in den kommenden sechs Jahren unterstützen, begleiten und Raum dafür schaffen. Ich will öffnen und nicht schließen.

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