Unterwegs mit BiologenSo lässt der Frühling das Leben in und an der Erft erwachen

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Ein Mann und eine Frau stehen in Anglerhosen mit Käscher und Eimer im flachen Bett der Erft.

Frühling im Fluss: Dr. Martina Erken und Dario Fuß, beide Biologen beim Erftverband.

Auch unter der Wasseroberfläche sorgt die Sonne für Frühlingsgefühle bei den vielen Lebewesen in der Erft zwischen Erftstadt und Bedburg.

Von Süden nach Norden fließt die Erft durch den Kreis. Jetzt, da es wieder wärmer wird, gehen viele Menschen entlang des Erftufers spazieren. Manche fragen sich: „Was passiert jetzt eigentlich unter Wasser?“ Eine wichtige Frage, die sich nicht nur Kinder stellen. Wir gingen beim Erftverband auf die Suche nach Antworten. Die Kernfrage: „Frühling im Fluss, was bedeutet das?“

Bestens vorbereitet öffnet die Erftverbandsbiologin Dr. Martina Erken die Tür zu ihrem Büro mit Aussicht auf die Erftaue in Bergheim. Im Park verjagt gerade eine Elster ein aufdringliches Eichhörnchen von ihrem Nest. Doch um solche Tiere soll es an diesem Tag nicht gehen. Systematisch hat Erken das Thema unterteilt in Fische, Frösche, Insekten, Muscheln und Pflanzen. Natürlich hat sich auch der Eisvogel eingeschlichen – er sieht einfach zu gut aus in seinem stahlblauen Federkleid. Und als kleiner Taucher ist er ja zumindest immer mal wieder unter Wasser.

Von der kleinen Eintagsfliege bis zum zwei Meter langen Wels

„Ob alle diese Wirbeltiere oder sogar die Insekten, Muscheln und Pflanzen jetzt Frühlingsgefühle haben?“, frage ich mich. Erken und ihr Kollege, der Biologe Dario Fuß, wissen über das vielfältige Leben im Fluss Bescheid, angefangen von der winzigen Larve bis hin zum Zwei-Meter-Wels, der mancherorts auf dem Grund lauert. Sie beginnen mit den großen Wundern der kleinen Tiere unter Wasser. Die zwei bis drei Zentimeter messende Große Eintagsfliege mit dem dreiteiligen Schwanz ist im Moment noch gar nicht zu sehen. Sie lebt seit Jahren als Larve unter Wasser. Im Moment frisst und frisst sie. Sie braucht viel Kraft, denn sie wächst ständig und muss sich mehrmals kräfteraubend häuten.

So auch die wunderschönen Libellen. Zehn- bis zwölfmal müssen diese Tiere unter Wasser aus ihrer alten Haut. Bis zu mehrere Jahre verbringen die Insekten unter der Wasseroberfläche. Erst dann steigen sie auf, verlassen das Wasser und häuten sich ein letztes Mal, um in die bunt schillernde Prachtroben zu schlüpfen, die wir kennen. Am Ende des Frühlings im Juni oder auch erst im Juli sieht man die Libellen beim Hochzeitsflug. Zuletzt verschmelzen die Tiere zum Libellenrad und legen Eier ab.

Ein Frosch sitzt im grünen Gras.

Ein Quakkonzert veranstalten die Grasfrösche in strömungsarmen Bereichen der Erft

Die Libellen ernähren sich von Mücken, anders als die Eintagsfliegen, die bei der Häutung nach dem Ausstieg aus dem Wasser ohne Verdauungssystem weiterleben – allerdings dauert ihr „Leben für die Liebe“ nur zwei bis vier Tage. In dieser Zeit muss die Hochzeit stattfinden, sonst gibt es keine Zukunft für die Fliegen.

Von seinem Ansitz aus sieht der Eisvogel dem Aufstieg der Larven zu. Ihn interessieren allerdings mehr die kleinen Fische, die nach den Mückenhappen schnappen. Schon Anfang März hat das Eisvogelweibchen in der Bruthöhle in den Steilwänden der Erft sechs bis sieben Eier gelegt. Zweimal pro Jahr wird gebrütet. Der Frühjahrsliebe folgt die anstrengende Brutpflege.

Fische kümmern sich in der Erft um die neue Generation

Auch die Fische denken in diesen Tagen an die Fortpflanzung. Die beiden verbreitetsten Arten der Erft sind Döbel und Ukelei. Der forellengroße Döbel, auch Alet oder Aitel genannt, legt seine Eier an Pflanzen oder auf dem Kiesgrund ab. Der kleine, silbrig bunte Ukelei, den man auch als Zwiebelfisch oder Laube kennt, laicht im Flachwasser zwischen Pflanzen und Holz. Die Eier klebt das Weibchen an Steine. Davon sind die Pflanzen noch ein wenig entfernt. „Sie wachsen derzeit einfach, nehmen Nährstoffe und Sonnenlicht auf“, berichtet Dario Fuß. Auf die bezaubernde Blüte, des schwimmenden Laichkrautes etwa, das Tausende von Blüten an die Oberfläche bringt, müssen Naturliebhaber noch bis zum Sommer warten. Dafür grünen und blühen Pflanzen schon an den Ufern.

Ähnlich sieht es bei den Weichtieren und Muscheln aus. Sie filtern beständig das vorbeiströmende Wasser auf der Suche nach mikroskopisch kleinen organischen Teilchen. Sind die hiesigen Erbsenmuscheln oder die eingewanderten Körbchenmuscheln dann gestärkt, entlassen sie ihren Nachwuchs ins Wasser. Wer Geduld aufbringt, der kann im Uferbereich kleine Krebstiere finden, die aussehen wie Mini-Shrimps. Diese Bach-, Fluss- oder Höckerflohkrebse sind teils durchsichtig. Sie werden etwa einen Zentimeter groß und schützen sich unter Steinen vor der Strömung, die sie sonst wegspülen würde.

Manchmal kann man den Frühling im Fluss im Frühjahr sogar hören: Die Männchen der Märzfrösche, wie die Grasfrösche auch genannt werden, singen in strömungsarmen Bereichen oder Tümpeln um die Wette, da sie stillere Zonen für ihre Nachkommenschaft benötigen. Das Quakkonzert betört die Weibchen.

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