Frank Rock im Interview„Ich glaube nicht, dass an Ostern normale Ferien möglich sind“

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Seit seinem Amtsantritt ist Landrat Frank Rock im Krisenmodus. Im Interview zieht er eine Bilanz der ersten hundert Tage.

Seit seinem Amtsantritt ist Landrat Frank Rock im Krisenmodus. Im Interview zieht er eine Bilanz der ersten hundert Tage.

  • Seit 100 Tagen ist Frank Rock als Landrat des Rhein-Erft-Kreises im Amt.
  • Wir haben mit ihm über die ersten Monate und Herausforderungen gesprochen.
  • Unter anderem äußert sich der Landrat zum Impf-Engpass, Problemen bei der Impftermin-Vergabe und der Kritik des Heinsberger Landrats Stephan Pusch.
  • Und er erzählt, was ihn in den ersten 100 Tagen am meisten bewegt hat und wie es jetzt beim Thema Strukturwandel weiter geht.

Rhein-Erft-Kreis – Frank Rock, Landrat des Rhein-Erft-Kreises, spricht im Interview über die Herausforderungen in seinen ersten 100 Tagen im Amt.

Herr Rock, hundert Tage im neuen Amt als Landrat haben Sie hinter sich. Wie viele schlaflose Nächte waren dabei?

Nicht viele, weil ich ein bestelltes Haus vorgefunden habe. Die Corona-Pandemie packt mich immer noch emotional sehr. In der Regel nehme ich Themen nicht mit in den Schlaf. Es muss schon einiges passieren, damit ich nicht gut schlafen kann.

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Ihr Job als Landrat in Pandemiezeiten ist ein völlig anderer als früher. Haben Sie Ihre Kandidatur schon einmal bereut?

Nein, das hab ich nicht. Der Schritt wieder mehr ins Regionale war wohlüberlegt. Ich hab die Landespolitik genossen, und die vielfältige Netzwerkarbeit hat mir auch Spaß gemacht. Ich habe aber ganz bewusst gesagt, ich möchte wieder mehr für den Bürger vor Ort wirken. Genau das ist in der Zeit der Pandemie der Fall. Du merkst bei allem, was du hier machst, ob die Zahlen hoch oder runtergehen. Oberste Priorität hat weiterhin, die Nachverfolgung der Infektionen durch das Gesundheitsamt zu organisieren. Du bist also immer nah am Bürger dran.

Seit Ihrem Amtsantritt im vorigen November herrscht dauerhaft Krise.

Das ist so. Man hätte sich einen lockereren Einstieg wünschen können in eine neue Aufgabe. Das sorgt einen auch manchmal. Dennoch ist es ein konsequentes Abarbeiten von Themen in der Krise. Schwierig ist natürlich, Verantwortung für etwas zu tragen, was andere verursacht haben. Thema Impfstoff, Lieferbarkeit und Impftermine – du wirst festgenagelt für etwas, das du nicht beeinflussen kannst. Die Dinge, die wir beeinflussen können, die erledigen wir tagtäglich und die haben wir ganz gut hinbekommen.

Zur Person

Anfang November ist Frank Rock (CDU) nach seinem Sieg bei der Kommunalwahl im September gegen Herausforderer Dierk Timm (SPD) in sein neues Amt als Landrat des Rhein-Erft-Kreises eingeführt worden. Zuvor war der 50-jährige Hürther drei Jahre Mitglied des Landtags.

Der CDU-Politiker studierte Religion, Mathematik, Deutsch und Sport an der Uni Köln. Von 2006 bis zu seinem Einzug in den Landtag war Rock Leiter einer Grundschule in Hürth-Efferen. Der 50 Jahre alte Rock ist verheiratet und hat drei Kinder. (dv)

Was hat Sie in den ersten hundert  Tagen am meisten bewegt?

Bewegt haben mich die Vielzahl von Zuschriften von Senioren, die in den ersten Tagen keinen Impftermin bekommen haben. Viele waren sehr unzufrieden mit dem Anmeldeverfahren und haben aus ihrem Leben erzählt. Es könne doch nicht sein, dass sie schon so viel erlebt hätten und jetzt keinen Impftermin bekämen. Die Vergabe der Termine kann ich nicht beeinflussen. Aber ich kann Empathie zeigen, Mut machen und bitten, es wieder zu versuchen.

Ihr Landrats- und Parteikollege Stephan Pusch aus Heinsberg hat scharfe Kritik an der Beschaffung der Impfdosen geübt. „Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt“, sagte er. Was sagen Sie?

Es ist immer leicht, Kritik an Dingen zu äußern, die man selbst nicht in die Wege geleitet hat. Auch ich glaube, dass die EU das ein oder andere nicht zeitnah umgesetzt hat. Man hat jedenfalls das Gefühl, dass der Impfstoff an der Basis nicht so ankommt, wie das wünschenswert wäre. Eine generelle Kritik wird man aber von mir nicht hören, weil ich nicht einschätzen kann, was die EU richtig oder falsch gemacht hat. Das kann der Kollege Pusch auch nicht. Politische Entscheidungen wirken oft einfach, sie sind es aber nicht. Ich bin nicht der Typ, der sagt, ich bin die Stimme des Volkes. Es herrscht eine Krise, und Krise ist immer schwierig.

Alle politischen Themen sind überlagert von Corona. Wann wird das anders?

Die Arbeit hier in der Kreisverwaltung geht trotzdem weiter. Wir bearbeiten intensiv das Thema Strukturwandel. In den ersten hundert Tagen habe ich schon viele Gespräche zum Thema Regionalentwicklung geführt und ich habe häufig über bildungspolitische Themen gesprochen. Es wird an den Themen gearbeitet – auch wenn sie zurzeit nicht so außenwirksam sind.

Der Strukturwandel ist in vollem Gang – wie stark behindert die Pandemie neue Projekte?

Das Wort Strukturwandel ist zu negativ besetzt. Ich verwende lieber die Formulierung regionale Entwicklung. Wenn man das mit einem Marathon vergleicht, sind wir gerade erst in der Aufwärmphase. Wir haben eine lange Wegstrecke vor uns. Die Pandemie hindert vielleicht einen offenen Austausch darüber, aber in Videokonferenzen und Gesprächen mit anderen Landräten stehen diese Themen immer wieder an. Die Unternehmen arbeiten ja auch weiter an ihren Projektideen und versuchen, sie weiterzubringen. Daher glaube ich, dass die Prozesse wegen Corona gar nicht so sehr behindert werden. Aber wir Rheinländer brauchen den direkten menschlichen Austausch – Netzwerkarbeit, das bekommst du mit Videokonferenzen einfach nicht so gut hin.

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Wie weit sind Sie gekommen mit der Organisation des neuen Dezernats in Sachen Strukturwandel?

Wir werden zum 1. März ein eigenes Dezernat für die regionale Entwicklung einrichten. Damit stellen wir die Verwaltungsstrukturen auf neue Beine und richten neue Stellen ein. Ich werde die politischen Gremien in den nächsten Wochen informieren.

Haben Sie keine Sorge, dass einige Dezernenten sagen könnten, der Landrat nimmt uns Felder unserer Verantwortlichkeit weg?

Das Thema regionale Entwicklung wird ein so mächtiges in den nächsten 20 Jahren sein, dass wir eine klare Zuteilung brauchen. Ich habe den Dezernenten immer gesagt, wir versuchen eine bessere Lösung für die Zukunft zu entwickeln. Das haben sie auch verstanden, und es gab da keine Reibung. Das Fördermanagement wird in dem Dezernat neu untergebracht, auch die Verantwortung für den Breitbandausbau wird dort angegliedert.

Sie kündigen eine starke Senkung der Kreisumlage an, um die Städte zu entlasten. Aber von dort kommt die Klage, dass sich der Kreis einen Großteil des Geldes über die neue Förderschulumlage zurückholt. Ein Taschenspielertrick?

Nein, ist es nicht. Die Förderschulumlage ist uns ja gerichtlich auferlegt worden. Wir müssen jetzt die Kosten für jedes einzelne Kind in unseren Förderschulen genau auf die Kommunen umlegen. Wir haben nicht mehr Kosten für die Förderschulen und der Kreis nimmt auch nicht mehr ein, die Kosten werden nur anders umgelegt. Wir senken die Kreisumlage erheblich. Die Blickweise der Kämmerer in den Kommunen ist da gerne eine andere: Es hätte noch mehr gesenkt werden können. Unser Ansatz ist aber, die Mittel, die wir haben, auch mittelfristig zur Senkung einzusetzen, und nicht jetzt noch stärker senken und dann beim nächsten Haushalt wieder um fünf Prozent heben, weil wir nichts mehr in der Ausgleichsrücklage haben. Niemand kann ausschließen, dass wir die Umlage in zwei Jahren vielleicht auch mal wieder anheben müssen. Aber dann so maßvoll, dass es die kommunalen Haushalte nicht wieder so trifft, wie bei der ein oder anderen Erhöhung in der Vergangenheit.

Was bedeutet die Pandemie für den Kreishaushalt?

Das sind Kosten, die laufend steigen. Wir haben beispielsweise erhebliche Personalkosten für den Betrieb des Impfzentrums, was aber auch nötig ist. Die alten Menschen, die dort ankommen, werden von hilfsbereiten jungen Menschen durch die Impfung begleitet. Das kostet Geld. Der Gesetzgeber erlaubt den Kommunen, diese Kosten über 50 Jahre abzuschreiben. Unser Ansatz ist aber die Kosten eher schnell aus dem Haushalt hinaus zu bekommen. Wir reden von Kosten nach bisherigem Stand in Höhe von sechs Millionen Euro.

Ostern steht vor der Tür. Planen Sie Urlaub jetzt oder erst in den Sommerferien?

Ich plane an Ostern keinen Urlaub, sondern erst zum Sommer. Bei den Corona-Schutzmaßnahmen wird ja auf Sicht gefahren. Vielleicht wird an Ostern ein Urlaub innerhalb Deutschlands möglich sein. Aber da werden wir noch sehr genau auf die Inzidenzwerte schauen müssen. Ich glaube nicht, dass an Ostern normale Ferien möglich sind. Frühestens wird das im Sommer möglich sein.

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