Heftige Kritik und UnverständnisHausärzte in Rhein-Erft verzweifeln am Impfchaos

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Die Impfexperten arbeiten in den Hausarztpraxen, so sieht es Dr. Matthias Schlochtermeier aus Hürth.

Die Impfexperten arbeiten in den Hausarztpraxen, so sieht es Dr. Matthias Schlochtermeier aus Hürth.

  • Wir haben Hausärzte aus dem Rhein-Erft-Kreis gefragt, was sie davon halten, dass sie bald auch gegen Corona impfen sollen.
  • Viele Praxen wären schon heute auf den Impfstart vorbereitet.
  • Heftige Kritik gibt es jedoch an der Politik und Unterstellungen von Politikern. Ein Arzt spricht von einer Frechheit.

Rhein-Erft-Kreis – Eine Impfung gegen das Coronavirus sollen demnächst auch Hausärzte ihren Patienten verabreichen dürfen. Das haben die Beratungen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern ergeben. Wann genau, hängt davon ab, wie viel Impfstoff zur Verfügung stehe. Aber spätestens zum 19. April soll es losgehen, heißt es in Berlin.

Johannes Friedhoff, Hausarzt in einer Gemeinschaftspraxis an der Bergheimer Hauptstraße, meint, diesen Schritt hätte man schon deutlich früher gehen sollen. „Wir sehen das als unsere ganz zentrale Aufgabe.“ Er und seine Kolleginnen und Kollegen würden am liebsten jeden Tag rund um die Uhr impfen, „vielleicht sogar am Wochenende“. Um das hinzubekommen, würde er Arbeitsabläufe neu strukturieren. „Wir müssen das dann hinkriegen.“ Johannes Friedhoff hält es nicht für besonders praktikabel und teilweise auch nicht möglich, dass 90-Jährige die Reise zum Impfzentrum antreten müssten.

Hürther Arzt impft jedes Jahr 1000 Patienten gegen Grippe

„Ich fordere seit Januar, dass wir impfen. Wir können in den Hausarztpraxen jeden zugelassenen Impfstoff verimpfen, wir sind die Impfexperten“, sagt auch Dr. Matthias Schlochtermeier, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rhein-Erft. In seiner Praxis in Efferen impfe er jedes Jahr mehr als 1000 Patienten gegen Grippe. „Es ist eine ähnliche Klientel wie in der ersten und zweiten Impfphase, es sind Ältere und Kranke.“

Aktuell arbeite die KV Nordrhein mit Hochdruck an einem Konzept. Sie sei der Ansicht, dass alle niedergelassenen Ärzte gegen Covid-19 impfen sollten. „Doch da zieht das Land nicht mit. Das MAGS (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, d. Red.) möchte den Kreis auf Hals-Nasen-Ohrenärzte, Onkologen und Hausärzte reduzieren.“

Bevor auch Ärzte in ihren Praxen impfen, müssten die Themen Haftung, Dokumentation und Bezahlung geklärt sein. „Die Ärzte müssen von der Haftung befreit werden, wie in den Impfzentren.“ Die Bezahlung sei noch nicht abschließend geklärt, ebenso wie die Dokumentation. „Die Daten müssen tagesaktuell an das Robert Koch-Institut geschickt werden. Die KV Nordrhein kann das, sie hat eine entsprechende leistungsfähige Software“, sagt der 50 Jahre alte Mediziner.

Hürther Arzt empfindet Politiker-Behauptungen als Frechheit

Heftig kritisiert Matthias Schlochtermeier, dass auch zehn Wochen nach Impfstart noch nicht klar sei, wie die Patienten, die zu Hause gepflegt werden und nicht mobil sind, geimpft werden sollen. „Wir haben ein Alleinstellungsmerkmal. Wir heißen Hausärzte, weil wir auch ins Haus kommen. Also lasst uns impfen. Das machen wir jeden Tag, nichts Ungewöhnliches.“

Dass einige Politiker behaupten, Ärzte würden die Impfreihenfolge nicht einhalten, wenn in den Praxen geimpft würde, empfindet der Mediziner als Frechheit. „Das ist eine unsachgemäße Unterstellung, ich ärgere mich massiv darüber.“

Erftstädter Arzt: „Das Hin und Her ist demoralisierend“

Ärgerlich ist auch der Lechenicher Arzt Dr. Heinz-Albert Brüne – allerdings über das „absolute Chaos“, das Politiker und Kassenärztliche Vereinigung angerichtet hätten. Am Montag, ab 0 Uhr, könne er seine Praxis als Impfpraxis online registrieren. Ob sie dann tatsächlich in den Pool aufgenommen werde, wisse er nicht.

Heinz-Albert Brüne spricht von Chaos.

Heinz-Albert Brüne spricht von Chaos.

„Wir würden im Prinzip gern jederzeit anfangen,“ sagt Brüne. Aber es sei ja kein Impfstoff da. Und dass er den vor Mitte Mai bekomme, sehe er nicht. Erst habe es geheißen, in den Arztpraxen solle ab Ende März geimpft werden, dann sei Mitte April genannt worden. Er und sein Team hätten schon überlegt, wie sie das machen, und hätten schon Termine fürs Impfen geblockt. Die würden jetzt wieder anders belegt.

„Mein Team ist hoch motiviert“, lobt der Mediziner. Aber das Hin und Her sei demoralisierend, und die Diskussionen mit enttäuschten Patienten kosteten viel Zeit und Energie.

„Wenn es Politiker gibt, die uns nicht vertrauen, bedauere ich das sehr“

„Wir hätten es sehr sehr gerne viel früher gesehen, dass wir Hausärzte eingebunden werden“, sagt auch die Brauweilerin Dr. Birgit Heidenreich. In ihrer Gemeinschaftspraxis in Köln-Braunsfeld hätten sie schon Listen angelegt, die an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) angelehnt seien. Den Vorwurf einiger Politiker, die Hausärzte könnten die Impfreihenfolge nicht einhalten, weist sie von sich. „Wenn es einzelne Politiker gibt, die uns in diesem Punkt nicht vertrauen, bedauere ich das sehr.“

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Die Praxis sei gut auf die Impfungen gegen Covid-19 vorbereitet. „Wir würden Impfzeiten anbieten, die deutlich über unsere Sprechzeiten hinausgingen. Denn durch die enge Bindung an unsere Patienten und die Sorgen, die sie täglich äußern, ist uns das Impfen ein persönliches Anliegen.“ Derzeit entstehe der Eindruck, dass die logistischen Voraussetzungen und die Berechnungen für die Verteilung des Impfstoffs an die Hausarztpraxen erst jetzt durchdacht würden. „Es ist ein Skandal, dass dies nicht schon Ende letzten Jahres geschehen ist.“

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