Klassenfahrten und KlimawandelSchüler im Rhein-Sieg-Kreis meiden Flugreisen

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Busreisen

Weiterführende Schulen im Rhein-Sieg-Kreis meiden so gut es geht Flugreisen für Klassen- oder Kursfahrten. Meist ist der Bus das Transportmittel der Wahl. 

  • Die Debatte über den Klimawandel und das Engagement vieler Schüler bei „Fridays for Future“ hat auch das Thema Klassen- und Kursfahrten erreicht.
  • In Schulen des Rhein-Sieg-Kreises ist das Thema mancherorts ausführlich diskutiert worden.
  • Meist verreisen die Mädchen und Jungen jetzt mit Bus oder Zug, aber nicht immer. Eine Umfrage.

Rhein-Sieg-Kreis – Mal eben nach London jetten, für vier Tage nach Neapel oder mit dem Kreuzfahrtschiff nach Oslo – in Zeiten von Fridays für Future machen solche Leistungskurs-Ausflüge Negativ-Schlagzeilen. Wie sieht es an den Schulen im Rhein-Sieg-Kreis aus? Geht es nun zum Wandertag in den Harz oder zum Segeln nach Holland?

Siegburg

Ein Antrag, im Rahmen von Schulfahrten überhaupt nicht mehr zu fliegen, habe beim Gymnasium Alleestraße in Siegburg auf dem Tisch der Schulkonferenz gelegen. Das sei heftig diskutiert worden, berichtet die Oberstufenkoordinatorin Dagmar Gäßner.

Als Ergebnis solle jeder Kurs möglichst auf Flüge verzichten. Letztlich aber würden die Auswahl des jeweiligen Ziels einer Kursfahrt und die Wahl des Verkehrsmittels in die Hand des jeweiligen Lehrers gelegt, erklärt die Oberstufenkoordinatorin.

Sie selbst fährt im Herbst mit Ihrem Englisch-Leistungskurs mit Bus und Fähre nach Irland. Kollegen reisten nach Frankreich und Italien oder auch nach Prag. „Wir wollen da schon ein Zeichen setzen“, versichert sie.

Troisdorf

Der Name ist Programm: Jugendliche aus der Gesamtschule Europaschule Am Bergeracker pflegen Austausch mit Schulen in Spanien, Italien und Polen, reisen auch zu Auslandszielen ohne direkten Austausch.

Überwiegend mit dem Bus“, reisten die Gruppen nach Großbritannien, Belgien, Frankreich oder Polen, sagte der stellvertretende Schulleiter Florian Kremer. Nach Spanien und – zum ersten Mal – Rumänien werden Jugendliche und Lehrkräfte aber fliegen.

Auch die griechische Hauptstadt Athen erreichen die jungen Reisenden per Flugzeug. „Wir vermeiden Flugreisen nicht komplett.“ Aber: „Es gibt ein Umdenken“, hat Kremer festgestellt.

Bei den Fahrten der zehnten Klassen und den Abschlussfahrten vor dem Abitur habe sich die Schule positioniert und wolle die Flugreisen „deutlich reduzieren“. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern suchten die Pädagogen die Ziele aus.

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„Es betrifft uns weniger, weil wir Realschule sind“, gibt Frank Herbst Auskunft, der Rektor der Realschule Am Heimbach in Troisdorf. „Die weitesten Fahrten sind mit dem Reisebus.“ Das treffe aber nur auf die Abschlussfahrt der zehnten Klasse zu, die schon mal an den Gardasee, an die Nordsee oder nach Holland fahre.

Dann achte die Schule aber darauf, dass die Busse wirklich ausgelastet seien; unter Umständen reisten zwei Klassen gemeinsam. Mit der Stadtbahn erreichen die fünften Klassen zur Kennenlernfahrt ihr Ziel in Bad Honnef, die siebten Klassen fahren üblicherweise in die Eifel.

Lohmar

Im Gymnasium Lohmar habe sich am Reiseziel Dublin eine Umweltdiskussion entzündet, schildert Pädagoge Thomas Erdmann. Jugendliche, die sich auch in der schulischen Nachhaltigkeits-AG engagieren, stellten den Flug in Frage.

Nach Erörterung des Für und Wider ließ Erdmann seinen Kurs abstimmen. Eine große Mehrheit sagte „Nein“, nun geht’s nach Hamburg. Allerdings mit dem Reisebus.

Die Zugfahrt wäre pro Person 50 Euro teurer gewesen. Die Gruppe zahlt dafür aber einen CO2-Ausgleich: insgesamt 15 Euro. Ein anderer Kurs steuert Schottland an, ebenfalls mit dem Bus.

Die Wanderfahrt nach Südtirol soll wie immer mit der Bahn stattfinden, falls der Preisunterschied nicht zu hoch ausfällt. Gestrichen ist die Flugreise nach Schweden.

Nach Israel zu den neuen Schüleraustausch-Partnern der frisch ausgezeichneten „Schule ohne Rassismus“ ist aber kein anderer Weg möglich. „Es wäre doch schade, auf diese Begegnungen zu verzichten“, sagte Schulleiter Mario Heese.

Auch in der Gesamtschule Lohmar sind umweltschonende Fahrten ein Thema, geht es mit dem Zug nach Hamburg, Berlin oder an die Nordsee. „Das Kollegium achtet darauf“, so Ilka Keuter, Abteilungsleiterin für die neunten und zehnten Klassen. Für den Schüleraustausch mit Malta oder Portugal sei aber das Flugzeug die erste Wahl – aus Zeitgründen.

Neunkirchen-Seelscheid

Klimafreundlichkeit ist an der Gesamtschule Neunkirchen-Seelscheid schon seit eh und je das Klassenfahrtskonzept. „Die Klassen sind auf den Abschlussfahrten in den vergangenen Jahren fast ausschließlich mit Bus und Bahn unterwegs“, bestätigt Schulleiter Alfred Himpeler.

Umwelterziehung und Klimaschutz spielten für ihn nicht erst seit der „Fridays for Future“-Bewegung an der Schule eine große Rolle. Es gebe regelmäßige Treffen mit den Umwelt-Aktivisten. Die Schule beteilige sich an den Aktion „Neunkirchen-Seelscheid räumt auf“ und an der Baumpflanzaktion des Aggerverbandes.

Die Mensa setzt Verbesserungen, was die Umwelt betrifft, um, und ab dem bevorstehenden neuen Schuljahr soll eine Gruppe mit Schülern, Eltern und Lehrer eingerichtet werden, die sich regelmäßig zum Thema „Gesamtschule und Umweltschutz“ treffen soll.

Much

„Ja, es hat sich etwas getan“, berichtet Andrea Friedrich, Leiterin der Mucher Gesamtschule. Die Oberstufe sei in diesem Jahr das erste Mal unterwegs. Schulkonferenz und Schulleitung seien sich einig gewesen und hätten im Jahr 2019 beschlossen: „Es gibt keine Flugreisen.“

Nur eine Minderheit der Schüler habe sich gegen diesen Entschluss gesperrt. Inzwischen sei aber klar: Barcelona, Verona und der Gardasee seien auch mit Bus und Bahn erreichbar.

Eine Ausnahme sei allerdings eine kleine Gruppe, die nach Krakau fahre, schränkt Friedrich ein. Das sei mit Bus und Bahn zu aufwendig. Für die Jahrgangsstufe zehn stehe fest, dass alle Fahrten innerhalb Deutschlands stattfänden. Friedrich: „Das war immer so.“

Windeck

„Wir sind da noch nicht konzeptionell rangegangen“, räumt noch Judith Pschibille ein, Chefin des kirchlichen Bodelschwingh-Gymnasiums in Herchen. Biologen, Germanisten, Historiker und Mathematiker nähmen für ihre Studienfahrten nach Sylt, Berlin oder München allerdings die Bahn.

„Das tun wir schon immer“, erläutert Pschibille. Auch nach London gehe es per Zug.

Allein nach Baad in Österreich fahre der 9. Jahrgang mit dem Bus. Dass Tagesfahrten nach Köln mit der Bahn unternommen würden, sei selbstverständlich. „Schließlich liegt unsere Schule direkt am Bahnhof.“ 

Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind auch für die Oberstufe der Gesamtschule Windeck am Standort Herchen ein großes Thema. „Da passt zum Beispiel ein Spanienflug überhaupt nicht. Es muss ein Ziel sein, das wir per Bus oder Bahn erreichen können“, erklärt Koordinatorin Nicole Nießen.

Ein völlig klimaneutraler Anbieter hätte das Budget gesprengt, räumt sie ein. Jetzt gehe es mit dem Bus in die Toskana und nach Weimar, berichtet Nießen. „Wir versuchen, das umzusetzen.“

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