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Lohmar in der NS-ZeitEin ideologisch schwieriges Pflaster

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Bürgermeister Wolfgang Röger (l.) und Waltraud Rexhaus nahmen die Staatsarbeit von Thomas Handschuhmacher (m.) entgegen.

Lohmar – Sie lagen jahrzehntelang kaum beachtet in den Räumen des Lohmarer Stadtarchivs: 61 Akten umfassen die Unterlagen der Ortsgruppe Lohmar der NSDAP sowie ihres Ortsgruppenleiters und Bürgermeisters Fritz Pilgram. „Oberstufenschüler haben mal für eine Facharbeit einen Blick hineingeworfen, ich selbst habe sie für zwei Ausstellungen genutzt“, sagt Archiv-Mitarbeiterin Waltraud Rexhaus. Systematisch ausgewertet wurden die Unterlagen zu einem wichtigen Kapitel der Stadtgeschichte allerdings nie.

Thomas Handschuhmacher, Historiker von der Universität Köln, hat nun zumindest einen Teil dieser Forschungslücke geschlossen. Der 25 Jahre alte Heinsberger hat sich in seiner Staatsarbeit mit dem Titel „»Volksgemeinschaften« am Ort. Eine Untersuchung sozialer Praktiken im Gebiet der NSDAP-Ortsgruppe Lohmar“ mit den Parteiakten der Lohmarer Nationalsozialisten beschäftigt. Am Montag übergab Handschuhmacher die Arbeit, die kürzlich mit dem Fakultätspreis der Kölner Universität ausgezeichnet wurde, an Bürgermeister Wolfgang Röger.

Zentrale Fragestellung der Arbeit ist, inwieweit sich die Lohmarer Bevölkerung die nationalsozialistische Vision einer „Volksgemeinschaft“ zu eigen machte. Hinter dieser Fragestellung steht der von Historikern seit rund fünf Jahren verfolgte Ansatz, wonach die NS-Ideologie den Menschen nicht allein durch Zwang nahegebracht wurde. Tatsächlich, so ihre These, übte die NS-Ideologie auf viele eine Anziehungskraft aus, gab es Bindungen an das System und auch Loyalität. Handschuhmachers Fazit: In Lohmar ist es den Nationalsozialisten nicht gelungen, ihre Ideologie den Bewohnern gleichsam überzustülpen, auch wenn sie dazu ideale institutionelle Voraussetzungen vorfanden. Immerhin war der Ortsgruppenleiter der NSDAP in Personalunion auch Bürgermeister und Polizeichef.

„Vielfach wurde versucht, eine Ausgrenzung derjenigen, die nicht zur sogenannten Volksgemeinschaft gehörten, aus der örtlichen Gemeinschaft zu erreichen“, schildert der Historiker. „Im Fall der Zwangsarbeiter, die ja auch räumlich getrennt von den Einheimischen am Rande der Gemeinde untergebracht wurden, ist dies gelungen, in vielen Fällen jedoch auch nicht.“ So habe der Gedanke der Volksgemeinschaft im katholisch geprägten Lohmar, wo auch bei den Reichstagswahlen im Januar 1933 noch fast 60 Prozent für das Zentrum stimmten, trotz Repressalien und dem Verbot christlicher Symbole an öffentlichen Gebäuden schwerer als in anderen Teilen des Landes Fuß fassen können.

Auch der Versuch des Bürgermeisters, missliebige Lohmarer als Feinde der Volksgemeinschaft auszugrenzen, etwa wegen ihrer angeblichen mangelnden Spendenbereitschaft für das Winterhilfswerk, sei vereinzelt fehlgeschlagen. „Ein Lohmarer, der deswegen in Haft saß, ist nach einer Unterschriftensammlung seiner Nachbarn tatsächlich wieder frei gekommen“, berichtet Handschuhmacher.

Die ausführlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich auf der Homepage des Historischen Instituts der Universität Köln nachlesen. Dort ist die Staatsarbeit als pdf-Datei abrufbar.

http://kups.ub.uni-koeln.de/5309/