Kein „Freedom Day“ am 20. MärzSo setzen die Länder die Corona-Regeln fort

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Ein Hinweisschild zum Tragen von Schutzmasken

Berlin – Am 20. März sollten eigentlich die allermeisten Corona-Regeln entfallen. Nun zeigt sich aber, dass es wohl frühestens Anfang April so weit sein wird. Einige Bundesländer halten auch das für verfrüht – und kritisieren den Bund deutlich.

Die Corona-Inzidenzen in Deutschland steigen seit Tagen, die Zahl der Todesfälle ebenfalls. Ob das der richtige Zeitpunkt für Lockerungen ist? Viele Länder zeigen sich eher verhalten und verlängern die bisherigen Maßnahmen bis zum 2. April – somit ist ein bundesweiter „Freedom Day“ am 20. März vom Tisch.

Mehr Verantwortung für die Länder

Der Entwurf für das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes gibt zwar viele Entscheidungen an die Länder ab, reduziert aber die Maßnahmen, die sie verhängen können. Masken sollen nur noch in Verkehrsmitteln, Flüchtlingsunterkünften und medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen, aber auch etwa in Arztpraxen Pflicht sein.

Die FDP wehrte sich allerdings erfolgreich dagegen, dass weiterhin auch im Einzelhandel eine Maskenpflicht verordnet werden kann. Künftig sollen die Länder nicht mehr bestimmen können, ob das Maskentragen in Schulen verpflichtend ist.

Strengere Schutzmaßnahmen können nur dann verhängt werden, wenn ein Landesparlament sein Bundesland oder einzelne Regionen als Hotspot einstuft. So sollen die Länder selbstständig reagieren, wenn die Inzidenz stark steigt, sich eine neue Virusvariante verbreitet oder die Krankenhäuser überlastet sind.

Baden-Württemberg

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Gesetzentwurf bereits deutlich kritisiert. „Ich halte es für grob fahrlässig, wenn die Bundesregierung ohne Not wirksame Instrumente für den Notfall aus der Hand gibt“, monierte Kretschmann in einer Pressemitteilung.

Baden-Württemberg hat bereits angekündigt, seine Corona-Regeln bis zum 2. April beizubehalten. Von Seiten der Staatskanzlei wird außerdem moniert, dass die Länder die rechtlichen Risiken tragen würden, sollte gegen bestimmte Maßnahmen geklagt werden. Die Regelung zu Hotspots sei nicht eindeutig genug, um rechtssicher zu sein, so eine Sprecherin.

Bayern

Mit einer Inzidenz von über 2000 bricht Bayern derzeit alle Rekorde – und verzichtet auf Lockerungen. Die aktuellen Beschränkungen sollen größtenteils bis zum 2. April weiter gelten. Nur einzelne Regelungen wie die Maskenpflicht in Grundschulen werden gelockert.

Außerdem sollen Volksfeste wieder möglich sein. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in einer Regierungserklärung kritisiert, dass die Hotspot-Regelung zu ungenau definiert sei. Deutschland wäre mit dem neuen Infektionsschutzgesetz „schutz- und wehrlos“, so Söder.

Kein „Freedom Day“ am 20. März

Berlin

Auch die Bundeshauptstadt will die Übergangsfrist nutzen und erteilt der Idee eines sogenannten „Freedom-Days“ am 20. März eine Absage. Wie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag auf einer Regierungspressekonferenz mitteilte, soll dies in einer Sondersitzung des Senats am Samstag beschlossen werden.

Damit sollen die aktuellen Regeln bis zum 31. März bestehen bleiben. Lediglich die Kitas kehren bereits am Freitag in den Regelbetrieb zurück.

„Aber es ist klar, dass ab dem 1. April so gut wie alle Maßnahmen dann in Berlin auch fallen. Nur noch die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und eben in den Bereichen mit vulnerablen Gruppen bleibt“, sagte Giffey.

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Daneben soll auch in Schulen weiter getestet werden. Eine Möglichkeit, die gegenwärtigen Maßnahmen im Rahmen der Hotspot-Regelung über den 31. März hinaus zu verlängern, sieht die Regierende Bürgermeisterin nicht. Die Infektionslage in Berlin sei dafür nicht gravierend genug, eine besondere Überlastung der kritischen Infrastruktur nicht zu beobachten.

Brandenburg

„Angesichts der aktuellen Infektionslage will das Land Brandenburg eine Übergangsfrist, die der Bund im neuen Infektionsschutzgesetz den Ländern einräumen will, nutzen und notwendige Schutzmaßnahmen bis zum Ablauf des 2. April 2022 verlängern“, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) auf Anfrage.

Das Brandenburger Kabinett werde voraussichtlich an diesem Donnerstag eine neue Corona-Verordnung beschließen. Darauf habe sich die Landesregierung am Dienstag verständigt. Die Maskenpflicht im Einzelhandel und die 3G-Regelung bliebe damit zunächst erhalten.

Bremen

In Bremen kritisieren SPD, Grüne und Linke die Lockerungspläne der Bunderegierung. Sie fordern, dass die Länder weiterhin eine grundsätzliche Maskenpflicht im Einzelhandel, in Supermärkten oder in Bussen und Bahnen beibehalten dürfen.

Die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) hatte die Pläne aus Berlin in der TV-Sendung „buten un binnen“ als „absolut nicht ausreichend“ bezeichnet.

Hamburg

Hamburg will die jetzige Verordnung bis zum 2. April verlängern, denn die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infektionen stieg in der Hansestadt nach rund drei Wochen wieder auf einen Wert von mehr als 1000. „Die Pandemie ist bei Weitem noch nicht überwunden“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag.

Deutliche Kritik an der Ampel

Hessen

Deutliche Kritik an der Ampelkoalition und ihrem Vorgehen rund um das neue Infektionschutzgesetz kommt aus Hessen: „Weil sich die Bundesregierung uneinig ist und deshalb eine Neuregelung praktisch in letzter Sekunde vor dem Auslaufen aller Regeln erfolgen muss, wissen wir weiterhin nicht, welche konkreten Schutzmaßnahmen wir in Hessen ab der kommenden Woche ergreifen können“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Dienstag in Wiesbaden. Und weiter: „Dieses Verfahren ist unsäglich, und deshalb lehnen es auch alle Länder ab.“

Die Übergangsregelung des Bundes soll deswegen auch in Hessen umgesetzt werden. Bis zum 2. April gelten demnach weiter die 3G-, 2G- und 2G-plus-Zugangsregeln, die Maskenpflicht und die aktuellen Hygiene- und Abstandskonzepte. Die Testpflicht und Maskenregelungen an den Schulen bleiben demnach ebenfalls bestehen.

Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, und Kapazitätbeschränkungen bei Veranstaltungen und Diskotheken fallen aber weg. Damit will das Land alle bestehenden Schutzmaßnahmen verlängern, für die in der Übergangsphase eine rechtliche Grundlage besteht. „So bleiben wir besonnen und handlungsfähig“, erläuterte der Ministerpräsident.

Mecklenburg-Vorpommern 

Mecklenburg-Vorpommern hält an der Maskenpflicht und der 3G-Regel bis zum 2. April fest. Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) sagte, dass die Lockerungen zu früh kämen. „Nicht alles, was ab dem 20. März möglich ist, ist auch sinnvoll. Die Pandemie lässt sich nicht per Gesetz beenden“, sagte die Gesundheitsministerin im NDR Nordmagazin.

Niedersachsen 

Niedersachsen kritisiert die Öffnungspläne des Bundes. Die Landesregierung werde jedes Instrument, das der Bund in der Pandemiebekämpfung ab dem 20. März noch zulässt, nutzen, kündigte Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) an. Zumindest bis zum 2. April soll es Übergangsregeln geben, die den Ländern noch eine Fortführung strikterer Corona-Vorschriften ermöglichen könnten.

Die Landesregierung denkt bereits jetzt darüber nach, Niedersachsen zum Hotspot zur erklären, wenn angesichts der steigenden Infektionszahlen demnächst eine Überlastung der Kliniken drohen sollte.

Nordrhein-Westfahlen

Auch das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen will nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa die Übergangsregelung bis zum 2. April nutzen und die aktuellen Maßnahmen damit länger beibehalten, als vom Bund ursprünglich vorgesehen. Mit einer konkreten Entscheidung werde aber erst gerechnet, wenn der Bundestag über das neue Infektionsschutzgesetz abgestimmt hat.

Demnach gilt es als wahrscheinlich, dass die Maskenpflicht in Schulen weiter gelten soll. „Die Corona-Schutzverordnung für Nordrhein-Westfalen wird im Lichte des Infektionsgeschehens und der Entscheidungen zum Infektionsschutzgesetz im Bund in enger Abstimmung aller Beteiligten zeitnah angepasst und dann auch kommuniziert“, teilte ein Regierungssprecher auf RND-Anfrage mit.

Hoch hält vorsichtiges Agieren für notwendig

Rheinland-Pfalz

Auch Rheinland-Pfalz wird die Abschaffung der meisten Corona-Regeln auf Anfang April verschieben. „Wir sehen einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen. Darauf reagieren wir und haben die aktuell geltenden Maßnahmen bis zum 2. April verlängert“, teilt eine Sprecherin der Staatskanzlei auf RND-Anfrage mit. Die bisher geltenden Maßnahmen sollen damit im Wesentlichen beibehalten werden.

Die Landesregierung halte grundsätzlich bundeseinheitliche Basismaßnahmen für richtig. „Das Bundesgesetz sieht künftig eine Hotspot-Strategie für Gebietskörperschaften vor. Ein solcher Hotspot kann auch das gesamte Land Rheinland-Pfalz sein“, erklärt die Sprecherin. Sollte sich die Situation erneut zuspitzen, sei man damit in der Lage, schnell und angemessen reagieren zu können.

Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) hält dieses vorsichtige Agieren für notwendig und angemessen, um die sehr hohe Dynamik genauer einordnen zu können, wie aus einer Pressemitteilung des Ministeriums hervorgeht. „Die Lage in den Krankenhäusern ist trotz der hohen Infektionszahlen stabil. Wir registrieren jedoch, dass immer mehr Menschen, die auch in diesen Einrichtungen arbeiten, selbst erkranken und ausfallen“, so der Minister.

Saarland

Hier sollen die Maßnahmen bis zum 31. März weiterlaufen, so ein Sprecher der Landesregierung. Die Regierung werde sich jedoch nach den Beschlüssen im Bundestag am Freitag beraten und ihre Maßnahmen eventuell anpassen.

Sachsen-Anhalt

Die Regierung in Magdeburg will die Beratungen rund um das Infektionsschutzgesetz noch abwarten, so eine Sprecherin. Angesichts einer Inzidenz knapp unter 2000 und einer relativen Belastung im Normalbereich der Krankenhäuser könnte eine Verlängerung der Schutzmaßnahmen bis zum 2. April noch beschlossen werden.

Sachsen

Auch Sachsen wird die Übergangsfrist zum 2. April wahrnehmen und seine Maßnahmen verlängern.

Lockerungen trotz Rekordinzidenz

Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein hält vorerst an den Lockerungsplänen fest, trotz einer Rekordinzidenz von 1342 am Mittwoch. Die bisherigen 2G-plus- und 3G-Regeln werden allesamt aufgehoben. Das sei trotz hoher Inzidenzen vertretbar, weil die Krankenhäuser aufgrund der leichteren Omikron-Verläufe nicht annähernd überlastet seien, betonte CDU-Ministerpräsident Daniel Günther.

Kritik daran gibt es vom SPD-Politiker Thomas Losse-Müller. Er forderte eine Verlängerung der Maßnahmen. „Angesichts der hohen Infektionszahlen auch in Schleswig-Holstein haben Vorsicht und Gesundheitsschutz für mich weiter Priorität“, sagte er am Dienstag. Die Landesregierung sollte dem Beispiel von Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern folgen.

Wie die „Kieler Nachrichten“ berichten, schließt das Gesundheitsministerium ein Abrücken von den bisherigen Plänen nicht mehr aus. Zunächst sollen die Beratungen im Bundestag abgewartet werden, dann soll erneut beraten werden. Die Landesregierung will demnach noch am Mittwoch mitteilen, welche Regeln sie anstrebt.

Kritik am Gesetzentwurf des Bundes

Thüringen 

Der Freistaat Thüringen will ebenfalls von der Übergangsregelung Gebrauch machen. Laut einer Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums sollen die Maskenpflicht im Einzelhandel und im öffentlichen Personenverkehr sowie die 3G- und 2G-Zugangsregelungen bis zum zweiten April erhalten bleiben. Die Kritik aus dem Ministerium am Gesetzentwurf des Bundes ist indes deutlich.

„Die vorgeschlagene Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist aus Thüringer Sicht abzulehnen. Die laut Entwurf verbleibenden Instrumente zur Eindämmung der Pandemie sind gerade in einer Phase steigender Fallzahlen, wie aktuell in Thüringen, nicht ausreichend“, sagte Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke).

Mindestens ebenso problematisch wie der Inhalt des Entwurfs sei, dass die Regelungen nicht eindeutig sind. Auch die Mitentscheidung der Landesparlamente sei höchstens gut gedacht, aber schlecht umgesetzt.

Dass nur der Landtag über leichte Maßnahmen entscheiden kann, sei nicht praktikabel. „Ein schnelles Handeln der Landesregierung bei steigendem Infektionsgeschehen ist so nicht mehr möglich“, erklärte die Ministerin.

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