Während die Zahl der Corona-Neuinfektionen auf Rekordhoch ist, wird der Maßnahmenkatalog für die Länder massiv verkleinert. Nur weil die FDP es so will. Das ist absurd und gefährlich. Ein Kommentar.
Die Corona-Politik war in den vergangenen zwei Jahren immer wieder widersprüchlich. Die neueste Anpassung des Infektionsschutzgesetzes fällt auch in diese Kategorie. Künftig können die Länder 3G-und 2G-Regeln sowie Abstandsgebote nur noch verhängen, wenn die Parlamente sich vorher damit befassen. Bei mehr als 250.000 Neuinfektionen und Hunderten Toten pro Tag sowie der dynamischsten Infektionslage seit Pandemiebeginn ist das absurd - und gefährlich.
Maskenpflicht fällt, weil sich die FDP durchgesetzt hat
Auch die Maskenpflicht entfällt in Innenräumen, dabei ist sie der effektivste Schutz vor Infektion. Und warum? Weil sich wieder die FDP in der Ampelkoalition durchgesetzt hat.Dass ausgerechnet Karl Lauterbach nun derjenige ist, der diese Entscheidung verteidigen muss, grenzt an Realsatire. Immerhin war der SPD-Politiker der lauteste Warner, seitdem das Virus nach Deutschland gekommen ist. Er kündigte selbst an, dass mit ihm die Wissenschaft im Bundesgesundheitsministerium oberste Priorität haben wird.
Jetzt ist der Sozialdemokrat gegenüber den Liberalen eingeknickt. Es ist unverständlich, dass SPD und Grüne dem kleinsten Koalitionspartner solche Zugeständnisse machen. Die Koalition bricht damit ein Versprechen: Mit diesem Infektionsschutzgesetz kommt Deutschland nicht vor die Welle, sondern hinkt wieder hinterher.
Richtig ist, dass die Lage auf den Intensivstationen stabil ist und weniger Corona-Patienten künstlich beamtet werden müssen als noch vor einem Jahr. Doch die Belastung verlagert sich nun auf die Normalstationen und die niedergelassene Ärzteschaft. Zudem geht es bei der Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems darum, die kritische Infrastruktur zu sichern. Bei hohen Infektionszahlen werden allerdings viele Beschäftigte ausfallen.
Bundesregierung sollte weiter Leitplanken bilden
Der weitere Verlauf der Pandemie lässt sich nur schwer prognostizieren. Bund und Länder sind daran in der Vergangenheit oftmals gescheitert. Deswegen ist es unklug, die konkrete Ausgestaltung der Pandemiepolitik in 16 verschiedene Parlamente zu geben, statt einheitliche Leitplanken vorzugeben. Streit ist vorprogrammiert und der kostet erfahrungsgemäß wertvolle Zeit. Bundeseinheitliche Maßstäbe, ab wann welche Regeln gelten, werden nun noch schwerer umzusetzen sein.
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