Kommentar zum AtomausstiegHabeck schlägt dem Comeback der AKWs die Tür zu

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Wirtschaftsminister Robert Habeck am Samstag auf dem Weg ins Kanzleramt.

Robert Habeck hält am Atomausstieg fest. Nicht im Frühjahr 2023, nicht im Winter 2024, sondern noch in diesem Jahr am 31. Dezember sollen die letzten drei deutschen Meiler vom Netz gehen. Und damit genau an jenem Tag, den das Atomgesetz vorsieht.

Die Entscheidung ist nach den Ereignissen und Diskussionen der vergangenen Wochen eine kleine Überraschung. FDP und Union hatten gewaltigen Druck aufgebaut, um wenigsten einen Streckbetrieb zu erreichen, also das Herauskitzeln der letzten Energiereserven aus den vorhandenen Brennstäben. In Wahrheit aber, daraus hatten beide Parteien keinen Hehl gemacht, war es ihnen um das Einsetzen neuer Brennstäbe gegangen, was nichts anderes als eine Laufzeitverlängerung durch die Hintertür gewesen wäre.

Habeck hat dem Druck überstanden

Viele Beobachter waren davon ausgegangen, dass Habeck nicht umhinkommen würde, zumindest dem Kraftwerk Isar 2 in Bayern den Streckbetrieb zu erlauben. Auch das Kraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg galt als Kandidat – nicht zuletzt, weil im Süden und Südwesten der Republik Windräder und Stromleitungen für einen sicheren Netzbetrieb in kritischen Situationen fehlen.

Habeck hat dem Druck widerstanden. Alle drei Kraftwerke gehen Ende Dezember vom Netz, die beiden im Süden werden bis Mitte April für den Notfall betriebsbereit gehalten. Ein ähnliches Modell hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung 2011 erwogen.

Von einer „Kaltreserve“ mag der Minister nicht reden

Von den acht nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima abgeschalteten deutschen Meilern sollte einer als „Kaltreserve“ bereitgehalten werden. Am Ende entschied man sich dagegen – vor allem, weil Atomkraftwerke nicht auf Knopfdruck an- und abgeschaltet werden können, sondern etwa eine Woche für das Hochfahren benötigen.

Von einer Kaltreserve spricht Habeck nicht. Er redet von einer Option, die er sich erhalten wolle. Im Dezember ließe sich die Versorgungslage für den Rest des Winters besser vorhersagen, glaubt der Vizekanzler. Sollte ein Weiterbetrieb bis Mitte April nötig sein, werde man darüber genau einmal entscheiden, kündigt er an. Man kann es auch so sagen: Die Voraussetzungen für einen Streckbetrieb trifft Habeck jetzt, die Entscheidung darüber verschiebt er in die Zukunft.

Vorgehen ist clever und gleichzeitig riskant

Das Vorgehen ist clever und gleichzeitig riskant, es birgt eine Reihe von Vorteilen für den Hoffnungsträger der Grünen aber auch Risiken. Der Vorteil ist, dass Habeck aller Vorrausicht nach nicht noch einmal das Atomgesetz aufschnüren muss. Er kann die Kaltreserve im Energiesicherungsgesetz verankern, und nimmt den Atomkraftbefürwortern in FDP und CDU dadurch die Möglichkeit, im Bundestag eine Debatte über die Beschaffung neuer Brennstäbe zu führen.

Gleichzeitig kommt er seinen Kritikern einen Schritt entgegen – zwar keinen großen, aber doch weit genug, um sein Image als Pragmatiker zu pflegen. Und nicht zuletzt erspart er seiner Partei eine gewaltige Zerreißprobe.

Ein Comeback der Atomkraft schließt Habeck aus

Es werde in dieser Legislaturperiode keine Laufzeitverlängerung, kein Nachladen neuer Brennelemente und schon gar keinen Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland geben, sagt Habeck den eigenen Leuten zu. Das Versprechen dürfte Balsam für die Seele vieler Grünen sein, die in den vergangenen Monaten manche Zumutung wie das Milliardenpaket für die Bundeswehr, die Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete, oder das verstärkte Anfahren von stillgelegten Kohlekraftwerken ertragen mussten.

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Das Risiko ist, dass die Entscheidung weiteren Unfrieden in die Ampelkoalition trägt, zumal das Vorgehen zumindest nach Darstellung der FDP nicht abgesprochen war. Auch ist fraglich, wie die europäischen Partner auf die deutsche Entscheidung reagieren, mitten im Krisenwinter drei grundlastfähige und weitgehend klimafreundliche Kraftwerke vom Netz nehmen zu wollen. Und ob die Argumentation bei der den Energiepreisschock fürchtenden Öffentlichkeit verfängt, muss sich auch erst noch zeigen.

Habeck bestreitet, dass parteipolitische Motive bei seiner Entscheidung eine Rolle gespielt hätten. Auch habe er sich von den Emotionen der Atomdebatte freigemacht. Einzig und allein um die Versorgungssicherheit in Deutschland gegangenen, beteuert der Wirtschaftsminister. Das mag man glauben oder auch nicht. Die Tür für ein Comeback der Atomkraft in Deutschland jedenfalls, hat Habeck an diesem Montag zugeschlagen. Mindestens für die Legislaturperiode, wahrscheinlich aber für immer. (rnd)

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