Kommentar zum KoalitionsvertragSo versprüht die Ampel keine Aufbruchstimmung

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Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck (v.l.)

Berlin – So banal er ist  – der schönste Satz im Ampel-Koalitionsvertrag ist dieser: „Wir haben Lust auf Neues.“ Wir auch, möchte man SPD, FDP und Grünen zurufen. Die Schwermut durch Corona, der Dreck durch den Klimawandel, der Staub der Bürokratie lasten schwer.

Die Sehnsucht nach neuer Leichtigkeit und Zusammenrücken der in Teilen gespaltenen Gesellschaft ist groß. Aber atmet der Koalitionsvertrag Aufbruchstimmung? Versprühen die Spitzenkräfte diesen Geist? Noch jedenfalls nicht.

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Auf den 177 Seiten des Vertrags finden sich neue Ideen und Ziele – keine Frage. Sozialer soll es zugehen, ökologisch bewusster und freiheitsliebend. Schneller, schlanker, einfacher soll der Staat werden und seine Bürgerinnen und Bürger besser in Entscheidungen einbeziehen. Aber die neuen Koalitionäre brauchen sogar ein wenig mehr Papier als die Vorgängerregierung, um alles aufzuschreiben – zum Teil umständlich, langatmig und eben gar nicht so klar wie sie vorgeben zu sein.

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Keine Auskunft zur Frage der Finanzierung

So wird beim großen Aufreger-Thema Wolf eine „realitätsgetreue“ Abbildung der Anzahl der Wölfe für ein europarechtskonformes „Bestandsmanagement“ angekündigt. Von der Union hörte man zuletzt, dass es inzwischen zu viele Wölfe gebe, die Bauern und Schäfern das Leben schwer machen, und deshalb müssten einige der Tiere eben abgeschossen werden müssten. Hört sich nur nicht so nett an. Es ist dabei geblieben, den Kohleausstieg „idealerweise“ von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Dazu hatte sich sogar die Union schon bekannt – idealerweise. Und das Finanz-Kapitel gibt keine Auskunft darüber, wie die Ampel-Vorhaben finanziert werden sollen.

Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz nimmt für sich in Anspruch, die Dinge klar zu ordnen und Politik besser zu erklären. Und dann antwortet er auf die Frage, ob es nicht ein Fehler war, inmitten der vierten Corona-Welle die pandemische Lage auslaufen zu lassen: Maßnahmen seien verschärft worden und es werde einen Corona-Krisen-Stab eingerichtet.

Scholz sucht sich ein großes Vorbild aus

Scholz ist ein Meister darin, Fragen nicht zu beantworten. Erklären geht anders. Warum hat er nicht einfach gesagt, dass das Auslaufen der Pandemie-Lage für ihn kein Fehler sei. Das hätte die Dinge geordnet, auch wenn andere anderer Meinung sind.

Das hätte auch einen Hinweis darauf gegeben, wie diese Koalition damit umgehen wird, was in keinem Koalitionsvertrag steht: mit Krisen. Ein Gefühl für die Ampel gibt am ehesten der Vertragstitel: „Mehr Fortschritt wagen“. Das atmet Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“, den Appell, neue Wege mutig zu beschreiten.

Damit hat sich Scholz ein großes Vorbild ausgesucht. Menschen werden nun auf mehr Warmherzigkeit und mehr Erklärungen von ihm hoffen. Die Grünen müssen idealerweise ihre Klimaziele durchboxen und die FDP sollte erkennen, dass es nichts von Aufbruch hat, drei Männer und nur eine Frau ins Kabinett zu schicken. Das hätte sich nur noch die CSU getraut.

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