„Mein Platz ist in Bayern“Markus Söder streitet mögliche Kanzlerkandidatur ab

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„In der Corona-Zeit sind viele zu neuer Form aufgelaufen“: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

  • Markus Söder wird immer wieder mit einer möglichen Kanzlerkandidatur in Verbindung gebracht.
  • Doch für Söder ist klar: Sein Platz bleibt auch weiterhin in Bayern.
  • Im großen Interview spricht er außerdem über andere mögliche Kandidaten und die Frauenquote in der Union.

München – Entschlossen hat Markus Söder sich als Corona-Krisenmanager profiliert. Will da einer etwas mehr? Im Interview streitet der CSU-Chef ab, die Kanzlerkandidatur anzustreben – und ist voll des Lobes für Merkel.

Herr Söder, finden sie es eigentlich schade, dass Angela Merkel bei der Wahl 2021 nicht mehr antritt?

Sie hat ihre Entscheidung getroffen und die gilt es zu respektieren.

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Sie sagen oft, die CDU habe das Vorschlagsrecht für die Kanzlerkandidatur, aber die CSU ein Vetorecht. Was ist ein Vetorecht wert, wenn seine Ausübung die Garantie für maximalen Ärger wäre?

CDU und CSU werden miteinander zu einer guten Lösung kommen. Dabei muss klar sein, dass unsere derzeit guten Umfragewerte vor allem der Bundeskanzlerin geschuldet sind. Wenn wir als Union den Führungsanspruch behalten wollen, müssen wir für die Zeit nach der Bundestagswahl eine Zukunftsidee entwickeln. Wir brauchen einen Dreiklang: Liberalismus mit klarer Abgrenzung zur AfD, Modernität mit Technologie und Digitalisierung sowie eine nachhaltige ökologisch-konservative Klimapolitik. Wir sollten, wie früher Helmut Kohl und Franz Josef Strauß in ihrer Zeit und wie Angela Merkel jetzt gesellschaftliche Entwicklungen annehmen und die Politik von morgen prägen. Damit machen wir die Union zum politischen Zukunftsteam.

Können Sie das?

Ich habe bei der CSU Parität im Kabinett geschaffen, obwohl die Frauenquote auf dem Parteitag nicht geklappt hat. Ich habe die Partei jünger und digitaler gemacht und glaube an die zwingende Notwendigkeit, beim Klimaschutz zu beschleunigen anstatt nachzulassen. Die größte Pandemie jenseits von Corona ist der Klimawandel. Es darf doch niemandem egal sein, wenn es am Nordkap wärmer ist als in Spanien.

Das klingt, als würden Sie selber gerne das Kanzleramt übernehmen.

Mein Platz ist in Bayern. In einer neuen Umfrage will eine Mehrheit der Bayern, dass ich im Lande bleibe. Das nehme ich sehr ernst.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat gerade Gesundheitsminister Jens Spahn hochgelobt. Wäre er eine Alternative?

Ich schätze ihn auch.

Wie wollen Sie die Union von einer Frauenquote überzeugen?

Die Quote hat einen großen Vorteil. Sie führt dazu, dass völlig unterschiedliche Lebensentwürfe von Frauen in der Politik eine bessere Chance bekommen.

Anfang des Jahres haben Sie im Bund auf einen Kabinettsumbau gedrängt. Steht das noch auf dem Programm?

Im Moment macht das keinen Sinn. Zu Beginn des Jahres war die Situation anders. Aber in der Corona-Zeit sind viele zu neuer Form aufgelaufen, nicht zuletzt zum Beispiel Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Aber Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat ein Problem nach dem nächsten, von der Maut bis zur Straßenverkehrsordnung.

Warten wir das Ergebnis des Untersuchungsausschusses ab. Der ist dafür zuständig, alle Fragen zu klären.

Finanzminister Olaf Scholz steht in der Kritik für den Umgang mit dem insolventen Dax-Unternehmen Wirecard. Die Bundeskanzlerin hat trotz Hinweisen auf Probleme für die Firma geworben.

Der Fall Wirecard muss von den zuständigen Behörden bearbeitet werden.

Sie waren einst Scharfmacher und bemühen sich jetzt um einen gemäßigten Kurs. Geht es irgendwann wieder in die andere Richtung?

Jeder Mensch hat in seinem Leben unterschiedliche Phasen. Wir hatten in der CSU lange eine innerparteiliche Diskussion. So etwas führt dazu, dass man leicht den Blick nach außen verliert. Bei der Landtagswahl 2018 habe ich gemerkt, dass die Menschen eine andere Erwartung an eine Partei haben, als wir dachten. Mir ist aufgefallen, dass es in der Bevölkerung andere gesellschaftliche Entwicklungen und Erwartungen gibt, als wir in der Partei wahrgenommen hatten. Das ist die Motivation gewesen, es anders und besser zu machen. Das Gute ist: Es fühlt sich richtig an.

Was hat sich beim EU-Gipfel durchgesetzt, Solidarität oder nationale Egoismen?

Es ist ein Kompromiss, der in dieser schwierigen Zeit mehr als vertretbar ist. Die größte Sorge war, dass der Gipfel scheitert. Das hätte bedeutet, der Corona-Krise hilflos gegenüberzustehen. Wichtig ist, dass man jetzt wieder zu einem einheitlichen Geist zurückkehrt.

Ist der noch nicht einheitlich genug?

Wir müssen in Europa wieder zu einem besseren Miteinander kommen. Wir haben jetzt einen großen Schritt getan, um dem Süden Europas in der Krise zu helfen. Wir müssen aber auch die Beziehungen zu den östlichen Partnern neu bewerten. Sonst werden sich Gräben weiter vertiefen.

In Ungarn oder Polen werden demokratische Rechte geschliffen werden, wie die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit. Wie soll dieser Graben überwunden werden?

Es gibt einheitliche Werte in Europa, auf die alle verpflichtet sind. Das gilt es umzusetzen. Gleichzeitig braucht es aber auch eine andere Dialogkultur. Wir dürfen uns nicht nur in Brüssel treffen, sondern sollten uns gegenseitig besuchen und die unterschiedlichen Strömungen der Zivilgesellschaft wahrnehmen. Auch in Polen oder Ungarn gibt es viele begeisterte Europäer.

Die Anforderungen des EU-Gipfels an Rechtsstaatlichkeit sind so weich, dass Ungarns Premier Viktor Orban triumphiert.

Wir hätten uns alle sicher mehr gewünscht.

Länder wie Österreich und die Niederlande bekommen Rabatte für ihre Zahlungen an die EU, Gelder für Zukunftsthemen wie Forschung gestrichen. Ist das ein kluges Geschäft?

Beschlossen wurde ein Zukunftsprogramm mit grundlegenden Veränderungen der Finanzarchitektur Europas. Es ist ein ganz großer Wurf. Natürlich gibt es Schönheitsfehler, aber man sollte das Positive sehen. Am Ende ist es eine großartige Leistung und ein persönlicher Erfolg von Angela Merkel. Das geschafft zu haben, liegt an einer Kombination von Geduld und Gespür.

Seit wann sind Sie ein Fan des Schuldenmachens in der EU?

Wir können nicht auf neue Fragen alte Antworten geben. Die Wucht der aktuellen Probleme hat nicht Italien oder Spanien verursacht, sondern das Corona-Virus. Wenn wir die südlichen Länder alleine lassen, überlassen wir sie dort den Populisten und gefährden damit ganz Europa.

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Das wäre für die Werte Europas in der Welt ein fundamentaler Rückschritt. In der Konkurrenz zu China und den USA hat Europa nur dann eine Chance, wenn es zusammenhält. Und kein Land profitiert von einem Binnenmarkt so sehr wie Deutschland.

Es gibt Leute, die finden, es würden deutsche Steuergelder rausgeschmissen.

Jeder Euro, den wir jetzt investieren, hat auch einen Nutzen für Deutschland. Der Erhalt des europäischen Binnenmarktes liegt in unserem fundamentalen Interesse als Exportnation. Dass wir in den vergangenen 15 Jahren so einen Erfolg hatten in Deutschland, liegt an Reformen im Land, aber auch am EU-Beitritt der Osteuropäer und dem damit erweiterten Binnenmarkt. BMW und VW können Autos nicht nur in Dingolfing oder Wolfsburg verkaufen.

Die Uneinigkeit Europas wurde zuletzt in der Flüchtlingspolitik deutlich. Die EU berät nun über eine Asylreform. Kann die gelingen?

Ich hoffe, die Corona-Krise zeigt allen, dass gegenseitige Solidarität alle weiterbringt. Die europäischen Prozesse sind zäh, aber die Ergebnisse tragfähig.

Sprechen wir über die Corona-Krise. Erwarten Sie eine zweite Infektionswelle?

Ich mache mir darüber große Sorgen. Man kann bei einem Blick in die Welt erkennen, dass Corona nicht vorbei ist. Österreich hat die Maskenpflicht wieder eingeführt, Spanien zählt Tausende neue Fälle, Israel steht vor einem Lockdown, in Osteuropa gibt es große Sorgen wegen wachsender Zahlen. Es wäre im besten Falle naiv, das nicht ernstzunehmen.

Ist ein zweiter Lockdown denkbar?

Wir wollen einen generellen Lockdown verhindern. Das wird nur funktionieren, wenn man wie wir in Bayern Testkapazitäten ausweitet, zusätzliche Kräfte in Gesundheitsämtern einstellt, sowie Kapazitäten in Krankenhäusern weiter aufbaut. Corona ist wie ein schwelender Brand. Überall muss die Feuerwehr parat stehen. Deswegen müssen wir auch die Maskenpflicht aufrechterhalten. Es gibt dazu leider keine bessere Alternative.

Die Krise hat erneut gezeigt: Im Pflegebereich gibt es zu wenig Geld, zu wenig Personal, miserable Personalschlüssel.

Jens Spahn plant zurecht eine Pflegereform. Die brauchen wir dringend. Es führt kein Weg daran vorbei, Pflegekräfte besser zu bezahlen und die Ausbildung weiter zu verbessern. Das sollten wir aktiv angehen.

Welche Wirtschaftsentwicklung erwarten Sie?

Ich befürchte, dass wir im Herbst in eine sehr schwierige Lage kommen. Die Stärke Deutschlands ist der industrielle Bereich. Aber es werden zurzeit keine Flugzeuge bestellt, weniger Autos verkauft – und große Maschinen finden kaum Absatz. So lange sich die desaströse Lage in den USA und Lateinamerika nicht verbessert, springt der internationale Markt nicht wie gewohnt an. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir aus einem mehrjährigen in eine schwierige Phase kommen.

Was tun?

Wir müssen im Herbst einen Corona-TÜV machen und schauen, was bisher gewirkt hat und was fehlt. Mit einer Verlängerung von Kurzarbeit und der Insolvenzordnung können wir Sicherheit geben. Aber wir müssen rasch neue Strukturen anschieben, mit Investitionen in Forschung und in Spezialindustrien wie Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau oder die Automobilzulieferer. Den Klimaschutz müssen wir dabei mitdenken: Es könnte eine Idee sein, Autos mit schlechten CO2-Werten in klimafreundlichere Fahrzeuge zu recyceln.

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