UnsentimentalSo lief Merkels letzte Regierungsbefragung im Bundestag

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der letzten Regierungsbefragung in ihrer Amtszeit.

Berlin – Als Angela Merkel den Plenarsaal betritt, ist es 13.06 Uhr. Eigentlich hätte sie spätestens eine Minute früher da sein müssen. Denn eigentlich soll ihre Befragung um 13.05 Uhr beginnen. Doch die Afghanistan-Debatte dauert länger.

Als die 66-jährige Kanzlerin im Bundestag eintrifft, ist sie also einerseits eine Minute zu spät und andererseits 32 Minuten zu früh. Erst um 13.38 geht es wirklich los.

Sie hat noch Zeit, einen Plausch mit Michael Roth (SPD) zu halten, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, sich anschließend in aller Seelenruhe auf ihren Sessel zu setzen, das Smartphone aus der Handtasche zu holen und auf dem Display rauf- und runter zu scrollen.

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Business as usual: Merkel stellt sich zum letzten Mal Parlamentarier-Fragen

Eine gute Stunde haben die Parlamentarier Gelegenheit, der Regierungschefin Fragen zu stellen. Es ist aller Voraussicht nach das letzte Mal. Wer erwartet hatte, dass es irgendwie sentimental zugehen würde, der irrt sich aber. Stattdessen geht es um eine Bilanz ihrer bald 16-jährigen Amtszeit.

Zunächst darf Merkel selbst sprechen. Sie äußert sich zur Corona-Pandemie und sagt: „Die derzeitige Infektionslage ist ermutigend und macht Hoffnung auf einen guten Sommer.“ Freilich bittet die Kanzlerin um die weitere Einhaltung der Regeln. „Wir bewegen uns immer noch auf dünnem Eis.“

Nach sechs Minuten sind die Frager am Zuge. Sie üben sich parteiübergreifend in dem Versuch, der CDU-Politikerin Versäumnisse nachzuweisen oder sie in den laufenden Wahlkampf zu verwickeln, an dem Merkel ja eigentlich nicht mehr teilnimmt.

„Kassensturzpläne“ von Söder und Laschet werden thematisiert

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, will wissen, was Merkel davon hält, dass Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Corona-Krise einen „Kassensturz“ planen. Schließlich sei die Union doch Teil der Regierung und kenne die Kasse.

Merkel erwidert: „Ich würde das nicht als mangelndes Vertrauen verstehen, sondern als Ansatzpunkt, dass man mal in die Bücher guckt.“ Schneider versteht. „Vielen Dank!“, sagt er ironisch. „Ich schaue auch gern in die Bücher.“

FDP-Sozialexperte Johannes Vogel interessiert sich für die Lage der Rentenkasse. Daraufhin sagt Merkel: „Die umlagefinanzierte Rente hat sich länger bewährt, als wir alle dachten.“

Dabei war sie es selbst, die im Zuge des Leipziger Programms der CDU von 2003 auch das Renten-System reformieren wollte, und der langjährige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU), der mit seiner Verteidigung auf verlorenem Posten stand.

Merkel reagiert auf Caren Lay (Linke): Mietpreise sind Sache der Länder

Schließlich ist Grünen-Umweltpolitiker Oliver Krischer dran. Er erinnert an eine Talkshow von 1997, in der die damalige Bundesumweltministerin Merkel betont hatte, dass man beim Klimaschutz schnell und energisch handeln müsse. Sie gibt zurück, dass seither viel geschehen sei, und spricht von „wachsenden Ambitionen über die Dauer meiner politischen Tätigkeit“ – um schließlich einzuräumen, das sei noch nicht genug.

Caren Lay, Fachfrau der Linksfraktion für Bau- und Mietfragen, erwischt es weniger höflich. Sie beklagt die enormen Mietsteigerungen der letzten Jahre. Da verweist Merkel auf die Verantwortung der Länder und erklärt, dort, wo die Linke wie in Berlin mitregiere, sei es ja auch nicht besser.

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Berlin sei noch dazu mit der Einführung der Mietpreisbremse bei Gericht gescheitert. Da hagelt es Protest. Da sei „zynisch“, heißt es. Die Kanzlerin entgegnet, das sei „nicht zynisch“, sondern „der Sachverhalt“.

Der Versuch, Angela Merkel aufs Glatteis zu führen, misslingt jedenfalls. Sie verabschiedet sich ungeschlagen in den Berliner Nieselregen.

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