Situation im deutschen FußballFC-Sportchef Christian Keller: „Das nervt mich im Jugendfußball kolossal“

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Christian Keller, Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln.

Christian Keller, Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln. (Archivbild)

Die sportlichen Verantwortlichen der rheinischen Top-Vereine haben über die Situation im deutschen Fußball diskutiert. Dabei ist klar geworden, dass man bei Millionen-Transfers nicht mithalten kann. Deshalb ist Nachwuchsförderung wichtig. Aber auch dort laufen viele Dinge falsch.

Dass Sadio Mané vom FC Bayern München wie auch Cristiano Ronaldo zum Al-Nassr FC nach Saudi-Arabien wechselt, hat bei den europäischen Fußballclubs für Aufregung gesorgt. Liverpool-Trainer Jürgen Klopp nannte den saudischen Einfluss auf den Weltfußball „massiv“. Er wüsste nicht, „wo das hinführt“.

Für den 31-jährigen Mané sollen aus Saudi-Arabien laut Medienberichten rund 30 Millionen Euro fließen. Geldbeträge, bei denen einem schwindlig werde, die „rational nicht mehr zu begründen“ seien, so BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl. 

Sorgen dieser Art scheint es beim 1. FC Köln, bei Bayer 04 Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und Fortuna Düsseldorf nicht zu geben. Zumindest waren sich deren Sportchefs beim „Rheinischen Bundesliga-Gipfel“ der „Rheinischen Post“ einig, dass die deutschen Vereine ohnehin nicht mit Saudi-Arabiens Kaufkraft mithalten können.

Christian Keller: USA sind für den FC interessanter als Saudi-Arabien

Das sei auch per se nichts Schlechtes, sagte Christian Keller, Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln: „Man muss es nicht zwingend verstehen, wenn solche Unsummen gezahlt werden. Gut ist aber, dass mehr Geld in den europäischen Markt kommt.“ Anfragen aus Saudi-Arabien habe es in Köln wie auch bei den anderen rheinischen Vereinen nicht gegeben.

Laut Keller seien „aus sportlicher und wirtschaftlicher Sicht“ für den Kölner Verein die USA interessanter, denn dort gebe es „noch viel Potenzial“. Ob die USA zu den Adressen für zukünftige Kölner Neuzugänge gehöre, wollte der FC-Sportchef nicht beantworten – es gebe jedoch „klare Fokusmärkte“. Gladbach schaue derweil viel nach Verstärkung in Frankreich, Düsseldorf in Japan und Leverkusen in Südamerika.

Kölns Sportchef: Übergang nach U19 umgestalten, um an „Intensität des Männerfußballs“ anzupassen

Finanzielle Möglichkeiten, wie etwa der FC Bayern, 100 Millionen Euro für einen Harry Kane von Tottenham zu bieten, haben die rheinischen Clubs derweil nicht. Und selbst diese hohe Summe scheint zumindest aktuell für die Münchener nicht auszureichen, um sich den englischen Stürmer zu sichern. Die sportlichen Verantwortlichen der rheinischen Vereine wünschen sich deshalb, dass der fußballerische Nachwuchs in Deutschland mehr gefördert wird und in der Bundesliga zu sehen ist.

Dass sich die Vereine junge Spieler schon früh gegenseitig abwerben, sei nicht förderlich. „Mich nervt diese Wechselei im Jugendfußball kolossal“, so Keller. „Da wird schon dem 13-jährigen vermeintlichen Supertalent viel Geld gezahlt, das am Ende nicht zwingend im Aktivenbereich auf höchstem Niveau ankommt.“ Deshalb habe man sich beim 1. FC Köln bewusst dazu entschieden, „dass es bis zur U19 nur Taschengeld gibt. Bei manchen kleines, bei manchen ein etwas Besseres. Aber leben kann keiner davon.“

Christian Keller glaubt, dass eine Nachwuchsförderung wie in Frankreich eine Lösung sein könnte. Dort ist die Ausbildung der Jugend zentralisierter und weniger Vereinssache. Der FC-Sportchef mahnte auch an, dass man den Übergangsbereich nach der U19 für die jungen Spieler umgestaltet, damit sie sich an die „Intensität des Männerfußballs anpassen“ können.

Gladbach-Sportchef: „Wir müssen jungen Spielern das Vertrauen geben“

Simon Rolfes, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04, verweist dazu auf Studien, die belegt hätten, „dass Talente, die früher im Männerfußball spielen, eine höhere Chance haben, sich in der Bundesliga zu etablieren“. Der Leverkusener Sportchef stimmt seinem Kölner Kollegen Keller zu: Es führe zu keinem Erfolg, „dass einer in der Jugend aus dem Süden in den Westen geht und einer vom Westen in den Süden“. Natürlich gebe es eine freie Wahl des Vereins, in Leverkusen möchte man die auch „nicht auf null setzen“, aber überlegen, „welche Möglichkeiten es gibt, das einzudämmen und zu reduzieren“, so Rolfes. Gelingt das, „wird der Fußball an sich davon profitieren“. In Spanien gebe es etwa in der breiten Masse Talente – für Rolfes „ein Riesen-Vorteil“.

Statistiken hätten der DFL-Kommission gezeigt, dass Deutschland nicht zu den Ländern gehöre, die gute Nachwuchsarbeit leisten, sagt Klaus Allofs, Sportvorstand von Zweitligist Fortuna Düsseldorf. Ein Grund dafür sei, „dass es in unseren Leistungszentren überproportional mehr Wechsel“ gebe, als in anderen Ländern. Es würde laut Allofs den jungen Spielern guttun, länger bei Vereinen zu bleiben.

Die Verantwortung für den Nachwuchs liegt auch bei den Vereinen, sagt Roland Virkus, Sportchef von Borussia Mönchengladbach: „Wir müssen jungen Spielern das Vertrauen geben.“ Denn „das würde dem Markt guttun und ihn beruhigen“, so Virkus, „da müssen wir uns alle hinterfragen“. (rxa mit dpa)

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