Otto Fricke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbunds, spricht im Interview über die Chancen einer deutschen Olympia-Bewerbung.
Köln als Aushängeschild?DOSB-Chef über Olympia in Deutschland – „Dann haben wir Chancen“

Otto Fricke, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB)
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Herr Fricke, das positive Votum für München am 26. Oktober kam für viele überraschend – besonders das deutliche Ergebnis von über 60 Prozent Zustimmung zu einer möglichen Olympiabewerbung für die Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044. Hat Sie das auch überrascht? Die Höhe des Ergebnisses, ja, sie hat mich überrascht. Ich hatte mit einer positiven Tendenz gerechnet, aber nicht mit 66 Prozent Zustimmung. Dass es fast zwei Drittel geworden sind, freut mich sehr – und besonders auch die hohe Wahlbeteiligung.
Von 42 Prozent. Genau. Das ist ein sehr guter Wert und ein Rekord für ein Referendum in München. Wir haben also auch das Ziel, möglichst viele Menschen zur Wahl zu bewegen, erreicht.
Es war kein Volksentscheid, sondern eine Bürgerbefragung. Gibt es für die anderen Bewerber – Berlin, Rhein-Ruhr und Hamburg – eine Pflicht, ebenfalls solche Befragungen durchzuführen? Nein, verpflichtend ist das nicht, aber wir haben den Bewerbern die Möglichkeit dazu eingeräumt. Denn wir sagen von Beginn an klar, dass es keine Bewerbung gegen den Willen der Bevölkerung geben wird und in einer Demokratie nicht ohne sie. Die Münchner waren früh dran, auch wegen der Kommunalwahlen im nächsten Jahr. In NRW oder Hamburg wird die Befragung im Frühjahr folgen, und in Berlin wird es wahrscheinlich eine Volksinitiative geben, die dazu führt, dass sich das Abgeordnetenhaus mit dem Thema befassen muss.
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Würde es Rhein-Ruhr nicht helfen, sich unverkennbarer zu positionieren – etwa mit Köln als international bekanntem Aushängeschild? Diese Diskussion gibt es schon länger. Ich selbst bin Niederrheiner, komme aus Krefeld, bin deshalb aber nicht automatisch für NRW, sondern für die Bewerbung, die vor allem international die besten Chancen hat. Ob eine Region sich auf eine Stadt konzentriert, muss jeder Bewerber selbst entscheiden. Der DOSB macht da keine Vorgaben, sondern bewertet später, wie die Konzepte aussehen: Entfernungen, Sportstätten, olympisches Dorf, Zuschauerzahlen.
Es gibt also tatsächlich kein klassisches Auswahlverfahren mehr? Die Entscheidung wird im Herbst 2026 im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung fallen. Zuvor legen wir am 6. Dezember 2025 fest, wie das Bewertungsverfahren genau aussieht. Wir haben also drei Phasen: Bewerbung, Bürgerbeteiligung und schließlich die Entscheidung. Übrigens: In Rostock hat der Stadtrat bereits hat mit großer Mehrheit zugestimmt, sich für die Segelwettbewerbe zu bewerben.
Köln hat auch schon ein positives Signal aus dem Stadtrat bekommen. Richtig. Aber es wird sicher auch dort noch Bürgerbefragungen geben. NRW plant das ausdrücklich. Dazu kommen Begleitmaßnahmen wie ein Sportstättenprogramm des Landes oder – wie in Bayern – ein Sportgesetz. Solche Initiativen zeigen, welche Dynamik eine Olympiabewerbung in Gang setzen kann.
Der Bewerber, der sich durchsetzt, geht auf jeden Fall ins internationale Rennen? Ja. Der demokratisch gewählte deutsche Bewerber ist dann unser offizieller Partner gegenüber dem IOC. Schon im November werden wir im internationalen Verfahren den nächsten Schritt machen, in den Continuous Dialogue mit dem IOC einsteigen und somit signalisieren: Deutschland möchte wieder dabei sein. Das positive Signal aus München wurde international sehr wohl wahrgenommen – viele Glückwünsche kamen aus der olympischen Familie. Übrigens: Es war weltweit das erste Mal, dass eine Bürgerbefragung für Sommerspiele positiv entschieden wurde. Das ist ein starkes Zeichen.
Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Deutschland befindet sich wirtschaftlich nicht gerade im Aufschwung. Wer soll die Spiele bezahlen? Der Bund ist hoch verschuldet. Die entscheidende Frage ist nicht: Können wir uns das leisten? Sondern: Wollen wir uns das leisten? Olympische und Paralympische Spiele sind eine Investition in die Zukunft. Infrastruktur, Sportstätten, Verkehr – vieles davon bleibt bestehen. Das sieht man heute noch in München, wo 1972 die Spiele stattfanden – oder jetzt 2024 in Paris. Die gereinigte Seine etwa ist ein bleibender Gewinn für die Stadt und die Menschen. Auch in Deutschland können wir durch Olympia nachhaltige Entwicklungen anstoßen.
Vielleicht könnte der Rhein so auch noch sauberer werden … Ich bin unlängst vom Kölner Hauptbahnhof zum Olympiamuseum gegangen und sah Kanuten mit Stirnlampen auf dem Rhein – das war schön. Olympia kann viele gesellschaftliche Impulse geben – Gesundheit, Bewegung, Jugendarbeit. Und ja, es kostet Geld, aber auch das IOC beteiligt sich finanziell. In Paris und Los Angeles waren bzw. sind es Milliardenbeträge.
Wie ist eigentlich Ihr Kontakt zum deutschen IOC-Mitglied, dem Kölner Sportmanager Michael Mronz, der ja wie Sie aus der FDP kommt und stark in die NRW-Bewerbung eingebunden war? Gut. In der aktuellen Phase hilft er dem Prozess sehr, wahrt aber stets die nötige Neutralität – das ist auch richtig so. Wir haben übrigens zwei IOC-Mitglieder aus Deutschland, neben Michael Mronz auch die Athletenvertreterin Kim Bui. Beide berichten regelmäßig, wie unsere Initiativen international wahrgenommen werden.
Das IOC signalisiert, ob zum Beispiel 2036 oder 2040 realistischer ist? Man bewirbt sich nicht mehr für ein bestimmtes Jahr, und Interessenten gibt es viele: Indien, Katar, Afrika, Saudi-Arabien, Istanbul, Budapest. Umso wichtiger ist es, dass wir zeigen, dass Deutschland bereit ist und sich Vertrauen verdient. Die Frage ist, wann Europa wieder an der Reihe ist. Dann wollen wir dem IOC das beste Angebot machen.
Hätte eine deutsche Bewerbung 2040 größere Chancen, weil 2036 die Spiele von Paris 2024 noch zu nah sind? Das kann, muss aber nicht so sein. Man könnte auch argumentieren, dass Länder ohne olympische Erfahrung mehr Vorlaufzeit benötigen, um Spiele zu organisieren. Wir in Deutschland verfügen über viele vorhandene Sportstätten – das ist ein Plus. Entscheidend ist letztlich Vertrauen. Wenn wir fair und transparent agieren, haben wir große Chancen.
Ist es für das IOC nicht attraktiver, in eher autoritäre Staaten zu gehen, wo Dinge einfach beschlossen werden – ohne langwierige Prozesse? Das IOC muss weltweit denken, auch in neuen Märkten. Aber Nachhaltigkeit ist heute ein zentrales Kriterium – und da hat Deutschland enorme Vorteile. Wir müssen nicht neu bauen, sondern können Bestehendes nutzen und modernisieren. Das ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll.
Köln hätte zum Beispiel die Lanxess-Arena, aber kein Olympiastadion. Genau. Da stellt sich die Frage: Baue ich etwas Dauerhaftes, das ich später gar nicht brauche? Oder setze ich auf temporäre Lösungen? Es gibt etwa die Idee, die Arena auf Schalke zeitweise in ein Schwimmstadion umzubauen. Solche Konzepte sind nachhaltig und spektakulär zugleich – auch für die Paralympics, die selbstverständlich dazugehören.
Sie sind als Vorstandsvorsitzender des DOSB erst seit September im Amt – und waren vorher viele Jahre für die FDP im Bundestag. Politische Kontakte sind vermutlich hilfreich für eine Olympiabewerbung? Auf jeden Fall, sie sind sogar unerlässlich. Der DOSB arbeitet eng mit Bund und Ländern zusammen. Ich war im Haushaltsausschuss, kenne die Strukturen und weiß, wie man Projekte finanziert. Der Bund fördert aktuell massiv den Sportstättenbau – das ist wichtig und überfällig.
Sie meinen: Gerade in Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche weniger Sport treiben als früher? Ja, das ist ein großes Problem. Wir müssen die Freude am Sport wieder vermitteln – auch jenseits des Fußballs. Digitalisierung und soziale Medien haben vieles verändert. Der Vereinssport kann hier gegensteuern, gerade für Kinder und Jugendliche, aber auch für Boomer wie mich. Sport ist gelebte Demokratie. Man lernt, Regeln zu akzeptieren, miteinander zu streiten und Mehrheitsentscheidungen zu respektieren. Außerdem integriert Sport wie kaum etwas anderes. Das sollten wir stärker wertschätzen.
Warum hat es Ihrer Ansicht nach in Deutschland seit 1972 keine Olympischen Spiele mehr gegeben? Wir haben uns oft selbst blockiert – mit übertriebener Gründlichkeit und Skepsis. Begeisterung gilt bei uns schnell als unvernünftig. Aber Begeisterung und Vernunft schließen sich nicht aus. Die Fußball-WM 2006 war ein Beispiel dafür, wie positiv Deutschland wirken kann, wenn es beides verbindet.
Und falls am Ende NRW der Bewerber für die Olympischen Sommerspiele werden sollte – etwa unter einem Titel wie „Cologne 2040 – The Heart of Europe“ – was hielten Sie davon? Ich bin sicher, jede Bewerberregion hat kreative Ideen. Und klar, Köln hätte den Vorteil, dass „Cologne“ auch international bekannt ist, aber da würde mir bei den anderen Dreien auch viel einfallen.
