Drogenhilfe Köln„Zwei Suchtberatungsstellen für Jugendliche sind definitiv zu wenig“

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Auf dem Foto ist das Porträt eines Mädchens i dreifacher Version zu sehen, von scharf bis unscharf und vernebelt, wie im Drogenrausch.

In einer Millionenstadt wie Köln leben viele suchtkranke Jugendliche, um ihnen zu helfen, ist die Aufmerksamkeit aller gefragt.

In einer Millionenstadt wie Köln gibt es etliche suchtkranke Jugendliche, aber nur zwei Beratungsangebote. Ein Gespräch darüber, wie ihnen dennoch geholfen werden kann. 

Herr Strobach, am 9. November werden Sie im Rahmen des bundesweiten Aktionstags zum Thema Suchtberatung gemeinsam mit dem Sozialdienst Katholischer Männer auf dem Ebertplatz über Angebote der Drogenhilfe informieren. Wen wollen Sie damit erreichen?

Felix Strobach: In Köln gibt es nur zwei Suchtberatungsstellen für Jugendliche mit insgesamt 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Das ist zum einen die Suchtberatung des Sozialdiensts Katholischer Männer, kurz SKM, und unsere der Drogenhilfe Köln. Das ist für eine Millionenstadt definitiv zu wenig. Wir können nicht überall sein, deshalb gehen wir an die Öffentlichkeit und hoffen, damit neue Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wie Lehrerkräfte, Erzieher und Eltern zu finden. Die Drogenhilfe erhält durch den Aktionstag ein Gesicht, das führt zu Neugierde und eventuell zu Beratungsterminen.

Wie sehen die aktuellen Konsumtrends aus? Gibt es so etwas wie eine Modedroge?

Alles zum Thema Ebertplatz

Die Hauptdrogen bei Jugendlichen sind nach wie vor Alkohol und Cannabis, dazu kommen Trends wie Lachgas. Wir beobachten, dass der Konsum von Kokain zunimmt, was zu einem daran liegt, dass die illegale Einfuhr enorm gestiegen ist, zum anderen an dem Verkauf von kleineren Konsumeinheiten. Vor 20 Jahren wurde Kokain ab einem Gramm verkauft, heute geht es bei 0,1 Gramm los. Die kleineren Konsumeinheiten kann man sich finanziell eher leisten, ein Gramm Kokain kostet schon 80 Euro.

Felix Strobach ist kommissarischer Leiter der Jugenddrogenberatung der Drogenhilfe Köln.

Felix Strobach ist kommissarischer Leiter der Jugenddrogenberatung der Drogenhilfe Köln.

Der Konsum von Cannabis soll legalisiert werden. Ist das der richtige Weg?

Viele Jugendliche denken, Cannabis sei harmlos, der Gesundheitsminister will es freigeben. Das ist meiner Meinung nach eine falsche Signalwirkung. Cannabis ist eine Substanz, die körperliche und psychische Gefahren mit sich bringt. Cannabis bleibt eine Droge, da brauchen wir von politischer Seite mehr Aufklärung. Das Gesetz hat auch Vorteile, aber es ist noch nicht zu Ende gedacht. Leider wurden die Drogenhilfen, die Fachkräfte, die an der Basis arbeiten, nicht wirklich eingebunden. Der Vorteil der Legalisierung ist unter anderem, dass Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr stigmatisiert werden und sich nicht mehr verstecken müssen. Der Konsum wird entkriminalisiert.

Weshalb nimmt der Drogenkonsum bei Jugendlichen trotz Aufklärung, Präventionsprogrammen und kostenloser Hilfe zu?

Niemand wird süchtig, weil er oder sie es will. Die Anforderungen in Schule und Beruf sind in der letzten Zeit sehr gestiegen, die Lebensumstände werden immer schwieriger, die psychischen Belastungen größer, das Selbstbewusstsein geht immer mehr verloren. Man möchte Mithalten, sich etwas leisten können und weil dies nicht geht, gönnt man sich etwas – nämlich einen Rauschzustand. Drogen können kurzfristig dabei helfen, mit schwierigen Gefühlen umzugehen und das Selbstbewusstsein aufzuwerten. Langfristig ist hier das Risiko für eine Suchtentwicklung sehr hoch.

Wer sucht Ihre Jugend-Beratungsstelle auf?

Wir betreuen im Jahr rund 600 Personen, dazu zählen nicht nur betroffene Jugendliche, sondern auch Eltern, Lehr- und Fachkräfte von Jugendeinrichtungen. Im Bereich Medienkonsum geht es los bei Eltern von Kindern ab elf Jahren. In der Altersklasse geht es häufig um das Thema Mediensucht. Der Konsum von Gaming, Social Media, Videos nimmt kontinuierlich zu. Eltern suchen hier Unterstützung in der Erziehung. Jugendliche, meist um die 16 bis 18 Jahre, kommen häufig mit Auflagen von ihrer Schule, vom Gericht oder der Jugendhilfe. Dabei geht es in der Regel um erste Auffälligkeiten mit Alkohol-, Cannabis- oder Kokainkonsum. Hier arbeiten wir eher präventiv, da oft noch keine Problemeinsicht vorhanden ist. Etwas ältere Jugendliche kommen meist, weil sie merken: mein Konsum tut mir nicht gut, ich schaffe es nicht mehr aus dem Bett, ich habe meine Stelle verloren, ich habe ein Problem mit der Polizei. Diese jungen Leute sind oft ambivalent: Sie sind zwar einsichtig, aber der Konsum ist immer noch sehr wichtig.

Ich wünsche mir, dass die Kölnerinnen und Kölner mehr hin- und weniger wegschauen, sich bei uns melden, wenn sie in der Familie oder im Freundeskreis bei Jugendlichen erste Auffälligkeiten bemerken.
Felix Strobach, kommissarischer Leiter der Jugendsuchtberatung "Ansprechbar"

Welche Hilfe erhalten diese jungen Menschen konkret bei Ihnen?

Wir arbeiten klientenzentriert und richten uns nach den Bedürfnissen, der Menschen, die zu uns kommen. Wir sind Expertinnen und Experten im Bereich Sucht und den entsprechenden Hilfsangeboten, unsere Klienten sollen merken: Hier werde ich nicht bewertet oder verurteilt, ich kann offen sprechen. Wir wollen niemanden ein Problem oder eine Lösung einreden, wir sind ganz neutral und schauen, welche Motivation die Jugendlichen mitbringen. Je nachdem kann es dann um kontrollierten Konsum gehen und genauso unterstützen wir natürlich auch, wenn das Ziel die Abstinenz ist.

Was wünschen Sie sich von der Kölner Stadtgesellschaft?

Mehr Verständnis für Sucht und Abhängigkeit. Wenn man über den Neumarkt, Ebertplatz oder den Wiener Platz geht, sollte man nicht verurteilen, sondern hinterfragen, weshalb die jungen Menschen da hingekommen sind, wo sie sind. Ich wünsche mir, dass die Kölnerinnen und Kölner mehr hin- und weniger wegschauen, sich bei uns melden, wenn sie in der Familie oder im Freundeskreis bei Jugendlichen erste Auffälligkeiten bemerken. Wir unterliegen der Schweigepflicht, machen keinen Druck, wir begleiten jede Person in dem für sie richtigen Tempo. 


9. November: Aktionstag „Suchtberatung“ am Kölner Ebertplatz

  • Der bundesweite Aktionstag Suchtberatung setzt am 9. November bereits im dritten Jahr in Folge ein Zeichen im Kampf gegen Sucht. In diesem Jahr haben sich die Drogenhilfe Köln und der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM Köln) unter dem Motto „Wieso, weshalb, darum!“ zusammengeschlossen, um an diesem Donnerstag die breite Öffentlichkeit über die Arbeit und die Angebote der Suchtberatungsstellen zu informieren.
  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendsuchtberatung der Drogenhilfe Köln, der Fachambulanz Sucht des SKM Köln sowie der Kontakt- und Beratungsstelle „Vor Ort“ Kalk/Porz und Ehrenfeld werden von 9 bis 11 Uhr auf dem Ebertplatz präsent sein.
  • Parallel dazu öffnen die Kontakt- und Beratungsstelle „Vor Ort“ in Kalk, Dieselstraße 17, von 9.30 bis 11 Uhr, und die Jugendsuchtberatung „Ansprechbar“ der Drogenhilfe Köln, Victoriastraße 12, von 11 bis 13 Uhr ihre Türen für Interessierte. Besuchende haben die Möglichkeit, die Räumlichkeiten zu erkunden, sich mit den Fachkräften auszutauschen und die vielfältigen Angebote der Sucht- und Drogenberatungsstellen näher kennenzulernen. Mehr Informationen gibt es online
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