BertrugsverdachtMr. Cum-Ex könnte ausgeliefert werden

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Hanno Berger, mutmaßlicher Architekt des Steuerbetrugs, hatte sich in die Schweiz abgesetzt.

Köln – Für Hanno Berger, 70, den inhaftierten mutmaßlichen Architekten des größten Steuerbetrugs in der Finanzhistorie, rückt die Auslieferung aus der Schweiz nach Deutschland näher. Dem Steueranwalt, der mit seinen Cum-Ex-Aktiensteuerkarussellen den Staat um knapp 400 Millionen Euro betrogen haben soll, drohen zwei Strafprozesse in Wiesbaden und Bonn.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Justizkreisen erfuhr, hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona dem Auslieferungsersuchen aus Hessen und NRW entsprochen. Damit wies das Gericht am 5. und 6. August die Einsprüche des inhaftierten Juristen gegen den Auslieferungshaftbefehl ab.

Weder griff das Angebot einer Kaution von 100 000 Franken, noch medizinische Bescheinigungen, dass Berger, genannt „Mr. Cum-Ex“, nicht haft-, transport- oder verhandlungsfähig sei. Ein Amtsarzt aus Graubünden, der ihn seit dem vergangenen Jahr betreut hatte, befürchtete in einem Attest an das Gericht gar das Schlimmste: „Eine längere Inhaftierung des Patienten wird höchstwahrscheinlich zu dauerhaften und irreversiblen Gesundheitsschäden, möglicherweise zum Tod führen.“

Angeklagtem droht eine hohe Haftstrafe

Die Richter kamen zu einem anderen Schluss: Bergers Überstellung sei zulässig, da die deutsche Justiz dafür sorgen müsse, „dass der Auszuliefernde eine angemessene medizinische Behandlung bekommt“. Zudem bestehe Fluchtgefahr. Auch wurde neben der Steuerhinterziehung der Vorwurf des bandenmäßigen Betruges bejaht.

Geht es nach Richard Beyer, einem seiner Strafverteidiger, kommt der Betrugsvorwurf nicht in Betracht, „da er dem Steuerdelikt entgegensteht und somit unwirksam ist.“ Berger kann einzig noch die eidgenössische Berufungskammer anrufen. Anschließend beginnen die juristischen Ränke um seine Auslieferung. Binnen 40 Tagen müssen die deutschen Behörden, weitere Unterlagen liefern, um ihren Tatverdacht näher zu begründen. Danach entscheiden erneut Schweizer Richter.

Dem Angeklagten droht eine hohe Haftstrafe. Zumal der BGH jüngst die Cum-Ex-Deals als strafbaren Griff in die Steuerkasse eingestuft hatte. Lange erfolglos suchte die deutsche Justiz Hanno Berger zu fassen: Der Steueranwalt hatte sich 2012 während einer Razzia in die Schweiz abgesetzt. Staatsanwälte in Köln und Frankfurt halten ihn bis heute für die Spinne im Cum-Ex-Netz, in dem Banken, Investoren und Aktienhändler mutmaßlich zwölf Milliarden Euro hinterzogen haben.

Cum-Ex Ermittlungen rücken Olaf Scholz in schlechtes Licht

Die Cum-Ex-Masche beschreibt einen Aktienhandelszirkel mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch, bei dem der Fiskus doppelt Kapitalertragsteuer erstattet, die zuvor nicht abgeführt wurde. Beteiligt waren Dienstleister, Berater und Banken. Inzwischen ermittelt die Schwerpunktabteilung der Kölner Staatsanwaltschaft gegen mehr als 1000 Beschuldigte, darunter gegen Vertreter 40 namhafter Banken. Allein die Kölner Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage gegen Berger an das Landgericht Bonn von einem Steuerschaden in Höhe von 280 Millionen Euro aus. Stets soll die Hamburger Warburg Bank mitgemischt haben.

Die Ermittlungen gegen die Spitze des Geldinstituts rückten schon SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz in ein schlechtes Licht. 2016 und 2017 traf sich der damalige Hamburger Erste Bürgermeister mit den Warburg-Chefbankern Christian Olearius und Max Warburg. Thema soll das Cum-Ex-Steuerstrafverfahren gewesen sein.

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Damals ermittelte bereits die Kölner Staatsanwaltschaft. Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, hatte den Hamburger Fiskus gewarnt: Die Frist für die Rückforderung von Cum-Ex-Steuerrückflüsse in Höhe von 47 Millionen Euro, erschlichen durch die Warburg Bank, laufe 2016 ab. Der Anspruch der Rückgabe drohe zu verjähren. „Die Antwort aus Hamburg deutete nicht auf großes Interesse hin“, berichtet ein mit dem Fall vertrauter Insider dieser Zeitung. „Es war eher so, dass die Stadt nicht sonderlich begeistert ob der Hinweise war.“ So verjährten die Ansprüche schließlich.

Als 2017 neue Fristen zu enden drohten, schalteten die rheinischen Steuerjäger das Bundesamt für Finanzen gegen die Hanseaten ein. Und so wurde die Stadt Hamburg schließlich angewiesen, die illegal erworbenen Abgaben in Höhe von gut 43 Millionen Euro einzutreiben. Der heutige Bundesfinanzminister Scholz hatte vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss im Bundestag jegliche Einflussnahme zurückgewiesen. An die Inhalte der Gespräche mit der Warburg-Spitze konnte er sich allerdings nicht erinnern.

Berger wehrt sich gegen Vorwürfe

Hanno Berger hingegen machte mit den Bankern an der Alster laut Anklage der Kölner Staatsanwaltschaft hervorragende Geschäfte. 2006 soll er dem Warburg-Mitinhaber Olearius und seinen leitenden Angestellten das neue Modell vorgestellt haben. Zunächst inszenierte man demnach einen Probelauf mit der „Berger-Struktur“. Ad hoc sprangen knapp 800 000 Euro illegaler Gewinn heraus.

2008 soll Berger der Anklage zufolge eine neue Cum-Ex-Strategie entwickelt haben: Dieses Mal durfte der private Geldadel über Anlegerfonds von dem Steuerschwindel profitieren. Zeugen berichteten den Kölner Ermittlern von einem so genannten „HNI-Event“ in einer Villa im Taunus im August 2008. Damals soll Berger einen kleinen Kreis von „High-End-Kunden“ eingeladen haben, um ihnen die Vorteile einer „steueroptimierten Kapitalanlage“ anzupreisen.

Seit Jahren wehrt sich Hanno Berger gegen die Vorwürfe der deutschen Justiz. Laut seiner schriftlichen Einlassung will Berger nur als Gutachter tätig gewesen sein. Auch sei das Cum-Ex-Modell über ausländische Kreditinstitute legal gewesen. Absprachen habe es nicht gegeben. Berger will ohne Vorsatz gehandelt, nur ein Schlupfloch genutzt haben. Auch die Warburger haben die Anschuldigungen stets bestritten. Die Ankläger hegen da erhebliche Zweifel.

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