Hilferuf der Kölner Kölschbrauer„Wir sind von der Pandemie doppelt getroffen“

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leeres Gaffel

Die Kölner Brauhäuser, hier das Gaffel am Dom, sind allesamt wegen Corona geschlossen.

  • Kölschbrauereien sind besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen. Obwohl sie Brauhäuser betreiben, bekommen sie im Gegensatz zur übrigen Gastronomie keine Umsatzausfälle ersetzt.
  • Im Interview erklären Geschäftsführer und Vorstand des Kölner Brauerei-Verbandes, wieso Pils-Brauer besser durch die Krise kommen – und was sie von der Politik fordern.

Köln – Sie haben sich als Kölner Brauerei-Verband in einem Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gewandt. Was wollen Sie von ihm?

Kerner: Wir wollen auf unsere Situation als mittelständische Kölschbrauereien aufmerksam machen. Es ist kein Hilfeschrei, aber ein Weckruf. Es kann doch nicht sein, dass eine komplette Branche wie die unsere in der aktuellen Corona-Pandemie durchs Raster fällt.

Empfinden Sie die Einschränkungen aktuell als übertrieben?

Alles zum Thema Armin Laschet

Becker: Prinzipiell unterstützen wir die Corona-Maßnahmen und ziehen da mit der Landesregierung an einem Strang. Das ist nicht nur so daher gesagt. Wir haben ja selbst das allerhöchste Interesse, dass diese Pandemie ein zügiges Ende nimmt. Allerdings sind die Schließungen für uns extrem schwierig. Die Gastronomie ist die Hauptbetroffene der Schutzmaßnahmen, das ist für uns nicht zu 100 Prozent nachvollziehbar, da Restaurants und Kneipen nicht zu den Orten mit erhöhter Ansteckung gehörten.

Aber der Staat hat doch mit der 75-Prozent-Regel großzügige Hilfen in Aussicht gestellt...

Kerner: Diese Hilfe ist eine gute für Kneipen und Restaurants, keine Frage. Aber unsere Brauhäuser und Brauereien sind Mittelständler mit mehr als 50 Mitarbeitern. Dort greift diese Regelung leider nicht. Wir brauchen aber auch Hilfen. Wir sind doppelt getroffen.

Zu den Personen

Heinrich Philipp Becker ist Mitglied im Vorstand des Kölner Brauerei-Verbandes und Geschäftsführer der Gaffel-Brauerei. Weitere Vorstandsmitglieder sind Melanie Schwartz (Malzmühle-Brauerei) und Alexander Rolff (Früh).

Christian Kerner ist Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbandes.Mitglieder sind die Brauereien: Bischoff, Erzquell, Früh, Gaffel, Haus Kölscher Brautradition (Sion, Dom, Sester, Gilden, Peters) , Malzmühle, Päffgen, Reissdorf, Sünner. (tb)

Wieso sind Sie doppelt getroffen?

Becker: Einerseits greift die Regel mit dem 75-Prozent-Ausgleich nicht. Die 80 Prozent Umsatzrückgang, die ebenfalls Hilfen rechtfertigen müssen, erreichen wir nicht, da wir noch einen Teil unseres Absatzes mit Flaschenbier im Handel erzielen, der die Umsatzeinbußen in der Gastronomie jedoch bei Weitem nicht kompensieren kann.

Das Problem ist auch: Unsere Betriebe werden bezüglich der Corona-Finanzhilfen gesamtheitlich mit der Brauerei betrachtet. Das führt dazu, dass zwischen Brauerei und Gastronomie nicht getrennt wird. Unseren Brauhäusern werden so die wirtschaftlichen Hilfen für das gastronomische Gewerbe verwehrt. Dass es keinen Ausgleich für das komplett zum Erliegen gekommene gastronomische Geschäft gibt, ist nicht zu verstehen und entspricht in keiner Weise dem Gleichheitsgrundsatz.

Wie stark ist denn der Einbruch insgesamt?

Kerner: Wir haben im Oktober ein Minus gegenüber dem Vorjahr von etwa 27 Prozent. Dabei ist der Fassausstoß um knapp 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Wir konnten sogar feststellen, dass im Oktober ein Rückgang beim Flaschenbier von 7,5 Prozent vorlag. Dies hat wohl etwas mit der Jahreszeit zu tun. Im Gesamtjahr 2020 haben wir einen Rückgang von insgesamt 190.000 Hektolitern Bier, und im November ist noch ein deutlicher Rückgang zu erwarten.

Aufgrund des derzeitigen Lockdowns und des zu erwartenden Lockdowns bis mindestens Dezember erwarten wir einen Rückgang von mehr als 20 Prozent für das Jahr 2020. Dies betrifft sehr stark und signifikant die fassbierlastigen Brauereien, also die Brauereien, die einen hohen Gastronomieanteil haben. Derzeit liegen wir bei 1,287 Millionen Hektoliter für den Zeitraum Januar bis Oktober 2020, wobei der Fassbieranteil bei derzeit nur noch bei etwa 25 Prozent liegt.

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Was fordern Sie von Laschet?

Becker: Wir bitten Laschet konkret, die Regelungen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe zu korrigieren, beziehungsweise beim Bund auf eine Korrektur hinzuwirken. Fair wäre es beispielsweise, die Hilfen allein nach gesunkenen Umsätzen im Lockdown zu bemessen und die angeschlossenen Brauhäuser gesondert zu betrachten, die maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen. Wir halten die fehlende Unterstützung durch die Politik für unsere direkt betroffene, aber nicht zwangsgeschlossene Branche für nicht tragbar.

Warum glauben Sie an Ihre eigene Sonderrolle?

Becker: Zum Einen haben wir als Brauereien ja selbst unseren Hunderten Partnern, den Kneipen und Kölsch-Ausschänken massiv geholfen, im ersten Lockdown, und jetzt auch. Zum Anderen sind Kölsch-Bier und Kölner Brauhäuser ein Teil der kölschen DNA. Das ist nicht vergleichbar mit anderen Produkten oder Dienstleistungen. Für unser Kölsch ist die Stadt berühmt, eine Bierhauptstadt.

Andere Brauereien rufen auch nicht um Hilfe...

Kerner: Da gibt es einen großen Unterschied. Wir verkaufen normalerweise zu 40 Prozent Fassbier, und das wird in den Gastronomien getrunken, die aber geschlossen sind sowie auf den großen Veranstaltungen konsumiert, die aber verboten sind. Die großen Pilsbrauer aber haben vor allem Privatkunden im Blick. Die kaufen ihr Flaschenbier im Getränkemarkt. Für diesen Markt gibt es durch den Lockdown praktisch keine Einschränkungen.

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