Kein „Brückenstrompreis“NRW-Unternehmen und Landespolitik enttäuscht über Chemiegipfel

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09.05.2022, Leverkusen. Chempark von Merkenich aus gesehen. Foto: Max Grönert

Der Leverkusener Chempark: Die ansässigen Unternehmen leiden stark unter der Energiekrise

Die Gewerkschaft IG BCE befürchtet einen Stellenabbau, wenn die Politik nicht zeitnah reagiert. 

Nach einem Chemiegipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz haben sich Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Länder enttäuscht über die Ergebnisse gezeigt. Das dringlichste Thema, ein Brückenstrompreis zur Verringerung der hohen Energiekosten, habe nicht adressiert werden können, so Markus Steilemann, Vorstandsvorsitzender des Leverkusener Kunststoff-Konzerns Covestro und Präsident des Verbands der Chemischen Industrie.

Zwar seien gute Ansätze diskutiert worden, zum Beispiel das Bekenntnis der Bundesregierung zum chemischen Recycling. Aber: „Leider hat sich unsere Hoffnung auf eine kurzfristige Entscheidung bei den viel zu hohen Strompreisen nicht erfüllt. Hier muss die Bundesregierung noch im Oktober zu einer Einigung über ein kurzfristiges Energiepaket kommen, um den Strompreis sehr schnell zu senken.“

Industrie und Gewerkschaften fordern Brückenstrompreis

Nach dem Wohnungsbaugipfel am Montag hatte Olaf Scholz am Mittwoch die Chemie-Industrie zum Gipfel ins Kanzleramt geladen. Zentrales Thema waren die stark gestiegenen Energiepreise, die die energieintensive Industrie in Deutschland – und dabei besonders die Chemiebranche – in Bedrängnis bringen.

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Industrie und Gewerkschaften, aber auch viele Landespolitiker, fordern daher einen temporär begrenzten, staatlich subventionierten Industriestrompreis („Brückenstrompreis“), der die hohen Kosten auffangen würde. Außerdem wurden auf dem Gipfel Themen wie der Abbau von Bürokratie, die Förderung von Innovationen und die Fachkräfte-Sicherung diskutiert.

IG BCE fordert schnelle Klarheit

Dass die Zusage für einen Brückenstrompreis ausblieb, sorgte auch bei der Chemie-Gewerkschaft IG BCE für Unmut. Der Vorsitzende Michael Vassiliadis sagte, die Frage müsse schnell entschieden werden. „Wir haben erste Signale dafür, dass die Situation auch Beschäftigung kosten wird und dass es zu Betriebsschließungen kommen kann, zu Verlagerungen.“ Vassiliadis sagte, es habe von Scholz keine Absage an einen „Brückenstrompreis“ gegeben, aber auch keine Zusage.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warnte dagegen, es sei „fünf vor zwölf in Deutschland“. Er könne nachvollziehen, warum Unternehmensvertreter und Gewerkschafter enttäuscht seien vom Ergebnis des Treffens. Bei der Bundesregierung sei Problembewusstsein klar erkennbar gewesen. „Aber es ist eben nicht zu der Konkretisierung der Problemlösung gekommen, die der Lage angemessen gewesen wäre.“ Man wolle den Dialog fortsetzen und an einem „Chemie-Pakt“ arbeiten.

Bundesregierung ist sich in der Frage noch nicht einig

Die Bundesregierung erklärte, sich der Bedeutung wettbewerbsfähiger Strom- und Energiepreise auch für die chemische Industrie bewusst zu sein. „Sie befindet sich in Gesprächen mit dem Parlament über Vorschläge, wie die Stromversorgung so ausgestaltet werden kann, dass Strompreise stabilisiert werden können und damit Planungssicherheit verbessert werden kann“, hieß es mit Blick auf Beratungen der Koalitionsfraktionen. Bislang sind die Grünen und die SPD-Fraktion dafür, Scholz ist skeptisch, die FDP dagegen.

Der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte, man diskutiere „derzeit in der Koalition konstruktiv und sachlich über die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten“. „Am Ende geht es uns allen darum, gemeinsam zu einem guten und tragfähigen Ergebnis zu kommen, das seine gewünschte Wirkung dann auch entfaltet.“

Steilemann sagte mit Blick auf den Industriestrompreis, wenn es dazu keine kurzfristigen Lösungen gebe, müsse man sich über zukünftige Themen keine Gedanken mehr machen. „So dramatisch möchte ich es einmal formulieren.“ Nun würden Entscheidungen für Investitionen getroffen. „Wir werden in einigen Jahren dann ganz böse aufwachen, wenn diese Investitionen nicht getätigt wurden, weil es heute diese Soforthilfe für die Industrie nicht gegeben hat.“ (mit dpa)

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